# taz.de -- Flüchtlingsroute Mittelmeer: Ein „besonders tödliches Jahr“ | |
> Bei Bootsunglücken sind in der vergangenen Woche über 1.000 Flüchtlinge | |
> ertrunken. Helfer werfen europäischen Behörden Tatenlosigkeit vor. | |
Bild: Diese Flüchtlinge haben Glück und werden von der italienischen Marine g… | |
BERLIN taz | Die Informationen kamen scheibchenweise: Zuerst gab es gar | |
keine Meldung, nach und nach stiegen die Opferzahlen. Schließlich hat | |
Flavio Di Giacomo, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration, | |
eine neue Schätzung bekannt gegeben: Bei einer Serie von Schiffsunglücken | |
im Mittelmeer sind in den vergangenen acht Tagen offenbar über 1.000 | |
Flüchtlinge ertrunken. | |
Damit liegt die Opferzahl bis Ende Mai bei 2.630 und damit höher als je | |
zuvor. 2016 sei bislang ein „besonders tödliches“ Jahr, sagte ein Sprecher | |
des UN-Flüchtlingswerks UNHCR. Rund 2.300 Menschen starben zwischen Libyen | |
und Sizilien, die meisten der übrigen in der Ägäis. In den ersten fünf | |
Monaten des Vorjahrs waren 1.855 MigrantInnen ertrunken. | |
Vor den neuen Unglücken war die Zahl der in Nordafrika ablegenden Boote | |
zwischenzeitlich gesunken. Gleichzeitig hatten immer weniger Menschen aus | |
den Krisengebieten im Nahen und Mittleren Osten diese Route gewählt. Vor | |
allem westafrikanische MigrantInnen waren in Italien angekommen. In den | |
letzten Tagen jedoch registrierten Hilfsorganisationen hier wieder | |
Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak – offenbar Folge der Schließung der | |
Balkanroute. | |
Anders als bei ähnlichen Unglücken ist die Situation in den letzten Tagen | |
unübersichtlich. Soweit bislang bekannt ertranken am vergangenen Mittwoch | |
knapp 250 Menschen, am Donnerstag rund 500 und am Freitag 250 Menschen. | |
## Es mangelt nicht an Informationen | |
Mittlerweile ist ein halbes Dutzend privater Seerettungsinitiativen in der | |
Region aktiv. Nach den jüngsten Unglücken griffen sie die EU scharf an. | |
„Letztes Jahr ertrank jeder 53. Flüchtling im Mittelmeer. In diesem Jahr | |
ist es jeder 23. Glaubt Europa immer noch, dass Abschreckung wirkt?“, so | |
Ärzte ohne Grenzen. | |
Am Mittwoch berichtete eine italienische Zeitung, dass die staatliche | |
Seenotrettungsstelle in Rom (MRCC) offenbar durch italienische | |
Verbindungsbeamte in Nordafrika kontinuierlich und frühzeitig über | |
Abfahrtszeiten und -orte von Flüchtlingsbooten informiert wird. „Das ist | |
bislang nicht bekannt gewesen“, sagte Hagen Kopp von der Initiative Watch | |
the Med, die per Satellitentelefon Kontakt zu Flüchtlingsbooten in Seenot | |
hält. | |
Die Boote würden von nur drei Stellen in Libyen abfahren. Es wäre ein | |
Leichtes, die drei Routen aus der Luft zu überwachen und den Menschen | |
rechtzeitig zu Hilfe zu kommen, sagte Kopp. Doch die übrigen EU-Staaten | |
würden dafür nur „begrenzte Kapazitäten“ bereitstellen. „Das ist ein | |
kalkuliertes und überwachtes Sterben“, sagte Kopp. | |
Derweil melden griechische Behörden, dass Schleuser zunehmend Migranten aus | |
der Türkei über die Insel Kreta nach Italien zu bringen versuchen. Seit | |
Freitag waren rund 180 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten bei Kreta aus Seenot | |
gerettet worden. Sie gaben an, in der Türkei gestartet zu sein. Schleuser | |
hätten ihnen versprochen, sie nach Italien zu bringen. | |
1 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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