# taz.de -- Kolumne Leuchten der Menschheit: Die Drücker der Storno-Taste | |
> Der Autor Klaus Werner-Lobo schreibt in seinem Buch, es würden immer | |
> weniger Menschen wählen gehen. Doch neulich waren es wieder mehr. | |
Bild: Die AfD feiert | |
Man fragt sich nach einem guten halben Jahr „Wir schaffen das“-Erregung | |
(bzw. der rechtspopulistischen Antwort: „Wir wollen das nicht schaffen“): | |
Was ist aus den Bewegungen geworden, die für Stichworte wie „Wutbürger“, | |
„Blockupy“ oder „Transparency now“ stehen? | |
Ist es nicht so, dass so gut wie alle Fantasien von „Postnation“ oder | |
„postpolitisch“ sich mit der politischen Wirklichkeit als das erledigt | |
haben, was sie auch sind: Hirngespinste akademischster Provenienz? Mit den | |
verfassungspatriotisch gesinnten Bewegungen, die mit einem gigantischen | |
Netz an Solidaritäten Flüchtlingen die Integration in das neue Leben in | |
Mitteleuropa zu erleichtern suchen, ist mehr Staat zu machen. Solidarität | |
als Summe aus Taten, die nicht enden sollen, weil jede gute Politik von der | |
Kraft der Ausdauer leben muss. | |
Klaus Werner-Lobo gehört zu den klügsten Analysten der solidarischen | |
Bewegungen. Das unterfüttert er in seinem neuen Buch „Nach der Empörung. | |
Was tun, wenn wählen nicht mehr reicht“ (Deuticke Verlag, Wien 2016) | |
nachdrücklich. Er lobt, beinah wie in einer Summenrechnung mit | |
nostalgischem Flair, alle möglichen Bewegungen, die die Linke in den | |
vergangenen Jahren so geliebt und verehrt hat. Ein „Engagiert euch!“ steht | |
auf dem Buchrücken verzeichnet. Ein Kompendium, geschrieben aus der | |
Perspektive eines „Wir“. Wir, die Guten, die eine bessere Welt wollen – am | |
besten mit beseitigtem Kapitalismus. | |
Ausgeblendet bleibt, was Linken momentan so schwer zu schaffen macht: | |
festzustellen, dass es nach den Achtundsechzigern nur zwei echte die | |
Republik (und Europa) aufwühlende Bewegungen gab – und gibt. Die eine, die | |
grüne, begann Mitte der 1970er zu wachsen, nun ist sie beim Establishment. | |
Die andere ist gerade aus dem Säuglingsalter heraus. Es ist die | |
rechtspopulistische, für die hierzulande die AfD steht. Mit Werner-Lobo | |
ließe sich sagen: Deren fellows finden schon lange, dass der Wahlgang, für | |
welches Parlament auch immer, pure Verarsche ist. | |
Werner-Lobo sagt, es würden immer weniger Menschen wählen. Falsch: Neulich | |
waren es wieder mehr. Sie bevorzugen aber eine Partei, die, was die | |
Liberalisierungsschübe in der Bundesrepublik angeht, am liebsten auf die | |
Storno-Taste drücken würde. Könnte es sein, dass die Verschwörungsformeln | |
der Linken (“Neoliberalismus“o. Ä.), ihr Misstrauen in die parlamentarische | |
Demokratie gerade auch die rechten Populisten akzeptabel gemacht haben? | |
12 Apr 2016 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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