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# taz.de -- Freiburgs Trainer Streich über Fußball: „Gehe noch in die gleic…
> Der Sportclub aus Freiburg ist zurück in der Bundesliga. Trainer
> Christian Streich bleibt dem Betrieb gegenüber lieber skeptisch.
Bild: Christian Streich mit der „Meister-Felge“
taz: Herr Streich, Sie sind mit dem SC Freiburg zurück in der Ersten
Bundesliga. Ist die große Aufmerksamkeit eine Belastung?
Christian Streich: Ich stehe offensichtlich gern im Fokus, sonst hätte ich
den Beruf nicht gewählt. Aber wenn so viele auf einen schauen, hofft man,
dass man am Wochenende gut kickt.
Mit der Entscheidung, Cheftrainer im Profifußball zu werden, hatten Sie
sich schwergetan.
Schon als Spieler hatte ich mitbekommen, wie die gesellschaftliche
Bedeutung des Fußballs immer weiter wächst. Das war mir eigentlich zu viel.
Wenn der Fußball so eine große Bedeutung bekommt, fällt anderes, was viel
wichtiger ist, dahinter zurück. Ich dachte: Was passiert dann mit mir?
Und, was ist passiert?
Ich persönlich merke nicht so einen Unterschied. Ich arbeite nicht
intensiver als in der A-Jugend. Ich habe gewusst, das alltägliche Leben
wird anders, aber: Ich war halt in Freiburg. Ich kannte viele Leute vom
Studium und Fußballspielen und anderswoher. Das hat sich auch nicht
verändert. Ich gehe immer noch in die gleiche Kneipe wie früher.
Kann es einen Profitrainer Christian Streich überhaupt außerhalb von
Freiburg geben?
Generell wird auch anderswo versucht, guten Fußball zu spielen. Und wenn
dann dort auch noch gute Leute im Umfeld arbeiten, warum nicht? Aber zu
vielen Vereinen würde ich nicht gehen, weil es von den Strukturen nicht
passen würde und auch, weil die mich nicht so gut finden würden.
Irgendetwas Besonderes hat der SC Freiburg doch, oder?
Jeder Verein hat seine eigene Geschichte und eine Idee für die Zukunft. Und
es gibt überall auch diese Idealisten, die ihr ganzes Leben für eine Idee
geben.
Viele verbinden mit dem SC eine romantische Idee des Fußballs.
Ja, wir stehen in der Wahrnehmung anderer für etwas. Wenn wir in
Deutschland rumkommen, ist es tatsächlich so, dass uns etwa HSV-Fans sagen:
Euch mögen wir auch. Da ist offensichtlich in den letzten Jahrzehnten
irgendwas gewesen, was die als positiv erachten. Aber wir kämpfen auch wie
jeder andere Profiverein und verdienen viel Geld. Das brauchen wir nicht
verklären.
Sie mögen also die Idealisierung nicht?
Die Idealisierung nicht, aber ich mag, wenn wir von unterschiedlichsten
Leuten gemocht werden.
Nach dem Heimspiel gegen Heidenheim haben Sie sich sehr über ein paar
pfeifende Zuschauer aufgeregt. Warum?
Ich hatte keine Lust, meinen Ärger mit mir rumzutragen. Als ich es dann
gesagt hatte, war es auch weg. Außerdem war mir waren mir die Pfiffe völlig
unerklärlich. Man pfeift nicht Spieler aus, die eine Saison lang alles
gegeben haben. Das ist unanständig.
Ihre Kritik an den Zuschauern hatte ja Gewicht, weil sie der
Aufsteigertrainer sind. In der nächsten Saison werden Sie eher nicht um die
Meisterschaft spielen.
Da bin ich Ihrer Meinung.
Das ist die Fußballkompetenz der taz!
(lacht)
Drückte sich in den Pfiffen nicht auch eine Maßlosigkeit der Erwartungen
von Fans an den Fußball aus?
