# taz.de -- 14. Documenta in Kassel und Athen: Kein Halt in Idomeni | |
> Die 14. Documenta hat eine Flugverbindung nach Athen eingerichtet, auch | |
> dort findet die Ausstellung statt. Fehlt da nicht was? | |
Bild: Wo, bitte, geht es nach Athen? Und zurück? Und für wen? | |
Ein schmales silbernes Band schlängelt sich über ein schwarzes Quadrat, von | |
links oben nach rechts unten. Aufmerksame Beobachter der 14. Documenta | |
haben gemerkt, dass die elegante minimalistische Abstraktion, die deren | |
Website ziert, einen Weg beschreibt: den von Kassel nach Athen nämlich, der | |
Stadt, von der wir im nächsten Sommer „lernen“ sollen: Sie ist der zweite | |
Ausstellungsort der Documenta. Je länger man darauf schaut, desto mehr | |
ähnelt das Logo auch der Fluchtroute durch den europäischen Südosten. | |
Für die Journalisten und Artfreaks, die nach Athen pilgern wollen, ist es | |
schön, zu wissen, dass die Aegean Airlines als erster „Airline-Partner“ in | |
der Documenta-Geschichte, wie die Schau stolz bekannt gibt, ab April 2017 | |
zweimal wöchentlich Linienflüge zwischen Athen und Kassel anbieten wird, um | |
Besuchern die Reise zwischen den Ausstellungsorten zu ermöglichen. | |
Angesichts der verstörenden Bilder aus Idomeni grübelt man aber auch, wie | |
es möglich ist, temporäre Fluchtwege für den nomadisierenden Kunst-Jetset | |
aus dem Marketinghut zu zaubern, während Tausende Flüchtlinge an der | |
mazedonischen Grenze weiter in der Falle sitzen und sich vom letzten | |
barmherzigen Konservativen, dem Politpensionär Norbert Blüm, trösten lassen | |
müssen. | |
Documenta-Chef Adam Szymczyk hatte im Oktober Außenminister Steinmeier in | |
einem Akt höflichen Ungehorsams darauf hingewiesen, dass die „künstlerische | |
Brücke zwischen Athen und Deutschland“, die der Chef der deutschen | |
Diplomatie zuvor gepriesen hatte, nicht nur metaphorisch-ästhetisch zu | |
verstehen sei. | |
Die Schau, so Szymczyk, möge „dazu beitragen, eine Brücke zu bauen – und | |
zwar die politische Brücke, über welche die Flüchtlinge, die ein sicheres | |
Zuhause in Europa finden müssen, gehen können“. Hic Rhodus, hic salta, | |
Adam! Müssten da nicht auch Linienflüge für Flüchtlinge eingerichtet werden | |
– erst nach Athen zur Kunst und dann nach Kassel ins Asyl? | |
Und ließe sich Szymczyks Satz, wenn die Documenta schon so auf | |
„transformative Erfahrungen“ setzt und sich als „verändernde Kraft“ | |
versteht, nicht auch umkehren? Sollten die Besucher aus dem globalen | |
Norden, die „South as a State of Mind“, das Motto der neuen | |
Documenta-Zeitschrift, tatsächlich erfahren wollen, nicht besser auf der | |
Balkanroute nach Athen reisen? | |
Da zögen sie nicht unbedingt auf der silbern schimmernden Seidenstraße des | |
Kunstgenusses. Womöglich aber durch einen heilfördernden Schlammpfad der | |
Solidarität. | |
17 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arend | |
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