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# taz.de -- Sicherheitsrisiko Atomanlagen: Angst vor der radioaktiven IS-Bombe
> Belgische Nuklearanlagen könnten im Visier radikaler Islamisten sein.
> Ziel: Anschlag, Sabotage, Beschaffung von Material für einen Sprengsatz.
Bild: Macht Sicherheitsbehörden und Atomkritikern Sorgen: das belgische AKW T…
Berlin taz | Es gibt mindestens zwei Begründungen, warum die beiden
belgischen Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 von 140 Soldaten beschützt
und einen Tag lang nur mit Sonntagsbesetzung gefahren wurden. Eine ist
beunruhigend, die andere beängstigend: Am Tag der Anschläge in Brüssel
wurde die Mehrzahl der fast 2.000 AKW-Mitarbeiter nach Hause geschickt,
weil das Teil des im Land ausgerufenen Terroralarms der höchsten Stufe 4
ist. So die offizielle Version. Darüber informierte die belgische
Atomaufsicht FANC am Dienstag das deutsche Umweltministerium.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der andere lautet: Die belgischen
Behörden fürchten, dass die Atomanlagen des Landes im Visier radikaler
Islamisten sein könnten. Ziel: Entweder Sabotage, ein Attentat auf die
Meiler – oder sogar Beschaffung von Material aus den Anlagen zum Bau einer
radioaktiven Bombe des IS.
Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte. Bereits vor zwei Jahren machten
niederländische Medien publik, dass ein belgischer Dschihadist drei Jahre
lang in Doel, Belgiens ältestem Atomkraftwerk, gearbeitet hatte. Als
Sicherheitstechniker des Subunternehmens AIB-Vincotte Belgium hatte Ilyass
Boughalab jahrelang Zugang zum Hochsicherheitsbereich der Anlage nahe
Antwerpen.
2009 hatte der gebürtige Marokkaner noch alle Sicherheitsprüfungen für das
AKW bestanden. Da gehörte Boughalab bereits zur aktiven Crew von „Sharia 4
Belgium“. Als der islamistischen Organisation später in Antwerpen der
Prozess gemacht wurde, stand Boughalab sogar auf der Liste der Angeklagten.
Doch da war er schon für den IS in den Krieg in Syrien gezogen, wo er
Anfang 2014 umkam – im Alter von 26 Jahren. In Belgien hatte er in seiner
Freizeit für das salafistische Netzwerk geworben und Kämpfer für den
heiligen Krieg rekrutiert.
Nicht das einzige Indiz, das auf höchste Gefahr für die belgischen
Atomanlagen hindeutet. Im Zuge der Ermittlungen rund um die Anschläge von
Paris wurde bei der Ehefrau eines Verdächtigen namens Mohamed Bakkali ein
seltsames Video gefunden, berichtet die belgische Tageszeitung Dernière
Heure. Zu sehen sind zehn Stunden Filmmaterial des Eingangsbereich eines
Hauses in Flandern.
Hier wohnte der Leiter des belgischen Forschungs- und Entwicklungsprogramms
für Kernenergie. Am Donnerstag schreibt Dernière Heure, die beiden
Brüsseler Selbstmordattentäter Ibrahim und Khalid El Bakraoui seien als
diejenigen Männer identifiziert worden, die die Überwachungskamera am
Wohnhaus des Wissenschaftlers abmontiert haben.
Damit gibt es einen weiteren klaren Link zwischen den Anschlägen in Brüssel
und Paris. Bakkali gilt laut französischen Medien als einer der wichtigsten
Vorbereiter der Attentate in der französischen Hauptstadt. Er hatte unter
seinem Namen eine Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeck angemietet, in
der die Polizei Sprengstoffgürtel sowie Munition fand – und wurde am 26.
November festgenommen, etwa zwei Wochen nach den Anschlägen.
Sicherheitsexperten vermuten, man habe den Isotopenspezialisten beobachtet,
um ihn oder seine Familienmitglieder möglicherweise eines Tages entführen
zu können und so das im Forschungszentrum vorhandene radioaktive Material
zu erpressen – so sagt es Nele Scheerlinck, Sprecherin der belgischen
Atomaufsicht FANC dem US-Sender NBC.
## Schmutzige Bomben
Mit welchem Ziel? Vor allem in den USA sorgen sich Terrorismusexperten seit
Langem, dass der „Islamische Staat“ versuchen könnte, eine eigene
„schmutzige“ Atombombe zu bauen – also einen konventionellen Sprengsatz,
der nukleares Material verbreitet. Die für die Konstruktion notwendigen
Kenntnisse sind frei zugänglich.
Wie nah die Islamisten an der Verwirklichung dieses Plans sind, ist unklar.
„Einer der Attentäter des 11. September war auch bei einer Besuchergruppe
im AKW Stade dabei“, erinnert sich Rebecca Harms, Fraktionschefin der
Grünen im Europäischen Parlament. „Das war auch damals eine Begründung der
Sicherheitsbehörden, sich mit AKWs zu beschäftigen“.
In Deutschland wurden die Anlagen beispielsweise mit Einnebelungsanlagen
ausgestattet, um sie vor abstürzenden Flugzeugen zu schützen. Für Harms ist
klar: Tihange und Doel bergen auch ohne die Islamisten große Gefahren. Die
Meiler waren Ende Dezember nach zwei Jahren Unterbrechung wieder ans Netz
gegangen. Sie gelten allerdings wegen bis zu 18 Zentimeter langen Rissen im
Reaktorbehälter als höchst störanfällig.
24 Mar 2016
## AUTOREN
Kai Schöneberg
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