# taz.de -- Syrische Musiker in Freital: Sie sind noch da | |
> Die Band Khebez Dawle fand sich nach der Flucht in Deutschland wieder | |
> zusammen und spielte in Freital. Doch den Syrern droht die Abschiebung. | |
Bild: Die Band Khebez Dawle bei einem früheren Auftritt in Köln | |
Freital taz | Die Rapsfelder leuchten so gelb, es sticht in den Augen. | |
Quasai Baz hält seine Kamera darauf, filmt die sächsischen Felder, wie sie | |
vor dem Zugfenster verschwimmen. Er begleitet die Band Khebez Dawle. Es | |
sind fünf junge Männer, die sich aus Syrien kennen. Der Krieg hat sie | |
auseinandergerissen, in Deutschland fanden sie wieder zusammen. Ihre | |
Fluchtgeschichte stand in der taz. Jetzt sitzen sie im Eurocity 379 auf dem | |
Weg nach Freital in Sachsen. Es ist Montag, 11 Uhr 30 und der Sänger der | |
Band, Anas Maghrebi, findet: Zeit für Musik. | |
I died a week ago, / There’s nothing left / It’s caught on video / | |
The very last breath | |
Anas Maghrebi hat gerade seinen Abschiebebescheid bekommen. Er soll nach | |
Kroatien zurück, weil er dort die Europäische Union betreten hat. | |
Ausgerechnet jetzt soll er gehen, wo sie das Flüchtlingsheim verlassen | |
haben und in eine eigene Wohnung ziehen durften. Sie, die Band aus Syrien. | |
Alle zusammen, weil sie vor den Behörden wie eine Familie behandelt werden. | |
Und jetzt, wo Anas Linda hat, seine deutsche Freundin. Linda, die Schöne, | |
mit den langen braunen Haaren. Mit der er immer das Händespiel spielt. | |
Als die Dame mit der Snackbar vorbeikommt, kauft Anas Kaffee für alle. In | |
Freital sollen sie bei einem Konzert gegen rechts auftreten. | |
[1][Freital ist einer der unangenehmeren Orte] in Deutschland. Aber darüber | |
weiß die Band nicht so viel. Eine rechtsextreme Terrororganisation soll | |
dort über Monate Anschläge begangen haben, hören sie. Warum?, fragt einer. | |
## Stadt und Ermittler schauen weg | |
Im Juni vergangenen Jahres protestierte eine wütende Menge vor einer | |
Erstaufnahmeeinrichtung tagelang gegen Flüchtlinge. Dann wurde das Auto des | |
Linken-Stadtrats Michael Richter in die Luft gejagt und mehrere | |
Sprengstoffanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte verübt. Da die sächsischen | |
Ermittler die rechte Szene unterschätzten, griff im März der | |
Generalbundesanwalt ein. Er glaubt, dass sich in Freital eine | |
rechtsterroristische Vereinigung gebildet hat, neun Leute wurden deswegen | |
verhaftet. | |
Trotzdem hat sich die Stadtverwaltung bisher nicht eindeutig gegen | |
Rechtsextreme positioniert. Im Gegenteil. Im Februar ließ Uwe Rumberg, der | |
Bürgermeister, über seinen juristischen Referenten ausrichten, dass die | |
Stadtverwaltung das Konzert gegen rechts nicht unterstützen wird. | |
Die Veranstaltung würde „das leider überregional bei manchen eingebürgerte | |
Klischee, gerade in Freital gäbe es eine nennenswerte (Neo)Nazi-Szene, | |
bestätigen.“ Als der Druck der Öffentlichkeit zu groß wurde, lenkte Uwe | |
Rumberg ein und genehmigte das Konzert doch. | |
Vier Stunden später auf dem Platz des Friedens in Freital: Khebez Dawle | |
macht Soundcheck. Der Schotterplatz vor der Bühne ist leer, am Rande stehen | |
einige Stände von Willkommensbündnissen. Die Polizei hat die Zufahrtsstraße | |
gesperrt. | |
Uwe Rumberg, der Bürgermeister, betritt den Parkplatz vor dem Festgelände | |
