# taz.de -- Neuer Atomskandal in Frankreich: Pfusch bei AKW-Bauteilen? | |
> Eine Areva-Tochter hat 80 Atomkraftwerke mit Reaktordruckbehältern | |
> ausgestattet. Nun zweifelt die Atomaufsicht an deren Sicherheit. | |
Bild: Areva-CEO Philippe Knoche (l.) und der französische Wirtschaftsminister … | |
FREIBURG taz | Das könnte sich zu einem handfesten Skandal der | |
französischen Atomwirtschaft entwickeln: Der weltgrößte Nuklearkonzern | |
Areva muss Unregelmäßigkeiten bei der Fertigungskontrolle von Herzstücken | |
der Reaktoren zugeben. Bei etwa 400 Bauteilen, die seit 1965 im | |
Schmiedewerk Creusot Forge hergestellt wurden, sei die Qualität unsauber | |
dokumentiert, sagt die französische Atomaufsicht ASN. Creusot Forge ist | |
eine Tochterfirma von Areva. | |
Laut der Atomaufsicht gibt es in den Protokollen „Unstimmigkeiten, | |
Veränderungen oder Auslassungen“ bei Herstellungsparametern und | |
Testergebnissen. Aufgeflogen war das erst, nachdem die ASN am | |
Reaktordruckbehälter des im Bau befindlichen Kraftwerks im französischen | |
Flamanville „sehr ernste Anomalien“ entdeckt hatte und diesen nachging. | |
Nach den neuesten Enthüllungen hat die ASN den Atomkonzern verpflichtet, | |
binnen 15 Tagen darzulegen, welche sicherheitstechnische Relevanz diese | |
Schlampereien haben. Die Aktie des Unternehmens kam daraufhin unter Druck; | |
sie verlor alleine am Dienstag mehr als sieben Prozent, womit der Konzern | |
in den letzten fünf Jahren 86 Prozent seines Börsenwertes eingebüßt hat. | |
Die in der Kritik stehende Schmiede in der Region Bourgogne-Franche-Comté | |
hat die Reaktordruckbehälter für rund 80 Atomkraftwerke weltweit gefertigt. | |
Deutschland sei aber nicht betroffen, heißt es beim Deutschen Atomforum: | |
Die Ringe der hiesigen Druckbehälter der noch laufenden Reaktoren seien | |
allesamt bei Japan Steel Works hergestellt worden. | |
## Parallelen zu Fälschungsskandalen | |
Für Mycle Schneider, Energie- und Atompolitikberater in Paris, steht mit | |
den jüngsten Entdeckungen „die interne Zuverlässigkeit bei Areva in Frage�… | |
Und nicht nur das: Auch die Aufsichtsbehörde ASN sei „offensichtlich | |
unfähig, diese gravierenden Unzulänglichkeiten zeitnah aufzudecken“. Damit | |
kämen „erhebliche Zweifel an dem gesamten, viel gepriesenen | |
Sicherheitskontrollsystem in Frankreich auf“. | |
Schneider sieht bereits Parallelen zu anderen großen Fälschungsskandalen | |
der weltweiten Atombranche. So mussten 2003 in Japan vorübergehend alle 17 | |
Reaktoren der Firma Tepco vom Netz. Auch in Südkorea wurde vor einigen | |
Jahren bekannt, dass tausende von Bauteilen über einen Zeitraum von zehn | |
Jahren gefälscht worden waren. Mehrere Atomkraftwerke mussten daraufhin | |
zeitweilig abgeschaltet werden. „Stehen wir jetzt vor einer französischen | |
Version dieser Skandale?“ fragt Schneider. | |
Einer der Reaktoren mit einem Reaktordruckbehälter aus der Areva-Schmiede | |
ist das Kraftwerk Beznau in der Schweiz. Der weltweit älteste Reaktorblock | |
Beznau 1 ist seit März 2015 abgeschaltet, nachdem Hunderte von | |
Materialfehlern im Druckbehälter festgestellt worden waren. Jetzt teilte | |
der Betreiberkonzern Axpo mit, dass die „festgestellten Anzeigen | |
herstellungsbedingt“ seien. Die Prüfung, ob der Reaktor jemals wieder ans | |
Netz gehen darf, wird sich daher noch viele Monate hinziehen; zumindest bis | |
zum Jahresende steht der Meiler also mit Sicherheit still. | |
4 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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