| # taz.de -- Juse Ju und Fatoni über Islamophobie: „Du bist Deutschland, du h… | |
| > Der Track „German Angst“ hat gerade einen neuen Push bekommen. Die Rapper | |
| > Juse Ju und Fatoni über die Gründe dafür, die Flüchtlingsfrage und Musik. | |
| Bild: Fatoni sitzt vor einem Hauseingang: Sieht so German Angst aus? | |
| taz: [1][Das Video zum Track „German Angst“] von Juse Ju geht gerade auf | |
| Facebook herum. Was genau ist diese German Angst, die Sie beschreiben? | |
| Juse Ju: In Deutschland hat man immer mit Bedenkenträgern zu tun. Das sind | |
| nicht nur Radikale wie Frauke Petry. Mir gehen auch die alltäglichen | |
| Bedenkenträger auf den Keks. Gleichzeitig bin ich selber so. | |
| Fatoni: Oh Mann. | |
| Juse Ju: Die Deutschen sind sehr besorgt und auf Sicherheit bedacht. | |
| Deswegen geht es uns wirtschaftlich gut. Bedenken hört man trotzdem | |
| überall. Auch in der Musikszene: Dort beantworten viele Leute eine Idee | |
| sofort mit Bedenken: „Nein, das versteht die Zielgruppe nicht, mach das | |
| nicht“. Ich glaube in anderen Ländern riskiert man mehr. | |
| taz: In der ersten Strophe heißt es: „Hallo, Du bist Deutschland, Du hast | |
| Angst vor dem Islam.“ Wie erklären Sie sich diese Angst? | |
| Juse Ju: Angst vor dem Islam ist in Deutschland überhaupt nichts Neues. | |
| Derzeit bricht sich das Thema zwar Bahn über Pegida und die AfD, aber sie | |
| war schon vorher da. Das liegt daran, wie der Islam in Deutschland | |
| wahrgenommen wird. Es gibt Studien, die zeigen, dass alle Medien seit 9/11 | |
| eher in negativen Kontexten über den Islam berichten. Es ist aberwitzig: | |
| Genau die Leute, die jetzt der Presse Lügen vorwerfen, sind selbst in ihrer | |
| Angst durch die Berichterstattung über den Islam geprägt. Dennoch mache ich | |
| den Medien hierbei keinen Vorwurf. | |
| Fatoni: Es ist generell Quatsch, der Medienlandschaft an sich etwas | |
| vorzuwerfen. Man kann die Leute schon dann nicht mehr ernst nehmen, wenn | |
| sie von „den Medien“ sprechen. „Die Medien“, die irgendwas machen und | |
| wollen. | |
| Juse Ju: Genau. Da werdet ihr von der taz dann ja in einen Topf mit der | |
| Bild und Compact geschmissen. Bei der Berichterstattung über den Islam gab | |
| es keine negative Absicht – das hat sich einfach so ergeben. Aber es hat | |
| dazu geführt, dass heute weite Teile der deutschen Bevölkerung islamophob | |
| sind. | |
| taz: Wie und wo nehmen Sie diese Angst wahr? | |
| Juse Ju: Die Angst geht durch alles durch. Mein Onkel sagt zum Beispiel, | |
| dass das Hauptproblem der Flüchtlingskrise die muslimischen Flüchtlinge | |
| sind. | |
| Fatoni: Die Leute wollen simple Antworten auf schwierige Fragen finden. | |
| Wenn man sich in Großstädten bewegt, kommt man aber seltener mit Leuten in | |
| Kontakt, die Angst vor dem Islam haben. | |
| taz: In dem Song [2][“32 Grad“] beschreibt Fatoni das Wegschauen vor der | |
| Flüchtlingsproblematik. Was ist nun besser: Wegschauen oder Angst haben? | |
| Fatoni: Geile Frage. Das ist ja wie Pest oder Cholera. Das ist natürlich | |
| beides keine Lösung. Den Song habe ich schon vor ein, zwei Jahren | |
