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# taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Rashōmon von der Südhalbkugel
> Die Serie „Sieben Seiten der Wahrheit“ zeigt aus mehreren Perspektiven
> wie eine Kindesentführung Misstrauen zwischen den Betroffenen säht.
Bild: Anna (Leeanna Walsman) und Joe (Alexis Dimitriades) sind in großer Sorge…
Der französisch-deutsche Kultursender Arte hat ein Herz für australische
Serien. Nach „The Slap“, zwei Staffeln „The Code“ und einer zweiten, ni…
länger in Neuseeland, sondern in Sydney spielenden Staffel von Jane
Campions „Top of the Lake“ nun also: „Sieben Seiten der Wahrheit“ in se…
Folgen.
Wer damals „Crocodile Dundee“ geguckt hat oder in den 1980er Jahren mit
Serien wie „Australien-Express“ oder „Die fliegenden Ärzte“ aufgewachs…
ist, sah das endlose Outback schon vor sich, bevor der Fernseher (vom
Internet ahnte man noch nichts) überhaupt eingeschaltet war. Dabei wohnt
beinahe jeder zweite von 24 Millionen Australiern entweder in Sydney oder
Melbourne. Und Brisbane, Perth, Adelaide sind schließlich auch
Millionenstädte. Die Wahrheit ist: Der gemeine Australier ist viel eher ein
Großstädter als der Deutsche.
Es entspricht also der Lebensrealität, wenn die neuen Serien in einem
urbanen Umfeld angesiedelt sind. Und im Grunde genauso gut in Kopenhagen
oder New York spielen könnten. Die Amerikaner hat das nicht davon
abgehalten, es ist eben ihre Art, sogleich ein Remake von „The Slap“ zu
drehen. Der Dreh, jede der acht Folgen nach einer anderen Figur zu benennen
und das Geschehen dann maximal subjektiv aus deren Perspektive zu erzählen,
war ja auch ein veritabler dramaturgischer Geniestreich. Wer hätte sich
vorstellen können, dass ein Schlag ins Gesicht eines garstigen Fünfjährigen
so weite Kreise ziehen würde …
Für „Sieben Seiten der Wahrheit“, nach einem Roman von Elliot Perlman,
haben nun, neben anderen, Matthew Saville (Regie) und Tony Ayres
(Produktion), die auch schon bei „The Slap“ Regie und Produktion besorgt
hatten, das bewährte Prinzip ungeniert noch einmal angewendet. Auch die
Hauptdarsteller Alex Dimitriades und Anthony Hayes – die hier als
Börsenmakler „Joe“ (Folge 1) und „Mitch“ (Folge 4) beruflich und privat
ganz dicke miteinander sind – waren 2011 schon mit von der Partie. Es
könnte natürlich daran liegen, dass so viele australische Schauspieler nach
den ersten Erfolgen im Heimatland gleich den Flieger nach Hollywood nehmen.
Zum Beispiel Hugo Weaving, der Agent Smith aus der „Matrix“-Trilogie. Jetzt
therapiert er in der Rolle des Psychiaters „Alex“ (2) den Lehrer Simon,
dessen Name für keine der Folgen titelgebend ist; dessen unerhörte Tat aber
– der Ohrfeige in „The Slap“ entsprechend – die Geschehnisse in Gang se…
## Ein Coup
Joe und Mitch planen gerade einen großen, hochriskanten, natürlich
illegalen Finanzcoup. Ein Anrufer teilt mit, dass Joes Sohn eine Stunde zu
spät von seinem Schulausflug zurückkommen würde. Nachher in der Schule weiß
niemand etwas von der Verspätung. Joes Sohn wurde bereits abgeholt.
Entführt?! Nach wenigen Serienminuten ist er wieder wohlbehalten daheim.
Aber was hat sich Simon, in dessen Wohnung die Polizei den spielenden
Jungen gefunden hat, dabei gedacht? Warum verschweigt Joes Frau „Anna“, die
auf der Uni einmal mit Simon zusammen war, dass sie wieder den Kontakt zu
ihm gesucht hat? Ist die Prostituierte „Angela“ – die Simons Nachbarin is…
deren Dienstleistung Joe in Anspruch genommen hat – eine Mittäterin? Oder
verstrickt sie sich nur deshalb in Lügen, weil sie sich in Simon verliebt
hat? Wie können Alex und die mit ihm befreundete Strafverteidigerin „Gina“
Simon helfen?
Simons rätselhafte Tat säht Misstrauen – zwischen Joe und Anna; zwischen
Mitch und Joe; sogar zwischen Alex und Gina – und die Saat geht auf, Folge
für Folge. Die verschachtelte Erzählweise, bei der der Zuschauer manche
Szenen zweifach, aus verschiedenen Perspektiven erlebt, entfaltet einen
spezifischen psychologischen Reiz, wie ihn nur die (amerikanische) Serie
„The Affair“ – in der praktisch alle Handlungsstränge mindestens doppelt
erzählt werden – noch radikaler auszuspielen vermag. „Sieben Seiten der
Wahrheit“ erweist sich so als weiterer – handwerklich makelloser – Epigone
von Akira Kurosawas „Rashōmon“, der diese filmische Erzählform eigentlich
begründet hat: 61 Jahre vor „The Slap“.
10 May 2018
## AUTOREN
Jens Müller
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