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# taz.de -- Italiens Umgang mit den Flüchtlingen: Gestrandet in der Via Cupa
> Die Zahl der Ankommenden ähnelt der aus den Jahren 2014 und 2015. Doch
> jetzt muss Italien viel mehr Menschen unterbringen.
Bild: Angekommen in Italien – und nun? Eine Syrerin mit ihrem Kind (links) am…
Rom taz | Mitten in Rom, gleich hinter dem Bahnhof Tiburtina, stehen die
Zelte auf der Straße, manchmal liegen dort aber auch bloß Matratzen. Rund
300 Menschen vor allem aus Eritrea und Somalia haben in der schmalen Via
Cupa ihr Notlager aufgeschlagen.
Noch bis zum November hätten sie hier die von Freiwilligen betriebene
Aufnahmeeinrichtung Baobab gefunden, doch deren Türen sind versperrt: Die
Stadt Rom schloss die Einrichtung kurzerhand. Die freiwilligen Helfer sind
immer noch da, tun, was sie können, um den Flüchtlingen beizustehen, und
viele Menschen aus dem Stadtviertel kommen mit Kleiderspenden, mit Essen
vorbei. Doch die Stadt, die eine alternative Unterkunftsstätte versprochen
hat, rührt sich nicht.
Notstand oder traurige Normalität? – diese Frage stellt sich in Italien
immer wieder. „Keinen Notstand“ sieht zum Beispiel Innenminister Angelino
Alfano gegeben, auch wenn in der letzten Woche fast 6.000 Menschen von
Libyen aus übers Mittelmeer kamen. Der Minister verweist auf die Zahlen aus
den Vorjahren, und es stimmt: Bis Ende Mai ist die Zahl der Ankünfte mit
gut 40.000 gegenüber 2014 und 2015 stabil.
Geändert hat sich allerdings das europäische Umfeld. Andere EU-Staaten,
vorneweg Deutschland und Österreich, drängen darauf, dass die Flüchtlinge
und Migranten in Italien lückenlos registriert werden. Mit der Einrichtung
von „Hotspots“ auf Lampedusa und Sizilien ist Italien dieser Forderung
entgegengekommen; Minister Alfano reklamiert für sich, dass mittlerweile
„fast 100 Prozent“ der Eintreffenden registriert werden.
## Am Brenner wächst der Druck
Danach jedoch sind sie – auch wenn ihre Anträge auf Asyl oder humanitären
Schutz abschlägig beschieden werden, auch wenn sie einen
Ausweisungsbeschluss erhalten – frei weiterzureisen. Auch auf diesem Feld
baut Österreich mit den am Brenner begonnenen Bauarbeiten für eine neue
Grenzkontrollstelle Druck auf. Italien reagierte mit der Verstärkung der
Polizeieinheiten südlich des Brenners, die die Flüchtlinge schon vor der
Grenze abfangen sollen.
Damit ist jetzt schon absehbar, dass dieses Jahr die Zahl der im Land
selbst unterzubringenden Menschen deutlich ansteigen wird: Die Weiterreise
der Flüchtlinge nach Norden wird immer schwieriger. Schon jetzt sind alle
knapp 120.000 Plätze in den vom Staat bereitgestellten
Aufnahmeeinrichtungen voll belegt. Die Zentralregierung reagiert, indem sie
das Problem nach unten, an die Regionen und Kommunen, weiterreicht, per
Zuweisung von Flüchtlingskontingenten.
Der Präfekt von Mailand wollte deshalb die Aufnahmeprobleme auf seine Weise
lösen: Er verfügte letzte Woche, dass neue Zeltlager errichtet werden, aber
auch dass all jene unter den etwa 2.000 in der Stadt untergebrachten
Flüchtlingen, die „bloß“ humanitären Schutz, nicht aber Asyl genießen, …
die Straße gesetzt werden, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen. Die
Stadtverwaltung legte sich einstweilen quer: Sie will nicht zur Komplizin
bei der Vergrößerung des Obdachlosenheers werden.
2 Jun 2016
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
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Italien
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