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# taz.de -- Wegen „Bröckel-Reaktoren“: Region Aachen verklagt Belgien
> Erzürnte Nachbarn: In Deutschland und den Niederlanden regt sich
> parteiübergreifender Unmut gegen die Uralt-AKWs Tihange und Doel.
Bild: Hiervor haben die Nachbarn Angst: das belgische AKW Tihange
Aachen taz |Die Städteregion Aachen wird in Brüssel juristisch gegen die
belgischen Pannenreaktoren Tihange (bei Lüttich) und Doel (bei Antwerpen)
klagen. Kommunen könnten sehr wohl gegen Nachbarländer juristisch vorgehen,
sagte Stadteregionsrat Helmut Etschenberg (CDU) bei einem Informationsabend
am Donnerstagabend in Aachen. 600 besorgte BürgerInnen waren in die
überfüllte Aula Carolina gekommen.
Womöglich werde die Städteregion, unterstützt von anderen Kommunen
verschiedener parteipolischer Färbungen in NRW, gemeinsam mit Greenpeace
Belgien gegen die Brüsseler Genehmigungsbehörden wegen der widerrechtlichen
Erlaubnis zum Wiederanfahren und den AKW-Betreiber selbst vorzugehen.
Tihange sei „in Problem, das keine Grenzen kennt“, sagte Aachens
CDU-Oberbürgermeister Marcel Philipp.
Das in den 70er Jahren erbaute AKW Tihange war abgeschaltet worden, nachdem
2014 tausende Haarrisse in der Betonhülle des Reaktorblocks 2 entdeckt
wurden. Ungefährlich, beherrschbar, teilte Betreiber Electrabel später mit,
die belgische Atomaufsicht nickte das ab.
Im Dezember war der „Bröckel-Reaktor“ (NRW-Umweltminister Johannes Remmel)
wieder hochgefahren worden – und seitdem wegen Pannen mehrfach wieder
abgeschaltet: Mal gab es eine kleine Explosion mit Feuer, mal sickerte
radioaktives Wasser aus, die Risse sind zudem deutlich größer als anfangs
zugegeben.
## „Eine kleine Sensation“
Tihange liegt 57 Kilometer Luftlinie von Aachens Stadtgrenze entfernt.
Atomstrahlen nehmen statt der Autobahn den direkten Weg. Das Schrott-AKW
liegt zudem exakt in der Hauptwindrichtung West-Südwest. Bei einer
Katastrophe blieben, je nach Windstärke, keine zwei Stunden zwischen Gau,
Informationswirrwarr und einer tödlichen Wolke. Und dann wären alle (grell
mit Atomstrom ausgeleuchteten) Autobahnen längst von zigtausenden
belgischen Autos blockiert. Grotesk, dass Aachens Behörden noch die Ausgabe
von Jodtabletten organisieren wollen und im Vorjahr übten. Was man
ernsthaft tun könne, wurde am Donnerstag Aachens Feuerwehrchef gefragt: Er
konnte nur die Schultern zucken – beim Gau seien „unsere Kapazitäten
erschöpft“.
Am Montag will sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mit dem
belgischen Innenminister zum Krisengespräch treffen - dabei geht es auch um
den Uralt-Meiler Doel. Am 12. Januar hatte sie bereits eine Liste mit 15
Fragen übergeben. Antworten: bislang Fehlanzeige, so das Ministerium.
Das neue Bündnis ist länderübergreifend. Auch die Bürgermeisterin aus dem
niederländischen Maastricht (40 km von Tihange entfernt) war am Donnerstag
gekommen und beklagte „unzureichende Kommunikation“ der belgischen
Behörden. Maastricht, Kerkrade und Heerlen wollen sich der Klage
anschließen. Aus ostbelgischen Kommunen gibt es ebenfalls Unmut gegen die
Problem-AKWs. Im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft in Eupen
votierten jetzt alle sonst so eifersüchtig konkurrierenden Parteien gegen
den Reaktor – politisch „eine kleine Sensation“, sagte Etschenberg.
Eine Klage ist ein Zeichen – wie auch das weitreichende Bündnis. Aber
Verfahren würden Jahre dauern. Eine Einstweilige Verfügung zum
Herunterfahren erscheine ihm „schwierig“, sagte OB Philipp. Entscheiden
müsse die belgische Politik. „Der einzige wirksame Katastrophenschutz“, so
das Aachener Aktionsbündnis gegen Atomenergie, „ist ein sofortiges
Abschalten.“
29 Jan 2016
## AUTOREN
Bernd Müllender
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