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# taz.de -- Überfall auf Theaterstück in Wien: Neonazis auf der Bühne
> Geflüchtete führen ein Jelinek-Stück an der Uni Wien auf. Rechtsradikale
> stürmten am Donnerstag eine Vorstellung. Es gab Verletzte.
Bild: Das Hauptgebäude der Uni Wien war Schauplatz des Überfalls
Wien taz | Realistischer kann man Flüchtlingselend nicht inszenieren. Eine
etwa 30 Mann starke Gruppe von Rechtsextremen stürmte Donnerstagabend das
Auditorium Maximum der Uni Wien, fiel über Flüchtlinge her, verspritzte
Kunstblut und warf Flugblätter ins fassungslose Publikum.
Auf der Bühne wurde auf Einladung der HochschülerInnenschaft (ÖH) das
Flüchtlingsstück „Die Schutzbefohlenen“ von Nobelpreisträgerin Elfriede
Jelinek aufgeführt. Der Eintritt war frei, das Audimax dank massiver
Werbung über die sozialen Medien mit rund 700 Zuschauern prall gefüllt. Als
Schauspieler traten Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und dem Irak
auf, Menschen, die vergangenes Jahr erst ins Land gekommen waren.
Die rabiaten Störenfriede drangen wenige Minuten nach dem verspäteten
Beginn der Vorstellung ein, entrollten Transparente und die schwarzgelbe
Fahne der „Identitären Bewegung“. Diese Vereinigung, die vom
Verfassungsschutz als „rassistisch/nationalistisch geprägt“ und dem
Neonazismus nahestehend eingestuft wird, richtet sich vor allem gegen
Asylsuchende. „Multikulti tötet“, warnten die Flugblätter.
„Das waren richtige Schlägertypen“, schildert die Regisseurin Tina Leisch,
die das Dreistundendrama stark abgespeckt hat, um es für die Zielgruppe
zuzuschneiden. Die Männer seien mit Megaphonen ausgestattet gewesen und
hätten Flüchtlinge auf der Bühne und in der ersten Reihe tätlich
angegriffen. Das Publikum selbst habe die Neonazis aber schnell wieder
hinausgedrängt. Tina Leisch: „Es war ein kurzer Spuk“.
## Nicht einschüchtern lassen
Während die kriegsvertriebenen Schauspieler noch unter Schock standen,
trafen elf Funkstreifen der Wiener Polizei und der Sondereinheit WEGA ein.
Da die Aggressoren schon weg waren, versuchten sie mittels
Zeugenbefragungen die Ereignisse zu protokollieren. Einige leicht Verletzte
wurden ins Krankenhaus gebracht.
Hinter der Bühne wurde diskutiert, ob man die Vorstellung fortsetzen solle,
was mit dem Argument „Wir lassen uns nicht einschüchtern“ schließlich
positiv entschieden wurde. Das Publikum honorierte das mit standing
ovations.
Die Idee, das Flüchtlingsstück mit Flüchtlingen zur Aufführung zu bringen,
sei vergangenen Sommer vor dem Erstaufnahmelager Traiskirchen geboren
worden, sagt die Filmemacherin und Regisseurin Leisch. Die Asylsuchenden
hätten nach einer Möglichkeit gesucht, sich einzubringen und gegen die
unhaltbaren Zustände im überfüllten Lager zu protestieren.
Seit der Uraufführung der mit dem Nestroypreis ausgezeichneten Inszenierung
im September ist das Stück zwei- bis dreimal im Monat aufgeführt worden,
vor allem in Schulen. Nach einer Stunde Schauspiel wird das Publikum in
einer moderierten Diskussion zum Mitreden eingeladen. Dabei hätten sich
schon zahlreiche „Paten“ gemeldet, die Flüchtlinge bei Amtswegen begleiten,
auf Ausflüge mitnehmen oder in Deutsch unterrichten. Zuletzt hat die
Kulturabteilung der Stadt Wien mit einer symbolischen Subvention von 5.000
Euro ihre Unterstützung signalisiert.
15 Apr 2016
## AUTOREN
Ralf Leonhard
## TAGS
Österreich
Schwerpunkt Flucht
Elfriede Jelinek
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