| # taz.de -- Die Wahrheit: Brenn, Knacker, brenn! | |
| > Als beispielhaft rauschend und nährend gelten noch heute die Wurstfeste | |
| > der DDR mit ihren beeindruckenden Schlachteplattenbauten. | |
| Bild: Feiern, bis die Schwarte kracht: Sommerzeit ist Wurstfestzeit | |
| „Am Anfang war die Erde würsteleer“, steht schon in der Bibel geschrieben. | |
| Doch am dritten Tag dampfte bei Gott ein schönes Würstchen auf dem neuen | |
| Herd. Und selbst in der gottlosen DDR wusste man ein gutes Würstchen | |
| durchaus zu schätzen. Beliebt waren dort die sogenannten „Wurstfeste“. Eine | |
| Tradition, die man heute wiederbeleben sollte. | |
| Nur: Wie organisiert man eigentlich ein urstes Wurstfest? Ganz einfach, als | |
| erstes kauft der Wurstfestgastgeber ein, „was beim Fleischer gerade | |
| verlockend erscheint“. Das schlägt zumindest Wurstfestspezialistin Gisela | |
| Neumann in ihrem bis heute wegweisenden Text „Einladung zum Wurstfest“ vor, | |
| der 1976 im führenden Life-Style-Blatt der DDR Das Magazin erschien. Würste | |
| aller Art will Neumann bei ihrer Fleischverkaufsstelle gesehen haben: | |
| Leber- und Blutwurst, Wiener und Bockwürste, Brat- und Weißwürstchen, | |
| Knacker und Wurstringe. Kurzum, die ganze Aufschnittpalette des | |
| Wurstfestfreundes. | |
| ## Senfträger aus dem Fleischkombinat | |
| Doch ob Knacker oder Wiener, ob Aufschnitt oder Anschnitt, ist das | |
| Wichtigste natürlich der Senf, der jedenfalls für Ostwurstler aus Bautzen | |
| kommen soll. Wir nehmen also, was das Fleischkombinat gerade anzubieten hat | |
| als Senfträger. Dazu am besten ein gekühlter Wodka oder ein gutes Bier, | |
| schlägt die Partysanin gutgelaunt vor. „Es muss nicht immer ein | |
| Bierfässchen sein, Flaschenbier in einem Einkaufskorb oder mit einer | |
| originellen Umhüllung löscht ebenfalls den Durst.“ | |
| Und wie soll die Stimmung sein? „Die Stimmung bei einem Wurstfest ist | |
| zwanglos und heiter.“ Entsprechend soll auch der Tisch gedeckt sein, „nicht | |
| zu anspruchsvoll, aber einladend und farbenfroh“. Am besten eine Karodecke, | |
| dazu derbes Geschirr und Holzbrettchen. Das „verführerische Wurst-Buffet“ | |
| kommt dorthin, wo gerade Platz ist, und dort sorgen dann „Farbe und Fülle | |
| des Gebotenen für eine angeregte Stimmung.“ Gut so. | |
| Gesund muss so ein Wurstfest-Buffet selbstverständlich auch sein, und darum | |
| sollte der gute Gastgeber auch diverse frische Salate anbieten, Wurstsalat | |
| Kleingärtner Art mit Erbsen, Blumenkohlröschen und Spargelstückchen oder | |
| den beliebten Wurstsalat Tiroler Art beispielsweise. | |
| ## Brennende Kohlköpfe | |
| Als Höhepunkt einer Wurstfestivität galt seinerzeit der beliebte „brennende | |
| Kohlkopf“! Ein echter Hingucker und ein augenzwinkernder Seitenhieb für die | |
| anwesenden Vegetarier. Die Zubereitung des Partyburners ist wursteinfach: | |
| Ein Kohlkopf wird von oben ausgehöhlt, und in die so entstandene Mulde wird | |
| ein kleines Schälchen gestellt. Da hinein wird ein Wattebausch gegeben, der | |
| mit 80-prozentigem Alkohol getränkt ist. Der Rand der Kohlkopfes wird mit | |
| kleinen auf Stäbchen aufgespießten Würstchen geschmückt, und zu guter Letzt | |
| wird der Wattebausch angezündet. | |
| Heutzutage kann dieses gemütliche Ambiente stilecht durch einen schönen | |
| „Wurstteppich“ ergänzt werden. Dieser wie eine Wurstscheibe gestaltete | |
| Teppich ist „eine stilvolle Fusion aus Wurst und Teppich“, wie es in einer | |
| Produktbeschreibung des Kölner Büros für Gestaltung „Flachbild“ heißt �… | |
| weiter: „Wurst ist zu schön, um nur gegessen zu werden.“ Wie wahr! Auf dem | |
| wurstigen Teppich aus reiner Schurwolle drehen wir uns dann beim Wiener | |
| Wurstwalzer und legen anschließend „Mean Mister Mustard“ von den Würstels… | |
| äh, Beatles auf. Da mussten die Pilzköpfe auch dringend mal ihren Senf | |
| dazugeben. | |
| Und wie lassen wir den Wurstfestabend feierlich ausklingen? Wie wär’s mit | |
| der Lektüre eines guten Buches? Als fesselnde Fachlektüre schlagen wir ein | |
| ordentlich geführtes Schweineleistungsbuch aus dem Fleischkombinat | |
| „Ferkelglück“ vor. Es war nicht alles schlecht in der DDR. | |
| 22 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Kriki | |
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