# taz.de -- Sondersitzung des Innenausschusses: SPD überwacht Müller | |
> Die von Regierendem Bürgermeister und Senat abgenickte Videoüberwachung | |
> an gefährlichen Orten scheitert an der SPD-Fraktion. | |
Bild: Am Alexanderplatz sollte es ein Modellprojekt zur Videoüberwachung von g… | |
Eines zumindest ist klar: Es wird in den letzten Monaten dieser | |
rot-schwarzen Koalition keine Videoüberwachung der Polizei an gefährlichen | |
Orten geben, auch nicht den schon länger diskutierten Modellversuch am | |
Alexanderplatz. Damit aber hören die Klarheiten auf. | |
Denn in der Koalition werfen sich beide Fraktionen gegenseitig vor, die | |
dafür nötige Gesetzesänderung verhindert zu haben. Das Besondere ist: Der | |
Senat hatte der Videoüberwachung Mitte Juni schon zugestimmt – und nicht | |
etwa Innensenator Frank Henkel (CDU), sondern Regierungschef Michael Müller | |
(SPD) hatte sie durchaus wohlwollend vorgestellt. | |
Vorrangig zu diesem Thema hatte sich der Innenausschuss des | |
Abgeordnetenhauses am Mittwoch zu einer Sondersitzung getroffen, damit das | |
Parlament die Gesetzesänderung nach der Sommerpause noch beschließen | |
könnte. Doch mit der ersten Wortmeldung war das Thema bereits wieder von | |
der Tagesordnung: CDU-Innenpolitiker Robbin Juhnke informierte, man habe | |
sich in der Koalition nicht einigen können. | |
Drastischer drückte es wenig später vor der Saaltür sein Parteifreund | |
Henkel Journalisten gegenüber aus: „Heute hat die SPD bewiesen, dass sie | |
nicht auf der Seite der Sicherheit der Berliner steht.“ Das Thema sei nicht | |
tot, „es wird jetzt im Wahlkampf eine Rolle spielen.“ Und CDU-Fraktionschef | |
Florian Graf ließ per Presseerklärung verlauten, man sei „maßlos | |
enttäuscht“. Es habe schließlich im Senat und mit dem Regierenden | |
Bürgermeister unter Beteiligung von SPD-Fraktionschef Raed Saleh klare | |
Verabredungen zur Einführung der Videotechnik an gefährlichen Orten in | |
Berlin gegeben. | |
## Es war auch Müllers Projekt | |
So konnten das auch die Journalisten verstehen, die dem Regierungschef am | |
14. Juni in der Pressekonferenz nach der Senatssitzung zuhörten. | |
Üblicherweise stellen die zuständigen Senatoren die Entscheidungen und | |
Positionen der Landesregierung vor. Aber an diesem Tag, als er wegen einer | |
Bundesratsinitiative zur Mietpreisbremse ohnehin gefragt war, präsentierte | |
Müller auch die geplante Gesetzesänderung zur Videoüberwachung: ausgehend | |
von einem Modellprojekt am Alexanderplatz, aber dann auch an drei, vier | |
anderen sogenannten gefährlichen Orten. Einzige Einschränkung: Die | |
Überwachung solle nicht flächendeckend sein. | |
Nicht zu hören waren damals Dinge, die am Mittwoch SPD-Innenpolitiker Frank | |
Zimmermann einforderte und die angeblich auf einer Linie mit dem | |
Regierungschef liegen: keine Überwachung im Wohnbereich und zeitliche | |
Befristung bis 2019. Man müsse Augenmaß halten, Sicherheit und Schutz der | |
Grundrechte gegeneinander abwiegen. Was genau „im Wohnbereich“ meint und wo | |
der endet, erklärte Zimmermann auch auf mehrfache Nachfrage von | |
Journalisten nicht. Wohnungen gibt es beispielsweise auch oberhalb jener | |
Gegend am Alexanderplatz, vor dem im Oktober 2012 ein 20-Jähriger | |
zusammengeschlagen und tödlich verletzt wurde. Sein Tod verstärkte Debatten | |
über Videoüberwachung im öffentlichen Raum. | |
Für die CDU ist das geplatzte Projekt Ausdruck der Führungsschwäche von | |
Müller und Saleh. „Was ich überschätzt habe, ist die Autorität des | |
Regierenden Bürgermeisters in seiner Fraktion“, sagte Henkel, der auch | |
CDU-Landeschef ist. Für seinen Sprecher ist eine trotz vorheriger | |
Senatseinigung gescheiterte Gesetzesänderung einmalig in dieser | |
Wahlperiode. | |
SPD-Mann Zimmermann sieht das hingegen anders: „Das Parlament hat zig | |
Vorlagen des Senats geändert, teilweise komplett umgeschrieben.“ Aber auch | |
verhindert? Da eben sieht sich die SPD-Fraktion nicht verantwortlich: Sie | |
habe ja einen Modellversuch am Alex gewollt – bloß mit den genannten | |
Einschränkungen. | |
Wer wollte, konnte an diesem Mittwochvormittag in der Haltung der | |
SPD-Fraktion eine klare Ansage an den Regierungs- und Parteichef und | |
zugleich Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September | |
sehen: Denk bloß nicht daran, danach erneut mit der CDU zu koalieren! | |
Müller hatte die Übernahme des SPD-Landesvorsitzes Ende April unter anderem | |
mit einer nötigen klaren Führungsstruktur begründet – in Wahlkampfzeiten, | |
aber auch danach. | |
29 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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