| # taz.de -- Kolumne Die Couchreporter: Wir müssen über den Abschied reden | |
| > Wenn Fernsehserien enden, ist das so tragisch wie die Trennung von Take | |
| > That. Ein Fall für die Seelsorge. Und Spin-offs sind auch keine Lösung. | |
| Bild: Als Take That sich auflöste, gab es professionelle Hilfe. Und bei „Scr… | |
| Es ist fast vorbei. „The Book of Love“ von Peter Gabriel ist zu hören. J. | |
| D. verlässt ein letztes Mal das Krankenhaus „Sacred Heart“. Da sieht er – | |
| auf ein vor den Eingang gespanntes Bettlaken projiziert – seine Zukunft: Er | |
| sieht seine Hochzeit mit Elliot, Schwangerschaft, Weihnachten mit Kindern, | |
| Kollegen und Freunden, er sieht, wie sein Sohn und Turks Tochter ihre | |
| Verlobung bekanntgeben. „Scrubs“-Erfinder Bill Lawrence läuft ins Bild. In | |
| Hausmeistermontur. Er reißt das Laken ab und steckt es in einen Mülleimer. | |
| „Gute Nacht“, sagt er. Das Ende von „Scrubs“. Es war kitschig. Es war | |
| perfekt. Es war schrecklich. | |
| Wenn Fernsehserien enden, ist das viel schlimmer, als wenn ein Film endet. | |
| Oder ein Buch. Es ist der einzige Moment, an dem man als mehr oder weniger | |
| erwachsener Mensch das Gefühl nachempfinden kann, das Teenager 1998 beim | |
| Ende der Boyband Take That hatten. | |
| Nur dass bei Serienenden niemand Seelsorge-Nummern schaltet, so wie | |
| dereinst die Plattenfirma von Take That, der Musiksender Viva und die | |
| Samariter, die für ihre Notruf-Hotline sogar am Piccadilly Circus in London | |
| warben. | |
| Dabei ist es heute genauso wie damals, als die Deutsche Presse-Agentur die | |
| Bravo, ebenfalls Anrufstelle verzweifelter Heranwachsender, befragte: Das | |
| Phänomen erklärte die Sprecherin damit, daß die Gruppe für viele der | |
| Lebensmittelpunkt war. „Und wenn sich der auflöst, ist es, als ob einer | |
| stirbt.“ | |
| Ersetze „Gruppe“ durch „Serie“ und „der“ durch „die“ – und sc… | |
| Abgesehen davon, dass die Serienhelden nicht selten tatsächlich sterben | |
| (siehe: „Game of Thrones“). | |
| Da man das Gefühl hat, dass sich mehr und mehr Menschen in | |
| Serienabhängigkeit begeben, gilt es, sich auch mit dem Thema Abschied zu | |
| befassen. So wie wir uns mit dem Tod beschäftigen sollten, weil halt | |
| geboren wird. Dabei stellen sich mehrere Fragen: Ist es besser, wenn der | |
| Tod einen hart trifft (so wie bei „Breaking Bad“), weil man noch voll drauf | |
| ist? Oder sollte das Gift langsam ausschleichen (so wie bei „Mad Men“, wo | |
| man sich am Ende von Folge zu Folge quält und das Gucken mehr Anstrengung | |
| denn Vergnügen ist)? Und hilft ein Spin-off, quasi als Methadon? | |
| Die letzte Frage lässt sich pauschal mit Nein beantworten. Noch | |
| schrecklicher als das Ende von „Scrubs“ war der Versuch, die Serie in eine | |
| neunte Staffel zu retten – mit neuem Setting, neuer Hauptdarstellerin, fast | |
| nur neuen AutorInnen. Nach 13 Folgen war Schluss. Zu Recht. Ganz | |
| ordentliche Spin-offs, wie das „Breaking Bad“-Prequel „Better Call Saul“ | |
| sind nicht mehr als Ausnahmen, die den Befund kaum tangieren. Messfehler. | |
| Manchmal gucke ich mir noch alte „Scrubs“-Folgen an, obwohl ich alle schon | |
| drei- oder viermal gesehen habe und keine Pointe mehr überraschend kommt, | |
| so wie bei den „Nackte Kanone“-Filmen, die ja trotzdem immer wieder | |
| großartig sind. Das Rauskramen alter Serien ist vermutlich so eine Art | |
| Trauerarbeit. Müsste mir ein Psychologe mal beantworten. Oder ich rufe die | |
| damalige Sprecherin der Bravo an. | |
| Und vielleicht ist die Hotline der Samariter ja auch noch geschaltet: | |
| „Hello this is Jürn speaking. Do you know ‚Scrubs‘?“ | |
| 9 Jun 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürn Kruse | |
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