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# taz.de -- Interview mit Vokü-Koch Wam Kat: „Kochen ist politisch“
> Wam Kat hat schon Hunderttausende AktivistInnen bekocht. Vor fünf Jahren
> gründete der 59-Jährige in Brandenburg seine eigene VoKü. Ein Treffen.
Bild: „In den Siebzigern wollte ich Held werden“: Wam Kat in Aktion
taz: Herr Kat, wann ist Kochen politisch?
Wam Kat: Immer. Es ist zum einen politisch, weil du bestimmte Produkte
auswählst: ökologisch oder fair gehandelt zum Beispiel. Oder es ist die
Gruppe, für die du kochst. Und natürlich auch die Preise, die du verlangst.
Wie sind Sie selbst zum politischen Kochen gekommen?
In den Siebzigern wollte ich Held werden und mitfahren auf einem Schiff,
dass sich gegen den Walfang wehrte, das Greenpeace-Schiff „Rainbow
Warrior“. Ich war 23 – zu jung, um im Schlauchboot mitzufahren. Dann hat
Rien Achterberg, der Koch der „Rainbow Warrior“, gesagt, du kannst immerhin
in der Kombüse mithelfen. Er hat mir dann deutlich gemacht, welche Rolle
die Küche bei politischen Aktionen spielt.
Welche denn?
Vom Koch aus gesehen, bist du das Herz vom Haus, vom Schiff oder vom Camp.
Das Essen bestimmt die Atmosphäre der Aktion.
Sie sind dann beim Kochen geblieben …
1981 haben wir in den Niederlanden ein Atomkraftwerk besetzt, eine der
ersten öffentlichen Besetzungen. Das wurde sechs Monate im Vorfeld
angekündigt. Drei Wochen vorher war die letzte Versammlung vor der Aktion,
alles war schon besprochen. Dann habe ich die Frage gestellt, was wir
eigentlich essen wollen in den acht Tagen.
Daran hatte keiner gedacht?
Nein. 15.000 Aktivisten waren angemeldet, hauptsächlich aus Großstädten,
gewöhnt an Imbissbude und Aldi um die Ecke. Ich habe dann gesagt: Okay, ich
und ein paar Leute aus meinem Ort kochen für alle vegan-vegetarisch und
umsonst. Wenn ihr mithelft, zu schnippeln. Die haben mich alle angeschaut,
als wäre ich völlig verrückt. Aber wenigstens war klar, wer schuld ist,
wenn es nicht klappt.
Hat es funktioniert?
Irgendwie haben wir das geschafft, zu fünft, ja.
Sie haben mit fünf Leuten für 15.000 Menschen gekocht?
Ja, aber wir haben uns geschworen, das machen wir nie wieder. Bis zwei
Wochen später jemand aus Frankfurt anrief und sagte, dass 5.000 Leute im
Wald sitzen und Essen brauchen. Das war die Aktion gegen die Startbahn
West. Dann kamen gleich die Friedensmärsche, und dann ging es immer weiter.
Eigentlich sollte das eine einmalige Aktion sein, aber dann haben wir die
Kraft der Küche gespürt. Das war die Geburtsstunde des Kochkollektivs
Rampenplan, Katastrophenschutzplan heißt das auf Deutsch.
Was ist die größte Herausforderung beim Kochen für so viele?
Das Beschaffen der Zutaten. Bei der Besetzung des Atomkraftwerks mussten
wir die Biobauern, die seit Anfang der 1970er über ihren Biokarotten
meditierten und so gar nichts mit den radikalen Idioten aus der Stadt zu
tun haben wollten, davon überzeugen, das wir für die selbe Sache kämpfen.
Was hat sich verändert mit den Jahren?
Am Anfang haben wir so viele Gewürze ins Essen geschmissen, dass keiner
mehr geschmeckt hat, was da eigentlich drin ist. Über die Jahre habe ich
dann gelernt, was man mit dem Geschmack von Gemüse alles machen kann. Oder
wie man für 5.000 Leute Nudeln kocht, ohne dass sie ankleben. Es gibt
allerhand Tricks, die man in keiner Kochschule lernt. Das ist auch kein Job
für ausgebildete Köche, sondern eher für Soziologen, Psychologen oder
Sozialarbeiter. Es kommt ja vor allem auf die Gruppendynamik an. Wir
arbeiten nur mit Freiwilligen. Wenn ich die anbrülle, dass in fünf Minuten
das Essen fertig sein soll, dann kommt beim nächsten Mal keiner mehr.
Wie hat es Sie nach Brandenburg verschlagen?
Das ist einfach passiert. Ich bin ja nie nur Koch gewesen, sondern in
erster Linie Aktivist. Ende der Achtziger haben wir uns als Kollektiv
Rampenplan mit dem Problem des sauren Regens beschäftigt, sind das erste
Mal nach Osteuropa gereist. So entstanden Kontakte nach Jugoslawien, wo ich
1990 Trainings in gewaltfreier Konfliktlösung organisiert habe. Dann brach
der Krieg aus, und ich habe verschiedene Freiwilligenprojekte in
Flüchtlingslagern mit aufgebaut. Nach fünf Jahren kam das Friedensabkommen,
und ich bin durch Europa gereist, um Geld für den Wiederaufbau Bosniens zu
sammeln. Dabei bin ich für einen Vortrag im ZEGG (Zentrum für
experimentelle Gesellschaftsgestaltung; d. Red.) in Brandenburg gelandet.