Schauen Sie mal 30 Jahre zurück, wie wenig da über Fußball berichtet wurde,
und vergleichen Sie das mit heute! Gab es in den letzten zwei Wochen für
die breite Masse ein wichtigeres Ereignis als den Abstiegskampf? Alle reden
immer über Italien und Spanien, aber Deutschland ist ein
Wahnsinnsfußballland.
Sind Sie nicht auch fußballwahnsinnig? Unsere erste Interviewanfrage vor
ein paar Monaten sagten Sie mit der Begründung ab, Sie seien zu sehr im
Tunnel.
Ja, ich wollte meine Energie nicht für etwas anderes geben als für die
Mannschaft. Meine Energie ist begrenzt, und ich habe nicht das Gefühl, dass
sie größer wird.
Ist das kein Widerspruch: Einerseits wird der Fußball zu wichtig genommen,
andererseits bindet er auch Sie derart?
Vor ein paar Jahren habe ich donnerstags bewusst keine Europa League
geschaut. Ich habe auch erst seit fünf Jahren Sky zu Hause. Jetzt kann ich
den Fernseher nicht aus lassen, wenn etwa Liverpool gegen Dortmund spielt.
Ich schaue mir das an und schaue es mir dann noch einmal an, wenn mir was
aufgefallen war. Dabei ist so ein Abend ja eigentlich meine Freizeit. Dann
liest du halt zwei, drei Bücher weniger im Jahr, führst zwei, drei
Gespräche weniger.
Und jetzt erste Liga. Mit welchem Ziel?
Das wissen wir noch nicht so genau. Wir werden schauen, wie wir versuchen
zu kicken. Ob wir variabler spielen, dass der Gegner nicht genau weiß, ob
wir weiter vorne oder hinten pressen.
Die klassische Antwort wäre gewesen: „Wir wollen nicht absteigen.“
Das ist natürlich das übergeordnete Ziel. Aber wir müssen auch das
Besondere der vergangenen Saison bewahren.
Nämlich?
Dass etwa ein Spieler wie Karim Guédé, der lange nicht eingesetzt wurde,
dann plötzlich fünfmal gespielt und fünfmal gewonnen hat – und sich dann
trotzdem wieder klaglos auf die Bank setzte. Auch Nils Petersen oder
Maximilian Philipp haben alles gegeben, wenn sie nur eingewechselt wurden.
Worauf kommt es nächste Saison an?
Claudio Ranieri, der Trainer des englischen Meisters, hat neulich gesagt:
Bei Leicester gehen die Spieler nicht zum Arbeiten, sondern sie leben dort
zusammen und arbeiten da. Meinen Spielern habe ich gesagt: Ich habe das
Gefühl, bei uns ist das auch so.
Ist das wichtiger als die Diskussion über Spielsysteme?
Das ist für mich so wichtig, weil du dir so auch eine Unabhängigkeit
bewahrst von dem ständigen Druck jede Woche gewinnen und gut spielen zu
müssen. Taktisch sind ohnehin die anderen besser. Ich bin keiner, der zwölf
Stunden am Stück taktische Systeme studiert wie der Pep.
Ist Ballbesitz gar nicht so wichtig?
Also, ich habe lieber den Ball. Ich gucke lieber Unseren beim Kicken zu als
den anderen.
Das dürfte in der Zweiten Liga einfacher sein als in der Ersten Liga.
(Lacht.) Das ist wahrscheinlich ein elementarer Unterschied.
Kann Freiburg zu Leicester City werden?
Nicht mal das schließe ich aus – aber der Vergleich kommt von Ihnen. Wenn
Darmstadt oder wir einen guten Tag gegen die Bayern erwischen, und bei
denen nach 60 Spielen in der Saison einige keine Lust haben, dann gewinnen
wir. Nicht einmal unverdient.
17 May 2016
## AUTOREN
Martin Krauss
Johannes Kopp
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