# taz.de -- Aktivisten-Koch Wam Kat: Politisch isst das Private | |
> Er tut, was er tun muss: Ökoaktivist Wam Kat bekocht auf großen | |
> Veranstaltungen Tausende. Der Suche nach einer besseren Welt hat er sein | |
> Familienleben geopfert. | |
Bild: Würde er in Berlin leben, würden ihm die Leute die Bude einrennen: weil… | |
Wam Kat kennt kein Sommerloch und auch kein Loch im Magen. Mit seiner Idee, | |
Kochen und Aktivismus zu vereinen, wird er die Sommermonate hindurch Teil | |
zahlreicher ökopolitischer Initiativen sein, darunter das ökologische Camp | |
„Ecotopia“ und der „Good Food March“ quer durch Europa. Ruhe wird er si… | |
kaum gönnen. | |
Auf Großveranstaltungen kocht der 55-Jährige oft für Tausende. Zum Beispiel | |
auf Blockaden oder Musikfestivals. Kochen ist für ihn mehr als eine Form | |
der Kulinarik, ist Teil seines Aktivismus und Plattform, Menschen für | |
alternative Ökonomien und Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Hedonismus und | |
Politik schließen einander für Wam Kat nicht aus, sondern sind Ebenen, die | |
einander bedingen: „Frauen. Kochen. Weltverbessern.“ | |
Das ist auch der Untertitel eines Films, der seine Persönlichkeit in den | |
Mittelpunkt stellt. „In der Welt des Aktivismus ist Wam Kat ein | |
Rock-’n’-Roller“, antwortet Regisseur David Ruf auf die Frage, ob „Frau… | |
Kochen. Weltverbessern“ die etabliertere Version von „Sex, Drugs & Rock ’… | |
Roll“ meinen soll. Er lacht. Als Alt-Achtundsechziger sei der Ökoaktivist | |
und Koch Wam Kat natürlich etwas in die Jahre gekommen, sein Prinzip aber | |
sei immer noch jung und ansteckend. | |
Reif klingt auch der Haupttitel des Films, „Das Prinzip Hoffnung“, in dem | |
sich die Sehnsucht vieler Menschen nach Utopie oder Erlösung spiegelt. Auch | |
Wam Kat hat solche Visionen. Seine Vorbilder sind keine Geringeren als | |
Gandhi, Martin Luther King und Rudi Dutschke. All das treibt ihn voran. | |
Stets ist Wam Kat auf Reisen, immer auf dem Weg dorthin, wo er eine neue, | |
bessere Welt erwartet. Ein Getriebener. | |
Auch wenn er sein unmittelbares Ziel öfter mal aus den Augen verliert, so | |
hat er die große Idee zumindest immer im Kopf. Manchmal denkt er aber auch | |
gar nicht nach und lässt sich einfach treiben. Wenn man zu lange darüber | |
nachdenke, was alles im Leben schiefgehen könnte, mache man gar nicht erst | |
den ersten Schritt und resigniere, meint er, und dass das Leben ein Fluss | |
und der Weg das Ziel sei. | |
## Acht Kilometer Waldweg | |
Eine gute Intuition braucht auch, wer Wam Kat in seinem Zuhause besuchen | |
möchte. Glaubt man sich nämlich am Ziel, muss man noch einen acht Kilometer | |
langen Waldweg hinter sich bringen. Irgendwo in Brandenburg hat sich der | |
gebürtige Niederländer, mitten in einem Naturpark, einen Rückzugsort | |
geschaffen. Getrieben wirkt er hier gar nicht, eher ziemlich privat. Aber | |
man solle sich nicht täuschen, meint Wam, die Töpfe zum Beispiel, aus denen | |
die Pflanzen wuchern, seien umfunktionierte Kriegshelme. | |
Ob sich diese zwei Ebenen in seinem Leben leicht miteinander verbinden | |
lassen, das Private und das Politische? Die Balance zu halten sei für ihn | |
die längste Zeit ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, aber mit zunehmendem | |
Alter sehne er sich danach. Außerdem sei er ziemlich froh darüber, dass | |
dieser Ort nicht so leicht zugänglich ist. | |
Würde er in Berlin wohnen, wäre seine Bude permanent voll, Menschenmassen | |
würden ihn zunehmend nervös machen. Angst machen ihm Menschen dann, wenn er | |
ihre Begeisterung für seine Person nicht deuten kann. Die Präsentation von | |
David Rufs Dokumentarfilm war so ein Moment. An jenem Abend drängten sich | |
die Menschen im taz-Café, vermutlich nicht nur wegen des von Wam Kat in | |
Massen zubereiteten Essens. | |
Den Film hatte er bis zur Premiere nicht gesehen, entsprechend nervös sei | |
er gewesen. Und das, obwohl dem Film, medial gesehen, nicht besonders viel | |
Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Er wird nur auf kleineren Festivals laufen, | |
hat keinen Verleih. Ob er sich darin wiedererkannt hat? „Ich wunderte mich, | |
dass doch auch so viel Positives gesagt wurde. Trotzdem würde es mich nicht | |
wundern, wenn mich jetzt alle, die den Film gesehen haben, für ein | |
Arschloch halten.“ | |