Und die haben gesagt, du kannst gern eine Woche länger bleiben, um
auszuruhen. Das war vor 21 Jahren.
Da haben Sie sich aber lange ausgeruht.
Ach was. Es kam eins nach dem anderen. Bad Belzig, wo das ZEGG ist, war
damals eine Hochburg von Faschisten und Neonazis. Und das kann ich ja nicht
haben, wenn ich da nun mal zufällig lebe. Also haben wir den Infoladen Der
Winkel aufgebaut, den gibt es immer noch. Inzwischen heißt es immer wieder,
dass Bad Belzig ein friedlicherer Ort ist als andere in Brandenburg.
Sie haben aber auch immer weiter gekocht?
Ja, im Kosovo, in Gorleben, bei den G-7-Protesten. In Heiligendamm hatte
ich den Auftrag, das Gemüse zu organisieren. Ich bin zu den Bauern und habe
Scheunen voller krummer Gurken, zu kleiner Tomaten, zu großer Kartoffeln
gesehen. Riesige Mengen, die die Bauern unterpflügen mussten, weil sie
keiner abnahm. Wir haben dann damit die Proteste bekocht. Und als ich einem
befreundeten Filmemacher davon erzählte, entstand der Film „Taste the
Waste“. Der wiederum hat zu einer ganzen Bewegung geführt, die sich gegen
das Wegwerfen von Lebensmitteln engagiert.
Vor fünf Jahren haben Sie Ihre eigene VoKü gegründet, die Fläming Kitchen.
Was war der Hintergrund?
Ganz praktisch wollten wir auf Promotour für den Film „Taste the Waste“
gehen. Außerdem hatte ich nach 30 Jahren Kochen in basisdemokratischen
Kollektiven Lust, etwas zu machen, wo ich entscheide, was wir tun, ohne
dass ich zwei Monate warten muss. Ich entscheide, und der Rest macht mit,
wenn sie dahinterstehen.
Hat sich das Kochen selbst dadurch verändert?
Nein. Was wir schon bei Rampenplan ganz früh gelernt haben: Es gibt immer
einen Verantwortlichen für einen Topf, der trifft die Endentscheidung. Wenn
wir basisdemokratisch über Geschmack entscheiden, dann kommt nie was auf
den Tisch.
Ist das Kochen auf Protestaktionen eigentlich illegal?
Eigentlich nicht. Als wir vor einem Monat für 4.500 Leute bei „Ende
Gelände“ in der Lausitz gekocht haben, kam am Anfang mal wieder das
Gesundheitsamt, um zu kontrollieren. Die könnten uns natürlich auch
dichtmachen. Was nicht ratsam ist bei 4.500 hungrigen Aktivisten. Manchmal
kritisieren sie etwas, aber inzwischen sind wir so eingespielt, dass wir
auch deren Wünsche gut genug kennen. Manchmal geht es auch um Brenner, die
nicht dem Arbeitsschutz entsprechen. Langsam lernt man da aber auch, dass
es für uns selbst gesünder ist, mit sicheren Brennern zu arbeiten. Dass
nicht alle Gesetze völlig bescheuert sind.
Es gibt dennoch auch einen Teil der Szene, der bewusst anonym bleiben will
und sich dem staatlichen Kontrollapparat entzieht.
Auf jeden Fall. Die würden auch keine Aktionen mit der Slow-Food-Bewegung
oder Bundesministerien machen, wie wir das immer wieder machen.
Warum sind Sie da, ich sag mal, flexibler?
Es geht ja zum Beispiel um das Ziel, dass diese Wegwerfgesellschaft so
schnell wie möglich wieder verschwindet. Wenn ich da Aktionen in meiner
eigenen kleinen Community mache, dann ist das zwar schön, aber man erreicht
nicht die Menge von Menschen, die nötig ist, um die Dinge wirklich zu
ändern. Also ist es doch etwas Tolles, wenn man Institutionen erreicht, die
auf den ersten Blick nicht deine Partner sind: Brot für die Welt zum
Beispiel oder Miserior oder der evangelische Frauenverein aus Aachen.
Für wen würden Sie niemals kochen?
Anfragen der Radikalen Veganer aus der Pegida-Ecke habe ich abgesagt.
Dieser Text ist Teil des Wochenendschwerpunkts in der taz.Berlin zum Thema
Volksküche. Darin außerdem: Eine Besuch ganz vieler Voküs.
9 Jul 2016
## AUTOREN
Manuela Heim
## TAGS
Bio-Lebensmittel
Lesestück Interview
Wale
Massentierhaltung
Berliner Tafel
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