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# taz.de -- Kolumne Macht: Wanderzirkus Vorwahlen
> Der Hype um die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten hält
> an: Das, was sich dort abspielt, lässt sich nicht satirisch zuspitzen.
Bild: Ist das noch Politik – oder schon Zirkus? Hillary Clinton im Wahlkampf
Für Außenstehende ist der Wanderzirkus in den USA, der „Vorwahlen“ genannt
wird, schwer verständlich – und oft noch schwerer erträglich. Nachrichten,
die diese Bezeichnung verdienen? Informationen über irgendwelche
politischen Vorgänge, die nichts mit dem Wahlkampf zu tun haben? Kommen
allenfalls im staatlichen, nichtkommerziellen Sender PBS noch vor. Die
anderen Fernsehstationen haben sich offenbar darauf verständigt, Berichte
über die Weltlage auf das Jahresende zu verschieben.
Dabei jagt eine Eilmeldung die nächste, manchmal kommen fünf oder sechs
innerhalb von einer Stunde. Der Nachrichtengehalt ist jedes Mal
überwältigend. Erste Eilmeldung: Kandidat X hat etwas Unfreundliches über
Kandidatin Y gesagt. Zweite Eilmeldung: Das Wahlkampfteam von Y fordert
eine Entschuldigung von X. Dritte Eilmeldung: Das Wahlkampfteam von X weist
diese Forderung zurück. Vierte Eilmeldung: Das Wahlkampfteam von X weist
darauf hin, dass die Kandidatin Y am Vortag – oder in der letzten Woche, im
letzten Jahr, im vergangenen Jahrhundert – etwas noch viel, viel
Schlimmeres gesagt habe. Wofür sie sich dringend entschuldigen müsse.
Fünfte Eilmeldung: Das Wahlkampfteam von Y weist diese Forderung zurück.
Das ist keine Übertreibung und auch kein Versuch, witzig zu sein – das ist
die Realität. Das, was sich gegenwärtig in den Vereinigten Staaten
abspielt, lässt sich nicht satirisch zuspitzen. Bei CNN lief über mehrere
Tage hinweg ein Countdown, in dem die Stunden und Minuten bis zur
Fernsehdebatte der beiden demokratischen Präsidentschaftsbewerber Hillary
Clinton und Bernie Sanders gezählt wurden.
Am Tag der Veranstaltung dann stundenlange Talkshows auf allen Kanälen, in
denen erörtert wurde, was die Kandidaten am Abend wohl erörtern würden.
Zehn Minuten vor Beginn der Diskussion eine neue Eilmeldung bei CNN:
„Debatte beginnt in wenigen Augenblicken“. Surreal.
## Beunruhigende Prioritäten
Selbst wer den Fernseher abschaltet oder nur noch Serien guckt, kann dem
Fieber kaum entkommen. Kundgebungen, Versammlungen in riesigen Arenen und
kleinen Museen, Spendensammlungen, Anrufe von freiwilligen Wahlhelfern,
Hausbesuche von freiwilligen Wahlhelfern. Einer traf kürzlich eine junge
Frau, die tatsächlich die Namen der Bewerber nicht kannte.
Ich bewundere diese Frau – und ich möchte wissen, wie sie es angestellt
hat, sich der öffentlichen Diskussion so vollständig zu entziehen. Ich
meine: Selbst wenn sich in Deutschland jemand überhaupt nicht für Fußball
interessiert, ist es unvermeidlich, schon einmal von Beckenbauer gehört zu
haben. Davon kann ich ein Lied singen. Welches Leben führt diese Frau?
Der Hype um die Präsidentschaftswahlen dürfte Wirkungen entfalten, die mit
dem Ereignis selbst wenig oder nichts zu tun haben. Außenpolitik steht in
den USA selbst zu anderen Zeiten kaum je im Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses. Wenn nun über Monate hinweg über nichts anderes berichtet wird
als über ein innenpolitisches Ereignis, dann ist es nicht erstaunlich, dass
Teile der Bevölkerung in den USA tatsächlich glauben, nichts sei wirklich
von Bedeutung, was außerhalb der Grenzen ihres Landes passiere.
Die Prioritäten, die gestandene Journalistinnen und Journalisten in diesen
Monaten setzen, sind geeignet, ein bizarres Weltbild zu verfestigen.
Beruhigend ist das nicht.
16 Apr 2016
## AUTOREN
Bettina Gaus
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