# taz.de -- EMtaz: Russische Hools: Im permanenten Kampfmodus | |
> Sich gegenüber der ganzen Welt behaupten, lautet Russlands Devise – auch | |
> im Sport. Dazu ist jedes Mittel recht, ob Doping oder Propaganda. | |
Bild: Alexander Schprykin von der Organisation russischer Fußball-Fans und wei… | |
BERLIN taz | „Wie wir alle wissen, drangen die englischen Fans in unseren | |
Block ein, und es gab Provokationen. Wie ist die Lage jetzt?“, fragt der | |
Moderator einer russischen Talkshow den Sportjournalisten Wladimir | |
Stognijenko, der die EM aus Frankreich kommentiert. | |
„Eigentlich war es genau umgekehrt“, korrigiert Stognijenko, und sofort | |
fällt ihm ein Studiogast ins Wort, Maria Pogrebnjak, Frau eines | |
Ex-Nationalspielers: „Sind Sie überhaupt für Russland? So wie Sie drauf | |
sind, sind Sie gegen uns. So darf man unsere Mannschaft nicht | |
unterstützen.“ Dazu gibt’s heftigen Applaus. | |
So wie diese Frau empfinden viele Russen. Das Land wähnt sich seit Jahren | |
im Krieg, in dem alle eins und alle Mittel recht sind, der immer und | |
überall geführt wird. Man greift an und fühlt sich trotzdem als Opfer. | |
Es ist nur natürlich, dass der Sport zu einem wichtigen Teil dieses Krieges | |
wurde. Jeder Sieg wird wie eine gewonnene Schlacht gefeiert, jede | |
Niederlage als Schmach und Hochverrat erlebt. Als die russische Mannschaft | |
bei der Eishockey-WM 2015 der kanadischen unterlag, verließen die Spieler | |
demonstrativ das Spielfeld, bevor die kanadische Hymne ertönte. Kein Fan | |
begrüßte die Vizeweltmeister in Moskau am Flughafen. | |
## Sport als Staatssache | |
Da Sport gleich Krieg ist, ist er auch Staatssache. Obwohl Russland beim | |
Fußball weniger erfolgreich ist als beim Eishockey, fällt Fußball eine | |
besondere Rolle zu, die seiner internationalen Bedeutung entspricht. | |
Doch anders als fast überall sonst auf der Welt ist Fußball in Russland | |
kein ertragreiches Geschäft. Die Clubs werden vom Staat oder von | |
staatsnahen Oligarchen finanziert, die Fangemeinden ebenfalls vom Staat | |
gefördert und umworben. | |
So kamen viele Fans nicht auf eigene Kosten zur EM in Frankreich, sondern | |
mit eigens dafür gecharterten Flugzeugen. Das verstärkte den Eindruck, den | |
man bei den Hooligan-Krawallen in Marseille hatte: sie seien kein Zufall | |
und keine gewöhnliche Fan-Randale gewesen, sondern eine womöglich vom | |
russischen Staat organisierte Aktion. Immerhin war deutlich erkennbar, dass | |
den Kern der Gruppe gut trainierte und koordinierte Straßenkämpfer | |
bildeten, die planmäßig vorgingen. | |
Das darf nicht verwundern. Fußballfans sind in Russland ein Teil der | |
quasistaatlichen paramilitärischen Gewaltstrukturen neben | |
Kosakenhundertschaften, Motorradbanden, Vereinen patriotisch-militärischer | |
Erziehung und Putin treu ergebenen Jugendbewegungen. | |
## Überfälle auf linke Gruppen | |
Um die Eingliederung der Fans in dieses Netzwerk bemühen sich seit Anfang | |
der nuller Jahre die Abteilung für Innenpolitik der Präsidialverwaltung und | |
die Föderale Agentur für Jugendarbeit, deren berühmtester Chef Wassili | |
Jakemenko einst selbst mutmaßlich Mitglied einer kriminellen sportnahen | |
Gruppierung war. | |
Die Fans überfielen schon oft linksgerichtete oppositionelle Gruppen, | |
tauchten bei Protestdemonstrationen auf und verprügelten deren Teilnehmer. | |
Sie traten dabei ähnlich organisiert auf wie neulich in Frankreich. | |
Aber sie liefern sich natürlich auch politikfreie Schlachten mit | |
rivalisierenden Banden (denn eigentlich geht es ihnen darum) und stehen nur | |
bedingt unter Kontrolle. Als 2010 ein Fußballfan in einer | |
Auseinandersetzung mit kaukasischen Kleinkriminellen starb, kam es in | |
Moskau zu Ausschreitungen. | |
Sie beunruhigten die Macht so stark, dass sich sogar Wladimir Putin selbst | |
den Fans anbiederte. Bei der Beerdigung stand er neben dem rechtsradikalen | |
Anführer der Fans Alexandr Spryrin, der jetzt aus Frankreich neben anderen | |
russischen Gewalttätern ausgewiesen wurde. | |
## Nicht von langer Hand geplant | |
Die Rückendeckung, die die Randalierer vom russischen Außenministerium und | |
vom Parlament erhalten, sollte man eher in diesem Zusammenhang betrachten | |
und nicht als einen Beweis für eine von langer Hand geplante Aktion. Die | |
ganze russische Gesellschaft lebt im permanenten Kampfmodus, die | |
offiziellen und inoffiziellen Gewaltstrukturen erst recht. | |
Wahrscheinlicher ist, dass die Fans zurück gepfiffen wurden, nachdem die | |
russische Mannschaft von der EM auf Bewährung suspendiert worden war. Die | |
moralische und diplomatische Unterstützung der Fans ist mehr als zum | |
Ausdruck gebrachte Sympathie. Sie ist auch der Preis, den der Staat für | |
ihre Ruhigstellung zahlt. | |
Das alles gilt es bei der WM-2018 zu beachten. Beim Fußball geht es | |
Russland weder um Sport noch ums Geschäft. Es geht darum, sich gegen die | |
Welt zu behaupten, sei es auch mit Doping, Mobbing und Bullshitting, mit | |
faulen Tricks und Propaganda. Die Sicherheit der Gäste hat keine Priorität. | |
Russland will sie nicht garantieren und kann es auch nicht. | |
20 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Nikolai Klimeniouk | |
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