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# taz.de -- Von Boko Haram entführtes Mädchen: Jeder weiß plötzlich, wer Am…
> Erstmals wurde eines der 219 Mädchen gerettet, die Boko Haram vor zwei
> Jahren verschleppte. Doch sein Auftauchen wirft neue Fragen auf.
Bild: Eines von 219 entführten Schulmädchen: Amina Ali Nkeki
ABUJA taz | Meistens schaut die 19-jährige Amina starr auf den Boden,
manchmal in die Ferne. Ab und zu wandert ihr Blick auch auf das Baby auf
ihrem Arm: ihre Tochter, vier Monate alt, Safiya heißt sie. Der Vater ist
ein mutmaßlicher Terrorist, ein Kämpfer der nigerianischen Islamistenmiliz
Boko Haram. Es sind die ersten Fotos von Amina Ali Nkeki. Nach mehr als
zwei Jahren ist sie das erste Mädchen aus der Gruppe der Schülerinnen, die
im April 2014 in Chibok in die Gewalt der Terrorgruppe gerieten, das aus
der Geiselhaft befreit wurde.
Als die Nachricht am späten Mittwoch die Runde macht, ist für einen kurzen
Moment in Nigeria alles andere vergessen: der geplante Generalstreik, die
hohen Benzinpreise, die immer schlechtere Stromversorgung sogar in der
Hauptstadt Abuja. Stattdessen weiß plötzlich jeder, wer Amina Ali Nkeki
ist. Sie ist ungefragt zur Heldin geworden.
Dabei gibt es noch nicht besonders viele neue Informationen. Die traurigste
ist wohl, dass laut Amina 6 der 219 Mädchen gestorben sind. Anders als
vermutet sollen die übrigen zusammen leben. Davon berichtet Tsambido
Hosea-Abana, Sprecher der Chibok-Gemeinschaft in Abuja. Der große Mann, der
auch zur Protestbewegung [1][#BringBackOurGirls] gehört, versucht klar und
deutlich zu sprechen. Doch ihm kommen immer wieder die Tränen.
Trotzdem schöpfen seine Aktivisten wieder Hoffnung. Ihre jahrelangen
täglichen Sit-ins für die Schülerinnen waren nicht vergebens. „Ich gehe
davon aus, dass auch die anderen Mädchen befreit werden können“, sagt
Hosea-Abana – unter einer Bedingung: „Wir brauchen die Hilfe der
internationalen Gemeinschaft.“ Denn der Sambisa-Wald sei noch immer von
Boko Haram besetzt. „Das hat uns die junge Frau erzählt.“
## Wer hat die junge Frau gefunden?
Der Sambisa-Wald, ein riesiges Bergwaldgebiet im Süden des Bundesstaates
Borno nahe der Grenze zu Kamerun, wird regelmäßig von Nigerias Armee als
Ziel von Großangriffen auf Boko Haram genannt, weil die islamistische
Gruppe dort ihre festen Stützpunkte hat. Schon vor Monaten verkündete
Präsident Muhammadu Buhari, der Kampf gegen Boko Haram sei „technisch
gesehen gewonnen“. Doch offenbar haben die Soldaten bisher nur die
Randgebiete des Waldes durchkämmt.
Unklar ist auch, wer die junge Frau wirklich gefunden hat. Armeesprecher
Usman Sani betonte vor Journalisten, seine Truppen hätten Amina befreit. In
anderen Berichten heißt es jedoch, Mitglieder einer zivilen Bürgerwehr
hätten sie gefunden. Bürgerwehren haben sich vielerorts im Nordosten
Nigerias gegründet, um die Soldaten im Kampf gegen Boko Haram zu
unterstützen oder auch, um an ihrer Stelle zu kämpfen. Häufig werden diese
Gruppen misstrauisch beäugt, die Angst vor Lynchjustiz durch die
irregulären Kräfte ist groß.
„Die Armee muss sich nun ganz schnell hinsetzen und sich die tatsächlichen
Fakten anschauen“, fordert deshalb Fatima Abba Kaka. Sie kommt aus dem
Bundesstaat Borno und wurde durch die Entführung der Chibok-Mädchen zur
Menschenrechtsaktivistin. „Als die Lage eskalierte, war es die Bürgerwehr,
die für uns aufgestanden ist und gekämpft hat. Ich möchte, dass die
Regierung nun etwas Sinnvolles für diese Leute tut. Wir müssen sie
integrieren.“
Wie viele andere Nigerianer hat sie aber noch eine ganz andere Hoffnung.
Amina verfügt über viel Insider-Wissen. Das möge die Armee nun im Kampf
gegen Boko Haram nutzen. Schließlich befinden sich weiterhin 218
Chibok-Mädchen in den Händen der Gruppe. Darüber hinaus hunderte, wenn
nicht gar tausende weitere Geiseln.
19 May 2016
## LINKS
[1] http://www.bringbackourgirls.ng/
## AUTOREN
Katrin Gänsler
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