| geschrieben. Damals hat die Mehrheit der deutschen Bevölkerung dieses Thema | |
| ausgeblendet. Das habe ich problematisiert. Und es hat sich geändert: Seit | |
| letztem Jahr berichten alle Medien über Flüchtlinge. Niemand kann sich dem | |
| Thema verschließen. Verrückt ist es trotzdem, was für Ansichten die Leute | |
| zum Teil haben. Als ich vor kurzem im Thailand-Urlaub war, habe ich | |
| Deutsche gehört, die sich stammtischartig unterhielten und solche Sätze wie | |
| „Merkel muss weg“ fallen ließen. Ich dachte mir aus Bequemlichkeit: Nein, | |
| ich bin im Urlaub und versuche jetzt nicht mit denen zu diskutieren. | |
| taz: Was machen Sie denn konkret gegen Fremdenhass und was gibt Ihnen das | |
| Recht, andere zu kritisieren? | |
| Fatoni: Ich mache eigentlich nichts. Ich bin nicht besser. Es ist aber eine | |
| Aufgabe von Künstlern, die Gesellschaft auf solche Probleme hinzuweisen. | |
| Vor dem Song „32 Grad“ habe ich mir Gedanken gemacht, dass ich dringend | |
| etwas zu dem Thema machen muss. Keine Ahnung wie, aber ich wusste, ich | |
| würde es später bereuen, wenn ich nichts zu dem Thema machen würde. | |
| Trotzdem will ich nicht überheblich wirken. Ich mag es nicht, wenn Künstler | |
| ihre Rolle übertreiben. | |
| Juse Ju: Wenn ich Musik mache, geht es mir nicht darum, jemanden von meiner | |
| Sichtweise zu überzeugen oder zu bekehren. Es ging mir nie darum, den | |
| AfD-Wähler zu erreichen. Ich will eher die Menschen, die ähnlich denken wie | |
| wir, in ihrem Handeln bestärken. Dazu gehören auch jene, die denken, dass | |
| ihre Position niemanden interessiert. Die Menschen, die sich in Dresden | |
| gegen Pegida einsetzen, genießen beispielsweise viel zu wenig öffentlichen | |
| Zuspruch. | |
| taz: Menschen mit anderer politischer Meinung wollen Sie nicht erreichen? | |
| Fatoni: Nein. Trotzdem sehe ich Rap auch kritisch. Es kann sein, dass man | |
| eine kleine Anzahl von Leuten umdrehen kann. Es gibt deutsche Kids, deren | |
| Eltern sind AfD-Polemiker, Stammtisch-Vollidioten aus der Provinz. Die | |
| hören Fler oder Farid Bang. Die hören also Rap, der mir auch manchmal Spaß | |
| macht, aber teilweise auch dumm ist. Über Umwege könnten Hörer, die sich | |
| über Rap sozialisieren, schon bei Songs wie „German Angst“ oder „32 Grad… | |
| landen. Das ist aber nicht das Anliegen und das Ziel, weil es utopisch ist, | |
| das man viele andersdenkende Leute erreichen könnte. | |
| Juse Ju: Nein, es geht tatsächlich darum, den Leuten, die das Lebensgefühl | |
| schon haben, einen Soundtrack zu ihrem Leben zu geben und ihnen zu sagen: | |
| „Hey, ich bin auf deiner Seite.“ Trotzdem schreiben wir Songs nicht mit dem | |
| Hintergrund einer politischen Agenda. Wir schreiben emotionale Songs, die | |
| unseren Zustand beschreiben und natürlich nicht losgelöst vom Weltgeschehen | |
| sind. | |
| taz: Ernten Sie aufgrund Ihrer politischen Haltung in den Songs auch viel | |
| Kritik oder Shitstorms? | |
| Fatoni: Ich bin eher überrascht, wie wenig Shitstorm mich bisher erreicht | |
| hat. Da sind wir wieder bei Dummheit: Meine Songs sind vielleicht einfach | |
| nicht platt genug, als dass sie so leicht angreifbar wären. Ich habe schon | |
