# taz.de -- Privatisierung auf dem Wohnungsmarkt: Belohnung in Millionenhöhe | |
> Die Deutsche Wohnen erhöht ihre Vorstandsbezüge um 160 Prozent. 2,95 | |
> Millionen Euro erhielt Andreas Segal vom geschluckten Konkurrenten GSW. | |
Bild: GSW geschluckt, erstmal kräftig Boni ausgeschüttet | |
BERLIN taz | Die Vorstandsbezüge des Wohnungsunternehmens Deutsche Wohnen | |
AG haben sich im vergangenen Jahr von 2,5 Millionen auf 6,5 Millionen Euro | |
und damit um 160 Prozent erhöht. Allein die Bezüge des dreiköpfigen | |
Vorstands haben sich fast verdoppelt. Das geht aus dem Geschäftsbericht für | |
das vergangene Jahr hervor. | |
Eine bemerkenswerte Summe, nicht nur wegen ihrer Höhe: Denn zu den 6,5 | |
Millionen Euro gehören eine Abfindung von 1,65 Millionen Euro und | |
Bonuszahlungen von 850.000 Euro für den ausgeschiedenen Finanzvorstand | |
Andreas Segal. Er war lediglich 22 Monate im Amt und bezog in seinem | |
letzten Jahr ein Grundgehalt von 450.000 Euro. Er war bereits | |
Vorstandsmitglied des Berliner Wohnungsbauunternehmens GSW – dem einst | |
größten landeseigenen Wohnungsunternehmen, das [1][die Deutsche Wohnen 2013 | |
gekauft hatte]. Segal wechselte mit dem umstrittenen Verkauf zum | |
Mutterkonzern. | |
Die Deutsche Wohnen ist nach der Vonovia – ehemals „Deutsche Annington“ �… | |
mit fast 150.000 Wohnungen der zweitgrößte Eigentümer von Wohnungen in | |
Deutschland und ist im zweitwichtigsten Aktienindex MDax notiert. Nach | |
einer Vergütungsstudie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz | |
(DSW) sind die Gehälter der Vorstände der MDax-Unternehmen im Jahr 2013 – | |
neuere Daten liegen nicht vor – im Schnitt um lediglich sieben Prozent | |
angestiegen. | |
Mit dem Kauf des Berliner Landesunternehmens GSW wuchs der Konzern um | |
60.000 Wohnungen und ist seitdem in der Hauptstadt stark vertreten. Die GSW | |
wurde vor über zehn Jahren vom damaligen rot-roten Berliner Senat | |
privatisiert. Der heutige Regierende Bürgermeister und damalige | |
SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Müller sorgte damals dafür, dass in | |
seiner Fraktion eine Mehrheit für den umstrittenen Verkauf zustande kam. | |
## Boni teilweise vervierfacht | |
Der Kauf der GSW hat sich für die Vorstände der Deutschen Wohnen in | |
dreifacher Hinsicht gelohnt: So ist etwa das Grundgehalt des | |
Vorstandsvorsitzenden Michael Zahn innerhalb von zwei Jahren um 80 Prozent | |
gestiegen. Dies erklärt sich aus dem Wachstum des Unternehmens vor allem | |
durch den Kauf der GSW: Wird ein Unternehmen größer, können Vorstände mehr | |
verlangen. Im Falle Zahns haben sich die erfolgsabhängigen Boni so im | |
Vergleich zum Vorjahr vervierfacht: Er bekam 1,2 Millionen Euro. | |
Die Boni basieren auf den hohen Gewinnen des Unternehmens, die im | |
vergangenen Jahr 1,2 Milliarden Euro betrugen. Steigende Mieten haben dazu | |
geführt – und Einsparungen, unter anderem auf Kosten der Mitarbeiter: Im | |
Zuge der Fusion wurden Abteilungen gestrichen und die alte GSW-Belegschaft | |
halbiert. Anders als die GSW ist der Mutterkonzern nicht tarifgebunden und | |
zahlt niedrigere Gehälter. | |
Vorstandschef Michael Zahn hat zusätzlich eine „Sondervergütung“ bekommen… | |
eine Art Belohnung für die aus Konzernsicht erfolgreiche Übernahme der GSW. | |
Bewilligt wurden ihm laut Geschäftsbericht 900.000 Euro, tatsächlich | |
ausgezahlt wurden ihm über drei Jahre über 1,1 Millionen Euro. Die | |
Pressestelle der Deutschen Wohnen konnte die Differenz nicht erklären. | |
## Zahlen „erklärungsbedürftig“ | |
Auch Christiane Hölz, die Vergütungsexpertin der Deutschen | |
Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), hält die Zahlen für | |
„erklärungsbedürftig“. „Das könnte ein Thema für die Hauptversammlung | |
sein“, sagt sie. Die findet am 22. Juni in Frankfurt am Main statt. | |
Insgesamt sieht sie die Vorstandsbezüge der Deutschen Wohnen „im Mittelfeld | |
vergleichbarer Unternehmen“ – gemessen an der absoluten Höhe, nicht an den | |
hohen Steigerungsraten. | |
Merkwürdig erscheint die Rolle des ehemaligen Finanzvorstands Andreas | |
Segal, eines früheren GSW-Vorstands. Kurz nach der Übernahme wurde er bei | |
der Deutschen Wohnen Finanzvorstand, während sein Co-Vorstand von der GSW, | |
Jörg Schwagenscheidt, ausschied – dem Vernehmen nach aus Protest gegen das | |
Ende der GSW. | |
Eine ehemalige Führungskraft der GSW sagt, dass Segals Aufgabe, die | |
Übernahme geräuschlos zu organisieren, erfüllt sei und man keine richtige | |
Verwendung mehr für ihn gehabt habe. Die Deutsche Wohnen hatte mit Lars | |
Wittan bereits einen Finanzvorstand. Andreas Segal, der nicht lange | |
arbeitslos blieb und bereits wenige Wochen später beim österreichischen | |
Wohnungskonzern „Buwog“ anfing, konnte oder wollte Anfragen der taz nicht | |
beantworten. | |
## Kein Kommentar | |
Auch die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte den Anstieg | |
der Bezüge nicht kommentieren. Segal wurde bei der GSW Finanzvorstand, als | |
das Land Berlin über den Aufsichtsrat noch Einfluss auf das Unternehmen | |
hatte. Man äußere sich nicht zu Vorstandsgehältern privatwirtschaftlich | |
geführter Unternehmen, sagt Sprecher Martin Pallgen. Die Deutsche Wohnen | |
lässt über ihre Pressestelle erklären: „System und Höhe der Vergütung des | |
Vorstands der Deutsche Wohnen werden durch den Aufsichtsrat bestimmt, der | |
dabei gemäß Aktienrecht und gemäß den Vorgaben des Deutschen Corporate | |
Governance Kodex agiert.“ | |
Im Aufsichtsrat sitzt ein alter Bekannter aus der Politik, der ehemalige | |
„Superminister“ der rot-grünen Bundesregierung, Wolfgang Clement. Auch er | |
beantwortet keine Fragen der taz zur Vergütung. Zu der Frage, ob Segal | |
gehen musste, weil man keine weitere Verwendung mehr für ihn hatte, ließ | |
Clement über seine Sprecherin ausrichten: „Sie können doch nicht im Ernst | |
eine Antwort auf eine offenkundig abwegige Frage erwarten.“ | |
Dass ausgerechnet Clement, der 2008 aus der SPD austrat, im Aufsichtsrat | |
sitzt, passt. Zur Zeit der Kanzlerschaft Gerhard Schröders war er einer der | |
vehementesten Befürworter von Privatisierungen öffentlicher Unternehmen und | |
eines sogenannten schlanken Staates. | |
Dabei sind Fragen zu den Vorstandsgehältern angebracht. Als 2014 Vorstand | |
und Aufsichtsrat das neue Vergütungssystem von den Aktionären absegnen | |
lassen wollten, erhielten sie mit 51,98 Prozent nur eine hauchdünne | |
Mehrheit. Das war ein klares Misstrauensvotum; ein solches knappes Ergebnis | |
ist auf Hauptversammlungen extrem selten. Die Deutsche Wohnen hat | |
anspruchsvolle Anteilseigner, die traditionell kritische Fragen stellen: | |
Großaktionäre sind unter anderem die US-Vermögensverwaltung Blackrock und | |
der norwegische Staatsfonds. | |
Die Vorstände können derzeit aus dem Vollen schöpfen, die Angestellten | |
weniger. Im nächsten Jahr läuft der alte Tarifvertrag für die übernommenen | |
GSW-Mitarbeiter aus. Dann wartet auf sie der Abstieg in den niedrigeren | |
Haustarif der Deutschen Wohnen. | |
14 Jun 2016 | |
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[1] /Ende-der-Wohnungsgesellschaft-GSW/!5213180 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
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