und schüttelt den Polizisten die Hand. Sein Gesicht wirkt gräulich. Im | |
Dezember hat er Morddrohungen bekommen. „Rumberg töten“, stand auf einer | |
Wand in Freital. Vieles deutet darauf hin, dass der Schriftzug aus der | |
rechten Szene kam. Die Journalisten warten schon auf ihn. Rumberg schaut | |
sie erschrocken an. | |
Warum wollten Sie das Konzert zuerst nicht unterstützen, Herr Rumberg? | |
„Meine oberste Aufgabe ist, dass der Stadtfrieden gewahrt bleibt. Deshalb | |
möchte ich alle Veranstaltungen flach halten, die polarisieren.“ | |
Welchen Zweck soll das Konzert jetzt erfüllen, Herr Rumberg? | |
„Dass es friedlich bleibt.“ | |
Was noch? | |
„Dass sich Menschen zusammenfinden und nicht gegeneinander reden, sondern | |
miteinander.“ | |
Seine Referentin versucht, sich zwischen die Kameraleute zu schieben. Ein | |
Journalist der ARD sagt: „Aber das wüsste ich schon noch gerne von Ihnen: | |
Was kann das Konzert für Freital tun?“ | |
Rumberg windet sich. „Dass das Negativimage, welches die Stadt unverdient | |
bekommen hat, ein Stück weit beseitigt wird.“ | |
Der Bürgermeister geht; er hat das Festgelände nicht einmal betreten. | |
## Die Eritreer sind gekommen | |
Der Schotterplatz ist zu drei Vierteln leer, als Khebez Dawle anfangen zu | |
spielen. Wenigstens die Eritreer sind gekommen, auf deren Unterkunft im | |
September Sprengstoffanschläge verübt wurden. Sie wippen zur Musik. Drei | |
blasse Jünglinge schwenken ihre schwarze Fahne und beginnen zu pogen. | |
Bashar Darwish greift sich das Mikrofon und dreht sich zu Anas. „Wie fühlt | |
es sich an, diese Nazisache hier zu machen, obwohl sie dich hinauswerfen?“ | |
„Ich hoffe, dass ich irgendwie bleiben kann“, sagt Anas ruhig. | |
„Es wird uns bald allen so gehen“, sagt Bashar. Alle Bandmitglieder wurden | |
in Kroatien registriert. Sie werden wahrscheinlich demnächst | |
Abschiebebescheide bekommen. | |
„Hey dude, keep on knocking doors“, singt Anas dann. „You may once get an | |
answer.“ Sie spielen die Lieder ihres ersten Albums: Alive, A Delusion, In | |
the streets. Sie haben es den Touristen in Griechenland in die Hand | |
gedrückt, als sie dort im Sommer mit dem Schlauchboot angekommen waren. Als | |
Entschuldigung dafür, dass sie illegal eingereist waren. | |
## Besondere Energie | |
Jetzt sind sie einen Moment lang Rockstars. Auch noch im Bus, als sie über | |
die Landstraße nach Dresden kurven. Linda schmiegt sich an Anas. | |
Rauchend warten sie in Dresden auf den Zug. Sie können die | |
Pegida-Demonstranten hören, die vor dem Bahnhof die Deutschland-Hymne | |
singen. | |
Als die Band um halb zwei nachts in einem türkischen Restaurant in Berlin | |
sitzt und Schawarma isst, sagt Hikmat Qassar, dass er Freital schön fand. | |
Aber dass er dort eine Energie spürte, die er nicht verstanden hat. | |
Vor eineinhalb Wochen gab es in der sächsischen Stadt wieder eine groß | |
angelegte Aktion, bei das Rathaus und das Büro der Linkspartei beschmiert | |
wurden. Außerdem wurden die Fenster in einer geplanten | |
Flüchtlingsunterkunft eingeworfen. Wir sind noch da, lautete die Botschaft. | |
Ob es die Rechten waren, sei ungewiss, meint der Bürgermeister. | |
6 May 2016 | |
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## AUTOREN | |
Steffi Unsleber | |
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