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# taz.de -- Sicherheit für Radfahrer in Berlin: Der Senat ignoriert die Schatt…
> Der Verkehrssenator fragte 2013 die RadlerInnen nach Gefahrensituationen.
> Es kamen 8.000 Hinweise – passiert ist fast nichts.
Bild: Viel Rad, viel Schatten
Der Moritzplatz in Kreuzberg ist ein echter Radfahr-Hotspot: Den
Kreisverkehr passieren tagsüber innerhalb von zwölf Stunden
zwischen 7.000 und 8.000 RadlerInnen – gut 20 Prozent des
Verkehrsaufkommens. Leider ist der Platz seit Langem auch ein
Hotspot für Unfälle mit Velo-Beteiligung: Für 2015 verzeichnete
die polizeiliche Statistik hier 19 solcher Unfälle, mit zwei
schwer verletzten und 14 leicht verletzten RadfahrerInnen.
Die Zahlen für 2016 könnten etwas erfreulicher ausfallen. Im
vergangenen Herbst ließ das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg
umfangreiche Markierungsarbeiten durchführen, die von der
Unfallkommission der Verkehrslenkung Berlin entwickelt und
finanziert wurden. Seitdem haben die Fahrräder zwei Spuren und
deutlich mehr Platz – der motorisierte Verkehr wird dadurch
ausgebremst. Außerdem signalisieren rote Flächen allen
AbbiegerInnen, dass hier Menschen mit Pedalkraft und ohne Airbag
unterwegs sind.
So wie es aussieht, eine gute Sache. Aber die neue Verkehrsführung am
Moritzplatz ist auch eine große Ausnahme: Sie gehört zu den ganz
wenigen Fällen, bei denen Anregungen aus dem Onlinedialog mit dem
sperrigen Namen „Radfahren in Berlin: Abbiegen? Achtung! – Sicher
über die Kreuzung“ vollumfänglich umgesetzt wurden.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte das
Partizipationsverfahren zwischen November und Dezember 2013
durchgeführt, jedeR Interessierte konnte dabei Orte, wo
RadlerInnen sich besonders unsicher fühlen – in erster Linie
Kreuzungen – mit einer virtuellen Nadel auf dem Stadtplan markieren
und Verbesserungsvorschläge machen. Das Interesse war enorm: Bei
260.000 Seitenaufrufen machten 3.300 registrierte Teilnehmende
mehr als 8.000 konkrete Vorschläge – für Staatssekretär Christian
Gaebler (SPD) „wertvolles Material“ am Ende eines „spannenden
Prozesses“.
„Die eigentliche Arbeit fängt jetzt an“, hatte Gaebler im Mai 2014
noch hinzugefügt, es gelte jetzt, die „Top 30“ der genannten Orte
anzugehen. Wenn man heute Berlins rührige Fahrradlobby fragt, ist
seitdem jedoch kaum etwas passiert. Evan Vosberg, Vorstandsmitglied
des ADFC, findet zwar positiv, dass es den Dialog überhaupt gab, „aber
was daraus gemacht wurde, ist sehr wenig“. Man könne die umgesetzten
Vorschläge „an einer Hand abzählen“.
## Das sichere Gefühl beim Fahren
Einen ähnlichen Eindruck hat Peter Feldkamp von der Initiative
Volksentscheid Fahrrad. Er geht im Übrigen davon aus, dass die
Maßnahme am Moritzplatz auch ohne Onlinedialog gekommen wäre,
einfach weil es sich objektiv um einen Unfallschwerpunkt handelte.
Für Feldkamp ist aber auch die subjektive Gefährdung ein
relevanter Faktor: „Es geht darum, mehr Menschen zum Umsteigen aufs
Rad zu bewegen, auch Ältere oder Kinder. Gerade für die ist ein
Gefühl von Sicherheit beim Fahren wichtig.“
Was tatsächlich bisher unternommen wurde, ist ziemlich schwer zu
sagen. Nach dem Umsetzungsstand gefragt, verweist die
Senatsverwaltung auf ein fast sechs Monate altes Dokument: die
Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des
verkehrspolitischen Sprechers der Piratenfraktion, Andreas
Baum, vom 11. Februar. Ein klares Bild ergibt sich daraus eher nicht,
oft heißt es zum Status einer Maßnahme „Prüfung laufend“ oder
„Abstimmung mit Bezirk laufend“.
Grundsätzlich wurden laut Staatssekretär Gaebler, der die Anfrage
beantwortet hat, in 14 Fällen der Top 30 „konkrete
baulich-investive Maßnahmen zur Verbesserung der
Verkehrssituation bereits umgesetzt oder befinden sich in
Planung“. 5 Fälle würden noch geprüft, in 11 Fällen habe man die
Vorschläge „aufgrund fachlicher Abwägungen und Untersuchungen
als nicht zielführend, z. T. auch als verkehrsgefährdend oder
bautechnisch nicht umsetzbar eingestuft“. Eines der Kriterien für
„nicht zielführend“ ist dabei „keine objektive Unfallhäufigkeit“.
## Stockende Pläne
Bei einem Knotenpunkt, der bezüglich der Beschwerden im
Onlinedialog weit vorne lag und definitiv ein Unfall-schwerpunkt
ist – dem Hermannplatz –, wird sich bis auf Weiteres nichts
Grundlegendes bewegen. Hier würde der Bezirk Neukölln schon seit
rund zehn Jahren am ganz großen Rad drehen.
Aber die Pläne, den Verkehr von der östlichen Platzseite ganz zu
verbannen, sind extrem aufwendig und kommen nicht voran. Laut Senat
ist deshalb als Zwischenlösung eine kleinere Umbaumaßnahme mit
einer neuen Mittelinsel und Markierungsänderungen geplant –
Stand, wie gesagt: 11. Februar.
Der Eindruck bleibt, dass das angeblich so erfolgreiche Verfahren
am Ende wenig gebracht hat und vielleicht – abgesehen von positiver
Presse – nie sonderlich viel bringen sollte. Aus
Radaktivisten-Kreisen heißt es, in der Senatsverwaltung bereue
man bereits die Idee mit dem Onlinedialog. Denn: er weckte hohe
Erwartungen, die nun nicht erfüllt werden können.
6 Jul 2016
## AUTOREN
Claudius Prößer
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Radverkehr
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