# taz.de -- Streit um direkte Demokratie: Hamburg klagt gegen Volksentscheid | |
> Hamburger Senat reicht Klage gegen Volksinitiative „Rettet den | |
> Volksentscheid“ ein. Geplante Gesetzesänderungen seien „nicht | |
> verfassungsgemäß“. | |
Bild: Anstoß für Initiative zur Volksentscheid-Rettung: Hamburgs Olympia-Refe… | |
HAMBURG taz | Das Hamburgische Verfassungsgericht wird sich mit der | |
Volksinitiative „Rettet den Volksentscheid“ befassen. Der rot-grüne Senat | |
hat am Dienstag Hamburgs höchstes Gericht angerufen: Die Vorlage der | |
Initiative, so glauben die Senatsjuristen, sei in mehreren Punkten | |
verfassungswidrig. | |
Die Initiative will in einem Volksentscheid, der parallel zur | |
Bundestagswahl im Herbst 2017 stattfinden soll, diverse Änderungen der | |
Verfassung und des Wahlrechts der Nord-Metropole durchsetzen. So sollen | |
Gesetze zu Volksabstimmungsverfahren künftig nur noch mit Zustimmung des | |
Volkes geändert werden können. | |
Vorigen September hatten die Initiatoren Manfred Brandt und Angelika | |
Gardiner vom Verein „Mehr Demokratie“ rund 14.500 Unterschriften im Rathaus | |
übergeben. Damit überschritt die Volksinitiative die notwendige Zahl von | |
10.000 gültigen Unterschriften und nahm auch laut Innenbehörde die erste | |
Stufe der Volksgesetzgebung. | |
Anfang des Jahres aber wurde klar, dass die Mehrheit der Bürgerschaft | |
parteiübergreifend Probleme mit der Volksinitiative hat. Die Initiative | |
„Rettet den Volksentscheid“ wollte ursprünglich den „Haushaltsvorbehalt�… | |
streichen, der es verhindert, dass per Volksgesetzgebung Projekte | |
beschlossen werden, die ein Land in den Ruin treiben. Der Senat betonte, | |
dass diese Änderung aus seiner Sicht gegen die Verfassung verstoße. | |
Die Initiative besserte daraufhin zwar nach, aber der Senat hält auch die | |
vergangene Woche vorgelegten Korrekturen für teilweise nicht zulässig. So | |
sei die Absenkung der Abstimmungsquoren, nach der auch bei geringer | |
Beteiligung an einem Volksentscheid ein Gesetz gekippt werden kann, | |
„unzulässig“ und der Neuentwurf eine Mogelpackung. Die Initiative hätte an | |
ihrem Gesetzentwurf so opulent nachkorrigiert, dass die Neufassung weit von | |
der Vorlage entfernt sei, für die die Ini einst Unterschriften gesammelt | |
hat. | |
Einen solchen Streitfall kann nur das Verfassungsgericht klären. Bei | |
Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Volksinitiative „ist der Senat | |
gesetzlich verpflichtet, die Vorlagen überprüfen zu lassen“, betont | |
Vize-Regierungssprecher Sebastian Schaffer. Politik und Initiative müssen | |
sich dann an die Entscheidung der Richter halten. | |
Anlass für die Volksinitiative ist eine im Rahmen der Hamburger | |
Olympia-Bewerbung im vergangenen Mai vorgenommene Verfassungsänderung. | |
Seither können Senat und Bürgerschaft sogenannte Referenden zu wichtigen | |
Themen starten. Durch diese „Volksdemokratie von oben“ aber sehen Brandt | |
und Co die von unten ausgehebelt. Politiker könnten über den Zeitpunkt und | |
weitere Modalitäten des Referendums weitgehend alleine bestimmen und so | |
seinen Ausgang zu ihren Gunsten beeinflussen. | |
Zudem lege eine „Veränderungssperre“ fest, dass es zu dem Referendums-Thema | |
mehrere Jahre keinen Volksentscheid geben dürfe. „Mehr Demokratie“ sieht | |
die Gefahr, dass mit den Referenden Volksabstimmungen erstickt werden | |
könnten. „Das Referendumsverfahren der Bürgerschaft verhindert | |
Alternativvorschläge aus dem Volk und lässt keinen Gegenentwurf der | |
Opposition zu“, heißt es in einer Stellungsnahme von „Mehr Demokratie“. | |
Dass es der Hamburger Koalition aus SPD, CDU, Grünen und FDP vorigen | |
November jedoch nicht gelang, unter diesen Bedingungen eine | |
Referendumsmehrheit für die Olympischen Spiele zu organisieren, ficht die | |
Referendumsgegner dabei nicht an. Der Senat wolle, dass Volksabstimmungen | |
in der Verfassung stünden, faktisch aber nicht mehr erfolgreich praktiziert | |
werden könnten, unterstellt Gardiner der Landesregierung. | |
Ursprünglich wollte die Initiative im Mai und Juni 65.000 Unterschriften | |
sammeln, um die Stufe zwei des Volksgesetzgebungsverfahrens zu zünden. Das | |
wird sich nun „bis nach dem Spruch des Gerichts verschieben“, betont | |
Brandt. Doch der – zeigt die Erfahrung mit solchen Verfahren – wird wohl | |
noch Monate auf sich warten lassen. | |
29 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
## TAGS | |
Volksentscheid | |
Referendum | |
Direkte Demokratie | |
Volksgesetzgebung | |
Initiative Volksentscheid retten | |
Volksentscheid Fahrrad | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2021 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Analyse zum Volksgesetzgebungsurteil: Wider die Diktatur der Querulanten | |
Das Urteil des Verfassungsgerichts ist eine Niederlage für den Verein „Mehr | |
Demokratie“, aber es ist ein Sieg für mehr Demokratie in Hamburg. | |
Wie demokratisch sind Volksentscheide?: Volkes Wille | |
Die Grünen waren der Motor für die Einführung der Direkten Demokratie. | |
Inzwischen haben sie den Spaß daran etwas verloren. Nun übernimmt die AFD | |
ihren Job. | |
Urteil zu direkter Demokratie: Das Volk darf doch nicht alles | |
Hamburgs Verfassungsgericht stärkt die Rechte des Parlaments. Das | |
Volksbegehren zur Rettung des Volksentscheids sei unzulässig. | |
Volksinitiativen müssen künftig höhere Hürden überwinden | |
ADFC unterstützt Bürgerinitiative: Volksentscheid nimmt Fahrt auf | |
Die Initiative für einen „Volksentscheid Fahrrad“ gewinnt mit dem ADFC | |
einen mächtigen Verbündeten. | |
Blamage für Anti-Olympia-Bewegung: Volksinitiativen in der Krise | |
Wenig Unterstützung für Anti-Olympia-Initiativen und zur Rettung der | |
Volksgesetzgebung. Insider befürchten Blamage für Bürgerrechtsverein. |