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# taz.de -- Nach dem Flüchtlingsprotest in Kreuzberg: Was vom O-Platz übrig b…
> Vor zwei Jahren wurde das Protestcamp der Flüchtlinge am Oranienplatz
> geräumt. Was hat sich seitdem getan? Die taz hat nachgefragt.
Bild: Damals besetzt: Im Herbst 2013 stehen noch Zelte und Hütten auf dem Oran…
Adam Bahar sitzt in einem Stuhlkreis und spricht mit ruhiger, aber
eindringlicher Stimme. Um ihn herum sind etwa 30 Menschen, die zuhören und
Fragen stellen. Sie kommen aus Syrien, Afghanistan oder dem Iran und sind
nun als Flüchtlinge in Berlin untergebracht in einer Notunterkunft im Osten
der Stadt.
Bahar kennt ihre Situation. Er kam selbst als Flüchtling nach Deutschland,
2012 war das, nach einer langen und gefährlichen Reise aus dem Sudan.
Zunächst lebte er in einem Heim in Bayern, dann schloss er sich dem Marsch
der Flüchtlinge von Würzburg nach Berlin an und wurde dort zu einem der
wichtigsten Aktivisten auf dem besetzten Oranienplatz.
Das Protestcamp dort gibt es nicht mehr, zum zweiten Mal jährt sich am 8.
April seine Räumung. Auch über Flüchtlinge wird in dieser Stadt
mittlerweile ganz anders gesprochen als zu den Hochzeiten des
Flüchtlingsprotestes: eben fast nur noch über sie statt mit ihnen. Dennoch
sind die ProtagonistInnen der Bewegung vom Oranienplatz fast alle noch
aktiv, wenn auch etwas anders als früher: Bahar geht es jetzt darum, seine
Erfahrungen aus den Protesten an die vielen Neuankömmlinge weiterzugeben.
„Wir versuchen, eine Lücke zu schließen zwischen den selbst organisierten
Flüchtlingsprotesten und der Situation der jetzt neu ankommenden Menschen“,
sagt Bahar. Deswegen das Treffen. Er berichtet dort von seinen Erfahrungen
aus den Oranienplatzprotesten. Seine wichtigste Botschaft dabei: Es lohnt
sich, gemeinsam gegen Missstände aktiv zu werden, von der nicht
abschließbaren Zimmertür in den Heimen bis zum deutschen Asylrecht.
## Viele Flüchtlinge sind eingeschüchtert
„Viele Flüchtlinge trauen sich nicht, gegen die oft schlimmen Zustände in
den Unterkünften aktiv zu werden, weil sie Angst haben, dass sich das auf
ihr Asylverfahren auswirken könnte“, sagt Bahar. Dabei würden auch
Fehlinformationen eine Rolle spielen, etwa das Gerücht, dass
Securityangestellte in den Verfahren mit entscheiden würden.
Bahar und eine Handvoll weiterer OranienplatzaktivistInnen haben deswegen
ein neues Zeitungsprojekt mit dem Namen Daily Resistance begonnen. Darin
erzählen sie mehrsprachig von ihren Erfahrungen, informieren über die
Asylrechtsverschärfungen und berichten von aktuellen Flüchtlingsprotesten.
2.000 Kopien der ersten, sechsseitigen Ausgabe werden momentan in Berliner
Unterkünften verteilt, neben Informationsweitergabe erhoffen sich die
AktivistInnen auch eine bessere Vernetzung der Flüchtlinge untereinander.
Darin lag schließlich einer der Haupterfolge der Oranienplatzbewegung.
Doch schon diese Vernetzung ist kein einfaches Ziel: In den Unterkünften
gibt es oft tiefe Risse zwischen den verschiedenen Nationalitäten, sagt
Bahar, die seiner Meinung nach vor allem daraus entstehen, dass die
Menschen unterschiedliche Chancen auf Asyl haben. Auch bei den Menschen vom
Oranienplatz spielt das eine Rolle: Viele sind sich sicher, dass „weiße“
Syrer hierzulande willkommener sind als „schwarze“ Afrikaner.
## „Oranienplatz ist überall“
Für Bahar aber ist etwas anderes wichtig: „Die Ausgangsbedingungen für
Flüchtlinge sind heute teilweise noch schlechter als 2012, als wir mit
unserem Kampf begannen“, sagt er, „was zum Beispiel die Situation in den
Unterkünften angeht.“ Gleichzeitig werde den Flüchtlingen permanent der
Eindruck vermittelt, sie seien viel mehr Menschen, als Deutschland
verkraften könne. „Daraus entsteht das Gefühl, sich nicht beschweren zu
dürfen“, sagt Bahar.
Dagegen wollen er und die anderen AktivistInnen vom Oranienplatz etwas tun
– auch, um nicht hinter die eigenen Erfolge zurückzufallen. „Oranienplatz
ist überall“, proklamierten sie 2014 nach der Räumung des Protestcamps. Ob
das stimmt, wird sich auch daran bemessen, ob der Schulterschluss zwischen
den erfahrenen FlüchtlingsaktivistInnen und den Neuankömmlingen tatsächlich
gelingt.
9 Apr 2016
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Lampedusa
Oranienplatz
Geflüchtete
Anti-Rassismus
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Refugees
Kreuzberg
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