| # taz.de -- Die Wahrheit: Ende einer Spaßpartei | |
| > Nach den bestürzenden Wahlerfolgen wird das außer Kontrolle geratene | |
| > Projekt „AfD“ von den Verantwortlichen abgebrochen. | |
| Bild: Von ganz rechts reihum: Petry, Höcke, Gauland, von Storch | |
| Als Erste tritt Beatrix von Storch, die Berliner Landesvorsitzende der AfD, | |
| vor die eigens einberufene Presse, die allein darüber bereits stutzig | |
| werden müsste. „Am 8. April 2016 beenden wir unsere groß angelegte | |
| satirische Performance unter dem Arbeitstitel AfD“, informiert sie die | |
| verblüfften Medienvertreter und outet sich zugleich als Aktivistin des | |
| antirechten Projekts „Storch Heinar“. | |
| Trotz des großen Erfolgs der Aktion wirkt von Storch erschüttert: „Mit so | |
| einem durchschlagenden ‚Erfolg‘ hätten wir in unseren kühnsten Albträumen | |
| nicht gerechnet.“ | |
| „Die Idee unseres Ensembles aus Hobby-Comedians, -Satirikern und | |
| -Schauspielern war es, Politikern und Bürgern den Spiegel vorzuhalten, wie | |
| leicht auch sie jederzeit wieder rechtem Gedankengut in Verbindung mit eher | |
| indifferentem Schwachsinn auf den Leim gehen könnten“, führt anschließend | |
| die AfD-Vorsitzende Frauke Petry näher aus. „Wir wollten sehen, wie weit | |
| man die Sache treiben kann und was einem die Leute im Extremfall alles | |
| abnehmen. Doch mit dem Entwurf zu unserem Grundsatzprogramm scheint uns nun | |
| eine Grenze überschritten, die eine Fortführung der Spaßaktion verbietet. | |
| Denn so mutwillig wir auch überziehen: Noch immer glaubt die Öffentlichkeit | |
| alles.“ | |
| Die sonst so schlagfertige Ulknudel, die uns in der Garderobe des kleinen | |
| Dresdener Varietés Lachhochschule kurz vor Beginn der Show „Paradiesvögel“ | |
| bereitwillig Rede und Antwort steht, zeigt sich ratlos. „Wie klar sollen | |
| wir das denn noch machen? Ich meine, hallo?“ Petry greift sich an den Kopf, | |
| während sie mit verstelltem Quietschen zitiert: „,Kohlendioxid ist kein | |
| Schadstoff, sondern ein unverzichtbarer Bestandteil allen Lebens.‘ Wir | |
| hinterfragen hier den Sinn erneuerbarer Energien! Wir propagieren offensiv | |
| Fracking und Atomkraft. Das ist doch ein Programm irgendwo zwischen Donald | |
| Trump und Charles Manson. Trotzdem nimmt die Öffentlichkeit jeden noch so | |
| hanebüchenen Schwachsinn für bare Münze. So wird selbst der billige Einfall | |
| mit der sogenannten ‚Lügenpresse‘ plötzlich zur bitteren Realsatire.“ | |
| ## Chefkomikerin Petry empört | |
| Sie setzt sich eine rote Nase auf und grinst in den Spiegel. Dabei ist der | |
| Spaßmacherin Petry nach Grinsen offensichtlich nicht zumute: „Und am | |
| Unheimlichsten ist natürlich das interaktive Element, das wir ja eigentlich | |
| auch angestrebt hatten. Die Sensation entsteht schließlich erst dadurch, | |
| dass und wie die Umwelt auf dich, beziehungsweise ein völlig irres Angebot, | |
| das du einfach so in den Raum stellst, reagiert. Und dann passieren eben | |
| diese Dinge: Die Leute wählen dich, die Altparteien kriegen Angst um ihre | |
| Pfründen, wollen der verfassungsrechtlich geschützten Asylgesetzgebung an | |
| den Kragen und die CSU versucht den Fake sogar noch zu übertrumpfen. Es ist | |
| wie eine Lawine.“ | |
| Die Komikerin muss nun stillhalten, damit ihr die Maskenbildnerin eine | |
| lustige Glatze kleben kann. Es fällt ihr sichtlich schwer. Zu groß ist die | |
| Empörung. „Natürlich wollten wir Reaktionen provozieren. Das gehörte mit | |
| zum Konzept. Wie sagt unser kunsttheoretischer Spiritus Rector, Björn | |
| Höcke, immer so schön dazu: ,Kunst ist niemals Selbstzweck, sondern | |
| radikale Aufklärung, die sich in buntem Gewande in die Köpfe der | |
| Rezipienten schleicht.‘ Aber dass diese Rezipienten so dumm sind …„ | |
| ## Viel Schaden angerichtet | |
| Frauke Petry redet sich in Rage. „Nehmen wir meine Worte, ‚die Menschen | |
| wieder zu fordern, dass sie in Arbeit gehen‘. Neoliberal kann man das schon | |
| nicht mehr nennen, das ist ein einziges Dreinschlagen auf die | |
| wirtschaftlich Schwachen. Viele von denen haben uns auch noch ihre Stimmen | |
| gegeben. Im Grunde handelt es sich um ein desillusionierendes Experiment, | |
| was sich allein mit dem Thema Fremdenangst erreichen lässt, wenn Leute | |
| obendrein zu faul sind, ein Programm zu lesen. Von einer Partei, die sie | |
| selbst gewählt haben, und die sie als arbeitsscheue Elemente behandelt. | |
| Natürlich hatten wir im Vorfeld verschiedene mögliche Reaktionen | |
| durchgespielt. Aber dass unsere Zivilisation über siebzig Jahre nach dem | |
| Krieg noch derart brüchig ist, dass eine einfache Kunstaktion innerhalb | |
| kurzer Zeit sämtliche Errungenschaften unserer Demokratie infrage stellt, | |
| hat uns doch alle maßlos erschreckt.“ | |
| Der Conferencier der Lachhochschule steckt seinen Kopf zur Tür herein: | |
| „Frauke, es wird Zeit.“ Die Zuschauer warten schon auf Petrys Nummer | |
| „Multikulti Overdrive“, die sie mit einer Gruppe geflüchteter | |
| Schauspielerinnen aus Eritrea zusammen auf die Bühne bringt. | |
| „Gleich fertig“, ruft sie ihm zu und bringt uns gegenüber noch rasch den | |
| Gedanken zu Ende: „Das ist auch der Grund, warum wir jetzt früher als | |
| geplant an die Öffentlichkeit getreten sind. Es ist bereits viel zu viel | |
| Schaden angerichtet worden. Das wollten wir so nicht.“ | |
| 8 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Uli Hannemann | |
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