| # taz.de -- Sportliche Integration: „Das ist, was ihnen bleibt“ | |
| > Beim Fußballspielen kommen Geflüchtete und Studierende in Bremen | |
| > regelmäßig zusammen, obwohl es mit der Kommunikation nicht immer klappt. | |
| Bild: Inszwischen trainieren regelmäßig bis zu 50 Flüchtlinge hinter er Uni … | |
| BREMEN taz | Mahdi Mousari sprintet über den nassen Kunstrasen. Seit | |
| Stunden nieselt es. Es ist kalt, die Temperaturen liegen kaum über dem | |
| Gefrierpunkt. Mousari und die anderen kann das nicht vom Fußballspielen | |
| abhalten. Beim dritten Fußballcup für und mit Geflüchteten wird verbittert | |
| um den Sieg gekämpft. Organisiert wurde das Turnier vom Arbeitskreis Sport | |
| (AKS) der studentischen Refugee Welcome AG an der Uni Bremen. | |
| Seit Juli kicken Geflüchtete wie der 24-jährige Mousari und Studierende des | |
| AKS regelmäßig auf den Sportplätzen bei der Universität. Angefangen mit | |
| zwei Terminen pro Woche, trainieren inzwischen täglich bis zu 50 | |
| Geflüchtete. | |
| Dass nicht immer alles rund läuft, kriegen die Studierenden natürlich mit. | |
| „Die Stimmung ist nicht immer die beste, verständlich bei der schlechten | |
| Wohnsituation in den Unterkünften“, sagt Tim Stegemann vom AKS. Die Bremer | |
| Flüchtlingspolitik schaffe es nicht, genügend Wohnraum zur Verfügung zu | |
| stellen. | |
| ## Unfreiwillig viel Zeit | |
| Auch Mahdi Mousari, der vor drei Monaten aus Afghanistan nach Bremen | |
| gekommen ist, lebt in einer Zeltunterkunft. Hier in Deutschland gefalle es | |
| ihm, sagt er, er wünsche sich nur, dass er zur Schule gehen könnte. Seine | |
| unfreiwillige Freizeit verbringt er bis zu fünfmal die Woche auf dem | |
| Sportplatz. „Die Kommunikation ist manchmal ein Problem beim Fußball“, sagt | |
| Mousari. Bei den Spielen wird arabisch, persisch, englisch und deutsch | |
| gesprochen. Eine bessere Verständigung würde manchmal einiges erleichtern, | |
| bestätigt Tarik Nissen (AKS): „Entscheidungen könnten besser erklärt | |
| werden, damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt.“ Tarik Nissen und Tim | |
| Stegemann gehören zu den Aktivsten des Arbeitskreises Sport. Stegemann | |
| möchte nicht nur helfen und organisieren, sondern auch, dass Geflüchtete | |
| selbst aktiv werden. „Wir bringen das Wissen über die Strukturen an der Uni | |
| mit, versuchen aber auch die Geflüchteten mit einzubinden.“ Die Turniere | |
| planen sie zusammen und auch wöchentliche Trainingstermine werden | |
| abgegeben. | |
| Der 24-jährige Ali Abha aus Afghanistan hat die Verantwortung für das | |
| Sonntagstraining übernommen. „Ich liebe Fußball“, schießt es aus ihm | |
| heraus. „Sport ist gut für die Gesundheit, die beste Möglichkeit, seine | |
| Fähigkeiten zu verbessern, und man trifft Freunde“, erzählt Abha in gutem | |
| Englisch. | |
| ## Früher war er TV-Moderator | |
| In Afghanistan habe er als Fernsehmoderator gearbeitet und nur in seiner | |
| Freizeit und an Sonntagen Fußball gespielt. In Deutschland steht er abseits | |
| der Gesellschaft: „Uns ist nicht erlaubt, irgendetwas zu machen, es bleiben | |
| nur Sport - und Sprachkurse.“ Ali Abha gehört zu einem der stärksten Teams: | |
| „Etihad“ (zu deutsch: Einheit). Er übernimmt oft die Trainerrolle. „Ich | |
| würde auch selbst mitspielen, aber sie brauchen einen wie mich als Chef“, | |
| lacht er und gibt gleich das nächste Kommando vom Spielfeldrand. | |
| Obwohl Fußball für viele Geflüchtete die Nummer eins ist, organisiert der | |
| AKS auch Basketball, Volleyball und Fitnesskurse für Frauen in den | |
| Sporthallen. Die Studierenden kümmern sich darum, dass Geflüchtete die | |
| regulären Sportkurse der Uni mitmachen können oder vermitteln sie an | |
| öffentliche Sportvereine. | |
| Die Refugee Welcome AG an der Uni Bremen, zu der der Arbeitskreis Sport | |
| gehört, ist ein Zusammenschluss von Studierenden, die Aktivitäten und | |
| Sprachkurse für Menschen in Notunterkünften anbieten. Ein Engagement, auf | |
| das die Uni stolz ist, aber bisher noch nicht ausreichend unterstützt, | |
| findet Nissen. Zwei wissenschaftliche Hilfskräfte pro Arbeitskreis wäre | |
| nach den Vorstellungen des AKS angemessen. Momentan werde aber noch darüber | |
| verhandelt, wie genau die weitere Unterstürzung der Uni aussehen solle, | |
| sagt der AKS. Bisher stellt der Hochschulsport immerhin die Plätze, Hallen | |
| und Bälle zur Verfügung. | |
| An manchen Tagen herrschen Spannungen zwischen den Spielern und | |
| Nationalitäten. Diese entladen sich oft beim Schiedsrichter: Dass ein | |
| syrischer Schiri in einem Spiel zwischen Afghanen und Syrern | |
| unvoreingenommen ist, wird oft lautstark bezweifelt – und anders herum. | |
| Bisher bleibt es dennoch bei „Machogehabe“ und blöden Sprüchen, geprügelt | |
| hätten sich die Jungs noch nie, sagt Tim Stegemann. | |
| ## In den Vereinen außen vor | |
| Die Power der Jungs ist unübersehbar. Selbst nach fünf Stunden Turnier | |
| setzten sie mit einem irren Tempo das deutsche Team „FC Ballern“ unter | |
| Druck. Am Spielrand spielt Herkunft dann keine Rolle mehr. „Sehr schön“, | |
| lobt ein kleiner Junge das gefallene Tor. „Deutschland gut, zwei zu eins.“ | |
| Dann ein Foul und die Gelbe Karte. „Penalty, penalty0“, rufen die Zuschauer | |
| gemeinsam. Der Sieger des Fußballcups ist zum dritten Mal in Folge ein Team | |
| von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten aus Afghanistan. | |
| Sie haben nicht die Möglichkeit, in Sportvereine einzutreten, erzählt Tarik | |
| Nissen: Die Sportvereine verlangen eine Einverständniserklärung der Eltern | |
| oder eines Vormunds, den viele nicht haben, erklärt Nissen. „Das hier ist, | |
| was ihnen bleibt.“ | |
| 28 Mar 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Leandra Hanke | |
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