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# taz.de -- Baubeginn für Moschee in Erfurt: Mühsamer Weg zur Grundsteinlegung
> In Erfurt demonstrieren Rechtspopulisten, während Ministerpräsident Bodo
> Ramelow seine Rede bei der muslimischen Gemeinde hält.
Bild: Grundsteinlegung für die neue Moschee
ERFURT taz | Wer den Ort des Festakts sucht, muss nur den vielen
Mannschaftswagen der Polizei folgen. Ausweiskontrolle, dann das Vorzeigen
der personalisierten Einladung, erst danach ist am Dienstagmittag der
Zutritt frei zur Grundsteinlegung der neuen Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde
im Erfurter Stadtteil Marbach.
Acht Jahre etwa hat die Gemeinde nach einem Ort für ihre Moschee gesucht.
Gefunden hat sie schließlich einen Bauplatz in einem Gewerbegebiet am
Stadtrand, umgeben von Industriebauten. „Liebe für Alle, Hass für Keinen“,
steht auf großen Transparenten an den Wänden des weißen Festzelts, das
Motto der Ahmadiyya-Gemeinde. „Wir empfinden Dankbarkeit, dass wir heute
endlich den Grundstein legen können, und dass wir trotz all der
Anfeindungen so viel Solidarität erfahren haben“, sagt Suleman Malik,
Sprecher der Erfurter Gemeinde.
Was in der medialen Debatte teils als „Streit“ um das Neubauprojekt
beschrieben wurde, bestand aus meterhohen Kreuzen, die mitten in der Nacht
neben dem geplanten Baugelände errichtet wurden, aus auf Holzpfählen
aufgespießten Schweinekadavern, aus einer Scheinhinrichtung und
Morddrohungen. In einem Onlinevideo forderte jemand: „Wenn ihr in Erfurt
wohnt, nehmt euch Öl und ein bisschen Benzin.“ Der Thüringer
AfD-Fraktionschef Björn Höcke sagte einst in Erfurt, er befürchte, dass in
der „gar nicht so fernen Zukunft auf unserem Dom der Halbmond zu sehen
sein“ werde.
Auch an diesem Tag hat sich ein Grüppchen versammelt, das den Bau der
Moschee nicht hinnehmen will. Von „Islamfaschismus“ ist da durch die
Megaphone die Rede, und von der SPD als „Scharia-Partei Deutschlands“.
„Es mag den Demagogen und Hetzern gefallen oder nicht, dass wir unser im
Grundgesetz verankertes Recht auf Religionsfreiheit in Anspruch nehmen“,
sagt Abdullah Wagishauser, der Ahmadiyya-Bundesvorsitzende, im Festzelt.
Auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) bekräftigt
seine Unterstützung: „Für mich gehört eine Moschee zu unserer Gesellschaft,
ebenso wie eine Kirche oder eine Synagoge.“ Er begrüße, dass die CDU
„ebenso selbstverständlich“ bei dem Festakt anwesend sei wie
Sozialdemokraten, Linkspartei und Grüne – also jene Parteien des Thüringer
Landtags, die „sich einem demokratischen Grundverständnis verschrieben“
hätten.
## Acht Meter hoher Turm ist nur Zierde
Der Neubau, den die Gemeinde aus Spenden finanziert, wird die erste nach
außen hin erkennbare Moschee mit Kuppel und Minarett in Thüringen sein –
wenn auch der acht Meter hohe Turm nur Zierde ist. Reinhard Schramm,
Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, begrüßt das in seinem
Grußwort: „Erst ein aufrechter Gang aller Bürger beweist unsere
Demokratie.“ Auch Vertreter der beiden Landeskirchen sind vor Ort.
Journalist*innen drängeln sich, als die eigentliche Grundsteinlegung
beginnt. Nach dem Bundesvorsitzenden Wagishauser legen Ramelow und Erfurts
Oberbürgermeister Andreas Bausewein einen Stein auf die vorgezeichnete
Fläche, dann folgen weitere Gemeindemitglieder. Die Anwesenden versinken
für einen Moment im stillen Gebet. „Sie alle können sich auf Ihre Weise
anschließen“, sagt Wagishauser.
Die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) ist seit 1923 in Deutschland aktiv, seit
2013 ist sie als erste und bisher einzige islamische Gemeinschaft als
Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Sie unterhält hier derzeit
etwas mehr als 50 Moscheen.
Die Ahmadis werben in der Öffentlichkeit für einen liberalen und
gewaltfreien Islam. Kritiker*innen bemängeln das konservative
Geschlechterbild der Gemeinschaft, die Frauen und Männer beispielsweise
beim Gebet strikt trennt. Der Glauben der Ahmadis weicht stark von der
muslimischen Orthodoxie ab. Viele andere Muslime sehen sie als Sekte, in
mehreren muslimischen Ländern werden sie verfolgt.
13 Nov 2018
## AUTOREN
Dinah Riese
## TAGS
Islam
Moschee
Moscheebau
Bodo Ramelow
Erfurt
Schwerpunkt Thüringen
Erfurt
Moscheebau
Björn Höcke
Lesestück Recherche und Reportage
Moscheebau
Schwerpunkt AfD
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