## Die Kluft zwischen Öffentlichkeit und Privatheit | |
Nach den ersten Interviews für seinen Film merkt David Ruf, dass sich die | |
Persönlichkeit Wam Kats nur schwer aus dessen Innensicht erschließen lässt. | |
Während Ruf etwas über seine Beziehungen erfahren wollte, erzählte Kat | |
lieber von seiner Friedensarbeit im Bosnienkrieg. Ruf beginnt deswegen, mit | |
Kat nahestehenden Personen Gespräche zu führen. Damit gelingt ihm ein | |
Balanceakt, bei dem sich Außen- und Innensicht die Waage halten und der | |
einem erstmals Einblick in Wam Kats Persönlichkeit gewährt. | |
Der medienerfahrene Kat musste die Kontrolle an seine Exfreundinnen | |
abgeben. Dass ihn das etwas beunruhigte, ist nachvollziehbar. „Ich meine, | |
ich kenne mein eigenes Leben und weiß, was sie hätten sagen können.“ Gerade | |
durch die filmisch inszenierte Balance fallen innere Widersprüche umso mehr | |
auf. | |
Wie bei den meisten Menschen tut sich auch in Wam Kats Lebensführung eine | |
Kluft zwischen politischen Idealen und privatem Leben auf. Wer jedoch durch | |
politisches Engagement medial präsent ist, muss sich einer | |
Authentizitätsprüfung stellen. Das ist der Preis der Öffentlichkeit. Die | |
Kluft zwischen Öffentlichkeit und Privatheit ist im Schatten seines Gartens | |
zunächst nicht zu spüren. Ausgemistet wird hier nur der Schutt aus der | |
Scheune, persönliche Baustellen werden wahr-, aber hingenommen. | |
Als Politaktivist ziehe es ihn eher nach draußen, kleine, familiäre | |
Strukturen würden den Blick nach außen blenden. Aber das Private ist doch | |
politisch, oder nicht? „Ja, man sagt das, aber wenn man die ganze Zeit mit | |
sich selbst beschäftigt ist, dann verpasst man, was in der Welt passiert. | |
Wenn man mit seiner kleinen Welt zu hundert Prozent im Reinen ist, dann | |
muss man ja nicht mehr rausgehen.“ | |
Wam Kat kritisiert damit die Lebensführung seiner ehemaligen | |
Lebenspartnerin Marjolin. Sie musste die Erziehung der gemeinsamen Tochter | |
allein übernehmen. Dass er mit dieser geschlechtlichen Rollenverteilung, | |
trotz alternativster Lebensführung, ein sehr konservatives | |
Beziehungskonzept lebt, ist ihm dabei wenig bewusst. Frauen sind ihm | |
Unterstützung oder Hindernis. Seine derzeitige Lebenspartnerin Ramona | |
bezeichnet sich selbst als die starke Frau, die hinter jedem starken Mann | |
zu stehen hat. | |
## HeldInnen müssen Opfer bringen | |
In den meisten Fällen drängt repressive Politik Menschen in die Privatheit, | |
bei Wam Kat ist das Gegenteil der Fall. Sein Verhalten wirkt eher wie eine | |
Flucht aus dem Privaten ins Politische. Verantwortung für die Erziehung | |
seiner drei Kinder übernimmt er nicht, seine Ideale projiziert er lieber in | |
die Welt und ins Weltverbessern. Kat ist überzeugt, dass jeder selbst | |
entscheiden muss, was man für seine höheren Ziele opfert. Für viele | |
Menschen ist Wam Kat, aus ökopolitischer Sicht, ein Held. Der Verzicht und | |
die Möglichkeit des Scheiterns zählen zu dessen Wesensmerkmalen, ein jedeR | |
HeldIn muss Opfer bringen. | |
Nun ist das deutsche Verhältnis zum Heldentum ja ein eher distanziertes | |
oder ironisches. Hier werden AntiheldInnen verehrt, Heroismus wird | |
belächelt. Der „arme Weltverbessserer“, der glaubt, die Welt noch retten zu | |
können, wird in den meisten Fällen nicht ernst genommen. Wam Kat geht es | |
genauso. Trotzdem verfolgt er seine Ideen: „An diesem Druck gehen viele | |
Menschen kaputt oder geben auf. Wenn aber die Welt gerettet werden muss, | |
kann man doch nicht einfach sagen, ich haue ab.“ Als Ökoaktivist entzieht | |
Wam Kat sich seiner Verantwortung also keinesfalls. | |
Sind PolitaktivstInnen also die neuen HeldInnen unserer Zeit? Begreift man | |
den Begriff als einen, hinter dem das Gefühl der Verantwortung des | |
Einzelnen für das Ganze, das Heroische und die Selbstüberwindung stecken, | |
dann ja. Meistens hat das mehr mit Egoismus als mit Altruismus zu tun. Zu | |
einem Helden mache ihn die Gesellschaft, meint Wam Kat. Er gehe einfach nur | |
seinen Weg und versuche, so wenig wie möglich falsch zu machen. HeldInnen | |
sind heutzutage eben auch nur Menschen. | |
16 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Laura Wösch | |
## TAGS | |
Bio-Lebensmittel | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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