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# taz.de -- Kommentar Sommerstress: Ferien, die Hölle auf Erden
> Die schönste Jahreszeit hat begonnen. Nun wächst die Panik vor
> unkontrollierbaren, öffentliche Orte okkupierenden Horden.
Bild: Sie füllen die Freibäder und nehmen Erwachsenen den Platz weg. Vor alle…
Armageddon scheint angebrochen. Kinder laufen außer Rand und Band durch die
Straßen oder erstechen uns in Regionalzügen. Sie füllen die Freibäder und
nehmen Erwachsenen dort den Platz weg. Vor allem aber wird es überall sehr
laut.
Kinder sind wie Amis: Die eigene Bedeutung vollkommen überschätzend blähen
sie ihr Sein und Wohl und Wehe mit unkontrollierter Lautstärke durch die
Welt. „Müssen die denn nie ins Bett?“, fragt sich der entnervte Altmensch.
Nein, müssen sie nicht. Denn sie haben Ferien, ein Synonym für die Hölle
auf Erden.
Die Lehrer schützen uns nicht mehr, für lange Wochen liegt die
Pflichtaufgabe unserer Schulen brach: Gefängnisse der Lehre und der
Erziehung zu sein, in denen der Delinquent vor sich selbst und die
Gesellschaft vor ihm sicher ist. Nun versuchen Eltern, die Verantwortung zu
übernehmen, doch sie sind dazu nicht ausgebildet.
In ihrer Ohnmacht schaffen viele die Kinder in sogenannte Urlaubsländer.
Dabei produzieren sie Megastaus, die die Infrastruktur komplett lahmlegen.
Statt dringend benötigte Frischwaren und Medikamente für die Bevölkerung zu
transportieren, dient die Autobahn als Riesenparkplatz und Friedhof der
Nerven mit Särgen aus heißem Blech, darin quengelnde Gören, und aus den
Boxen dröhnt die frohe Botschaft des allmächtigen Benjamin Blümchen.
Für die älteren Schüler gab es früher immerhin noch Interrail. Per Zug
verschwanden sie in abgelegene Orte, die ihnen der Zufall zuwies, und wer
die Gemengelage aus Lambrusco, trockenem Toast, chronischer Schlaflosigkeit
und Straßenräubern überlebte, kam wenigstens für eine Weile still und
geläutert zurück nach Hause. Das war schön.
Heute fliegen die spätpubertären Racker. Keiner geht mehr in einem
finnischen Forst oder einem Hafenbecken in Marseille verloren. Stattdessen
verbreiten sie sich wie Heuschrecken blitzschnell über den ganzen
Kontinent.
Gut, dass die Bundesländer unterschiedliche Ferienzeiten haben, so kann man
zu Hunderttausenden in das jeweils gerade nicht betroffene Bundesland
hoppen. Vom Weltraum aus gefilmt sähe das vermutlich aus wie verzweifelte
Eisbären, die in der klimawandelgeschädigten Arktis von einer schmelzenden
Scholle zur nächsten springen.
22 Jul 2016
## AUTOREN
Uli Hannemann
## TAGS
Sommer
Kinder
Sommerferien
Telefon
Kindergarten
Reiseland Kroatien
Kolumne Immer bereit
Schwerpunkt Meta
Österreich
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