# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Alles eine Frage der Perspektive | |
> „The Affair“: Zwei Protagonist*innen, zwei taz-Redakteur*innen, zwei | |
> Zuschauer*innen, zwei Sichtweisen. | |
Bild: Dominic West, alias Noah Solloway, der Mann mit dem Doppelleben | |
Von Anne Fromm | |
Am Anfang dachte ich, das sei eine moderne Version von „Dawson's Creek“. | |
Nicht nur, weil Joshua Jackson mitspielt, sondern auch, weil das Setting | |
ähnlich ist: Junge hübsche Menschen leiden und lieben in einem Feriendorf | |
an der US-Küste. Aber dann wird ziemlich schnell klar, dass „The Affair“ | |
mehr ist als das. Es ist ein Krimi, und zwar ein ziemlich intelligent | |
erzählter. | |
Die Serie spielt mit zwei Perspektiven: Er, verheirateter Familienvater, | |
trifft eine junge Frau mit einem dunklen Geheimnis. Sie lächelt | |
verführerisch, streicht sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht, fordert | |
ihn auf, ihr in die Dusche zu folgen. | |
Ihre Version der Geschichte zeigt etwas ganz anderes: Sie, traurig, | |
unsicher und allein, lernt diesen offensiven, älteren Mann kennen. Er hängt | |
sich an ihre Fersen. Sie hat eigentlich anderes im Kopf, als sich zu | |
verlieben. Sie trauert. | |
Zugegeben, die ersten drei Folgen spielen mit platten Klischees. Doch das | |
ist nebensächlich, denn die zwei Perspektiven sind reizvoll: Sie lösen | |
unsere Vorstellung von Realität auf. Hat er nun recht, sie habe ihn | |
angesprochen? Oder ist ihre Erinnerung richtig, in der er ihr zuerst | |
Zigaretten angeboten hat? Vielleicht kann das ja der Kommissar klären, der | |
die beiden in einer dritten filmischen Ebene getrennt voneinander befragt? | |
Vielleicht kann es niemand klären, weil es die eine wahre Version nicht | |
gibt. Jede Folge dieser Serie wird zu einem Suchspiel: Ich habe jede Szene | |
auf Unterschiede gescannt, Dialoge und Bilder miteinander abgeglichen – um | |
dann festzustellen: Irgendwie glaube ich doch eher ihre Version. | |
Von Ambros Waibel | |
Am Anfang dachte ich, das interessiert mich jetzt nicht so. Nicht zuletzt, | |
weil es kaum einen Schauspieler gibt, der für mich dermaßen auf eine Rolle | |
festgelegt ist wie Dominic West als moralisch zerknautschter Polizist in | |
„The Wire“. | |
„The Affair“ hat mich dann aber so fest an den Haken gekriegt wie zuvor nur | |
„The Sopranos“. Das liegt daran, dass beide Serien die großen Fragen | |
stellen: Wer bin ich? Was ist eine Familie? Wie geht das schöne Leben im | |
falschen? | |
Dominic West verkörpert Noah Solloway: Mitvierziger, Ehemann, | |
Familienvater, Lehrer. Er will all das sein, und er will es gut machen. | |
Denkt er. Denn eigentlich will er etwas anderes. Ein berühmter | |
Schriftsteller werden und tun, was seinen Künstlertraum bestimmt: In | |
erster, zweiter und dritter Linie also rumvögeln. | |
Und da kommt die alte Geschichte eines Mannes ins Spiel, der von heute auf | |
morgen seine Familie verlässt, spurlos verschwindet und nach Jahren in | |
einer anderen Stadt gefunden wird, in der er exakt so lebt wie vorher – nur | |
mit neuer Frau und neuen Kindern. So fährt auch Solloway nach einigen | |
Eskapaden aufs tote Gleis zurück. | |
Ich gebe zu, dass mich die Hauptdarstellerin Ruth Wilson und ihre Rolle | |
weniger interessiert. Ein bisschen, weil Wilson mich als wunderbar irre | |
„Luther“-Freundin in der gleichnamigen Krimiserie mehr überzeugt; aber vor | |
allem, weil mir die Geschichte von Aufbruch und Scheitern, von Wahn und | |
Wirklichkeit des Noah Solloway einfach mehr Fallhöhe zu haben scheint. Aber | |
vielleicht täusche ich mich. Wie alles in „The Affair“ ist auch das eine | |
Frage der Wahrnehmung. | |
15 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
Ambros Waibel | |
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