# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsabkommen: Rechtsstaatliche Skrupellosigkeit | |
> Die Türkei fühlt sich in der Frage der Visumfreiheit zu Recht von der EU | |
> betrogen und legt das Abkommen auf Eis. Das ermöglicht eine neue Chance. | |
Bild: Flüchtlinge im Süden Athens. Sie will die Türkei nur dann wieder aufne… | |
Erst vor wenigen Tagen noch hat Amnesty International den Flüchtlingsdeal | |
zwischen der EU und der Türkei als illegal und skrupellos bezeichnet. Jetzt | |
hat die Türkei scheinbar darauf reagiert und das Abkommen erst einmal aus | |
dem Verkehr gezogen. | |
Doch das hat nichts damit zu tun, dass die Rechte von Flüchtlingen durch | |
das Abkommen mit Füßen getreten werden und sich als Konsequenz daraus immer | |
mehr Flüchtlinge auf die im Vergleich mit der Ägäis noch viel gefährlichere | |
Route von Libyen aus über das Mittelmeer machen. Nein, die Türkei fühlt | |
sich von der Europäischen Union betrogen. | |
Und das zu Recht. Statt, wie ursprünglich versprochen, im Gegenzug für die | |
Rücknahme der illegal nach Griechenland übergesetzten Flüchtlinge den | |
türkischen Bürgern die visafreie Einreise in den Schengen-Raum zu | |
gestatten, will Brüssel jetzt nichts mehr davon wissen. Die Türkei habe die | |
dafür gestellten Bedingungen nicht erfüllt. | |
Es ist beschämend, wie hier Menschen gegeneinander ausgespielt werden. | |
Zuerst bietet die EU der Türkei viel Geld und andere Vergünstigungen an, um | |
Flüchtlinge abzublocken. Doch als es dann an den einzigen Punkt geht, der | |
auch normalen türkischen Bürgern etwas bringen würde, entdeckt sie | |
plötzlich rechtsstaatliche Skrupel. Dabei ist das ganze Abkommen mit der | |
Türkei von Beginn an auf rechtsstaatliche Skrupellosigkeit aufgebaut. Ist | |
doch das Recht auf Asyl damit de facto außer Kraft gesetzt worden. | |
Wenn sich jetzt bei Flüchtlingen und Schleppern herumspricht, dass erst | |
einmal niemand mehr aus Griechenland zurückgeschickt wird, werden wieder | |
mehr Menschen auf die griechischen Inseln kommen, statt die lange Fahrt | |
übers Mittelmeer nach Italien zu versuchen. Vielleicht schafft die EU es | |
dann in einem neuen Anlauf, diese Flüchtlinge gerecht zu verteilen, statt | |
sich an schmutzigen Deals mit Präsident Erdoğan zu versuchen. | |
6 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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