| mal Beatrix von Storch oder Erika Steinbach mit Worten wie „Chill mal“ | |
| angetwittert. Selbst das hat keinen Shitstorm ausgelöst. Ich weiß nicht, | |
| was man machen muss, damit stabile Deutsche einen angreifen, aber | |
| eigentlich bin ich auch ganz froh, dass es noch nicht passiert ist. | |
| Allerdings lese ich mir auch keine Kommentare unter meinen Youtube-Videos | |
| durch. | |
| Juse Ju: Ich habe mir die Kommentare unter „German Angst“ schon | |
| durchgelesen, weil es mich interessiert hat. Haufenweise Leute haben | |
| geschrieben: „Das ist Hetze von links“. Es gab sogar | |
| Verschwörungstheoretiker, die sich angegriffen gefühlt haben, weil ich im | |
| Song einen Witz über Chemtrails mache. Mehrere Kommentatoren forderten, | |
| dass ich mich mit Geoengineering auseinandersetzten sollte, bevor ich so | |
| einen Gag mache. Trotz solcher Reaktionen gibt es eine Infoblase im | |
| Internet. Die Leute erreicht nur noch das, was sowieso ihrer Meinung | |
| entspricht. Mein Video dringt wohl kaum zu organisierten rechten Gruppen | |
| vor. | |
| Fatoni: Das glaube ich auch. Was Kommentare auf Youtube angeht: Das ist für | |
| mich kein Shitstorm. Es sind überwiegend Teenager, die unüberlegt | |
| irgendwelche Kommentare schreiben. Die Kommentarkultur ist da sowieso schon | |
| im Arsch. Ich habe über Facebook oder sonstige Kanäle noch nie private | |
| Nachrichten mit Morddrohungen erhalten. | |
| 5 Apr 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=N5zEYTJmwP8 | |
| [2] https://www.youtube.com/watch?v=BIUGN34nS7Y | |
| ## AUTOREN | |
| Katharina Schwirkus | |
| ## TAGS | |
| German Angst | |
| Rap | |
| HipHop | |
| Islamophobie | |
| Fremdenhass | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Tatjana Festerling | |
| Musik | |
| Flüchtlinge | |
| HipHop | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Kommentar Kampf gegen Rassismus: Hand in Hand gegen den Hass | |
| Tausende Menschen haben ein deutliches Signal an Fremdenfeinde geschickt: | |
| Rassistisches Verhalten bleibt nicht unwidersprochen. | |
| Kolumne „German Angst“: Bitte, Herr Gabriel! | |
| Wenn zu einer Affäre wirklich alles gesagt zu sein scheint, dann rumpelt es | |
| auf Twitter – und der SPD-Vorsitzende ist dran. | |
| Islamfeindliche Demo in Dresden: Für eine „Festung Europa“ | |
| Bis zu 2.800 asylfeindliche Demonstranten um die ehemalige AfD-Politikerin | |
| Festerling gingen in Dresden auf die Straße. 250 nahmen an Gegenprotesten | |
| teil. | |
| Manche nennen es Cloud Rap: Eine Ästhetik des Draufhaltens | |
| Aus dem Netz in die Clubs: Das Berliner Künstlerkollektiv Live From Earth | |
| macht Musikvideos für eine neue Generation von Rappern. | |
| Grünen-Debatte auf dem taz.lab: Der große Riss im Kleinen | |
| Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter bezichtigt seinen Parteikollegen Boris | |
| Palmer der Lüge. Er instrumentalisiere die Angst vor Flüchtlingen. | |
| „Yo, Picasso“ von Fatoni & Dexter: Kann nicht reden / Ich esse | |
| Auf seinem neuen Album parodiert Fatoni deutsche Strandurlauber und die | |
| Latte-Macchiato-Problemchen der Generation Y. |