# taz.de -- Atomexperte über Terroranschläge: „AKW-Sabotage ist nicht schwe… | |
> Mycle Schneider hält einen atomaren Terroranschlag für absolut denkbar. | |
> Er warnt vor Sicherheitsmängeln, vor allem bei der Lagerung von | |
> Brennelementen. | |
Bild: Das Atomkraftwerk Doel wurde schon einmal sabotiert, die Gegend ist verla… | |
taz: Herr Schneider, Terroristen sprengen ein Atomkraftwerk in die Luft. | |
Wie realistisch ist ein solches Szenario? | |
Mycle Schneider: Man muss befürchten, dass es Terrorattacken auf | |
Atomanlagen geben wird, die zur Freisetzung großer Mengen Radioaktivität | |
führen könnte. | |
Woran machen Sie das fest? | |
Zunächst am Potenzial. Es gibt viele Möglichkeiten und Ziele. | |
Gab es so etwas schon? | |
Es gab Vorfälle unterschiedlichster Natur. Bei den Attentaten des 11. | |
September 2001 ist eines der Flugzeuge in Pennsylvania abgestürzt. | |
Vermutlich war es auf ein Atomkraftwerk angesetzt. Im vergangenen Jahr sind | |
Drohnen über praktisch allen Atomanlagen in Frankreich gesichtet worden, | |
teilweise koordiniert und nachts. Im belgischen Atomkraftwerk Doel gab es | |
Saboteure, die Öl an einer Turbine abgelassen haben. Die Täter wurden nicht | |
identifiziert. | |
Wie schwer wäre es, ein Atomkraftwerk so zu sabotieren, dass es zu einem | |
GAU kommt? | |
Ich sage es nicht gern, aber technisch ist das nicht sehr schwer. | |
Warum? In der Regel verfügen Atomkraftwerke über mehrere Notkühlsysteme und | |
Notstromsysteme. | |
Bereits ohne Terroristen gab es Atomanlagen, die zeitweise komplett ohne | |
Strom dastanden. Ohne Strom gibt es keine Kühlung. Zumindest die Versorgung | |
von außen zu kappen ist nicht schwer. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer | |
Szenarien. | |
Wie schwer wäre eine Sabotage von außen? Ein Reaktor ist durch eine | |
Betonhülle geschützt. | |
Der Reaktor ist nicht von einer Art Käseglocke aus Beton geschützt. Es ist | |
eher ein Schweizer Käse mit zahlreichen Öffnungen, etwa für den Dampf zur | |
Stromerzeugung oder das Kühlwasser. Hinzu kommt, dass die Abklingbecken für | |
abgebrannte Brennstoffe in der Regel leicht angreifbar sind. | |
Wo befinden die sich? | |
In Deutschland sind sie heute alle innerhalb der Reaktorschutzhülle. In | |
Frankreich nicht. In Fukushima war das schlimmste Szenario, dass in den | |
Abklingbecken das Kühlwasser ausgeht. Dann wäre es zu einem Brand gekommen, | |
weil sich die Brennelemente selbst entzünden. Expremier Naoto Kan sah das | |
Szenario, 50 Millionen Menschen evakuieren zu müssen. In der | |
Wiederaufbereitungsanlage in La Hague lagert unverbunkert das Äquivalent | |
von über hundert Reaktorkernen. | |
Wie schwer wäre es, aus Atomkraftwerken Material zu entwenden und eine | |
sogenannte schmutzige Bombe zu bauen, die radioaktives Material mit einem | |
konventionellen Sprengsatz weit verbreiten kann? | |
Nach bisherigen Erfahrungen stammt das meiste Material auf dem Schwarzmarkt | |
aus Atomforschungseinrichtungen. In Frankreich gibt es 58 Atomkraftwerke, | |
aber über 200 weitere atomare Anlagen. Dort gibt es etwa Kobalt-60, | |
Cäsium-137 oder Iridium. In Ländern wie Deutschland oder Frankreich werden | |
jedes Jahr eine halbe Million oder mehr Päckchen mit radioaktiven | |
Substanzen leicht zugänglich mit der Post verschickt. | |
Wie groß wäre der Schaden einer solchen Bombe? | |
Etwa drei Viertel der radiologischen Auswirkung von Tschernobyl wurde durch | |
freigesetztes Cäsium verursacht. Das waren zusammen genommen nur circa 25 | |
Kilo. Das ginge in einen Rucksack rein. | |
Der Iran hat jahrelang vergeblich versucht, eine Atombombe zu bauen. | |
Immerhin das scheint nicht einfach so möglich zu sein. | |
Die Hürde in diesem Bereich ist allein die Verfügbarkeit von Spaltmaterial. | |
Da hat man bisher Glück gehabt. Die Herstellung eines atomaren Sprengsatzes | |
ist nicht das Problem. In den USA gab es das Nth Country Experiment: Zwei | |
Studenten sollten ein Atombombenkonzept nur anhand öffentlich zugänglicher | |
Literatur entwickeln. Sie haben eineinhalb Jahre gebraucht. | |
27 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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