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# taz.de -- Bundeskanzlerin in der Türkei: Merkels Spagat
> Die Bundeskanzlerin reist zum UN-Nothilfegipfel nach Istanbul. Sie will
> mit Erdoğan über die Flüchtlinge reden – und muss Menschenrechte
> ansprechen.
Bild: Schwierige Partnerschaft: Am Montag will Merkel den türkischen Präsiden…
Berlin taz | Wenn die Bundeskanzlerin an diesem Montag den türkischen
Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul trifft, wird sie sich in
der Kunst des Spagats üben: Einerseits will sie den empfindlichen
Autokraten nicht durch allzu kritische Töne verschrecken, um den
EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei nicht zu gefährden. Andererseits muss sie
der empörten Diskussion über die politischen Zustände am Bosporus so weit
Rechnung tragen, dass sie wenigstens den öffentlichen Anschein erweckt, als
seien ihr Demokratie und Menschenrechte nicht gänzlich egal.
Offizieller Anlass für Merkels Stippvisite an den Bosporus ist der
UN-Nothilfegipfel in Istanbul. Dort will sie am Montag eine Rede halten.
Für den Nachmittag ist das Gespräch mit Erdoğan angesetzt.
In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung
demonstrierte Merkel anschaulich, wie sie den Spagat zwischen
Menschenrechten und Interessenpolitik hinbekommen will: Sie werde mit
Erdoğan „über alle wichtigen Fragen“ sprechen, kündigte Merkel an. Es ge…
allerdings „einfach ein klares Interesse Deutschlands und Europas an einer
intensiven Zusammenarbeit mit der Türkei wie auch umgekehrt“.
Das EU-Türkei-Abkommen zur Flüchtlingspolitik bezeichnete sie als
„notwendig“. Bis jetzt habe die Türkei ihre Zusagen verlässlich umgesetzt.
„Ich sehe jedenfalls jeden Grund, dass Europa seinerseits seine Zusagen
einhalten sollte“, sagte Merkel. Gleichwohl versicherte die Kanzlerin:
„Weil wir mit anderen Staaten gemeinsame Interessen haben, bedeutet ein
fairer Interessenausgleich natürlich trotzdem nicht, dass wir in allem mit
ihrer Politik übereinstimmen.“
So würden auch ihr „einige Entwicklungen in der Türkei große Sorgen“
bereiten. Konkret benannte sie den abgebrochenen Prozess der Annäherung und
Aussöhnung mit den Kurden und die am Freitag vom türkischen Parlament
beschlossene Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der
Abgeordneten, darunter 53 der 59 Parlamentarier der linken prokurdischen
HDP. Das sei „mit schwerwiegenden Folgen verbunden, gerade für kurdische
Abgeordnete“, formulierte Merkel vorsichtig.
## Kritik aus allen Richtungen
Die Bundestagsopposition findet deutlichere Worte. „Während Erdoğan die
Türkei in einen Unterdrückungsstaat verwandelt, treibt Angela Merkel die
Beitrittsverhandlungen und die Visa-Liberalisierung voran“, kritisierte die
Linksfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht. Damit stelle die Kanzlerin
„ihren schäbigen EU-Türkei-Deal über die Verteidigung der Demokratie und
der Grundrechte“, sagte sie. Sie solle „jetzt ein Zeichen setzen“ und den
politisch verfolgten HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş sowie den
regierungskritischen Journalisten Can Dündar treffen.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte in der Bild am Sonntag,
Merkel dürfe „vor Erdoğan nicht einknicken, nur damit er ihr und Europa die
Flüchtlinge vom Hals hält“.
Kritik kam auch aus der Koalition. „Besorgt sein“ über die politische Lage
in der Türkeigenüge nicht mehr, sagte CSU-Chef Horst Seehofer in der
ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“. Über die Vorgänge im türkischen Parlam…
sagte er: „Da müsste die ganze Welt aufschreien.“ SPD-Fraktionschef Thomas
Oppermann verlangte in der Bild am Sonntag: „Dazu darf Deutschland nicht
schweigen.“ Die Kanzlerin müsse mit Erdoğan „jetzt Klartext reden“. Wie
Wagenknecht forderte Oppermann ein Treffen mit Oppositionellen.
Bereits für Sonntagabend war ein Gespräch Merkels mit Vertretern der
türkischen Zivilgesellschaft geplant. Ob daran auch Mitglieder der HDP,
andere kurdische Organisationen oder regierungskritische Journalisten
teilnahmen, war bis Redaktionsschluss noch offen.
22 May 2016
## AUTOREN
Pascal Beucker
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