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# taz.de -- Sozialdemokraten in der Krise: Kein Zoff nach der Klatsche
> Angesichts ihrer Wahlergebnisse in den Ländern kommt die SPD ins Grübeln.
> Ihrem Parteichef Sigmar Gabriel bleibt sie aber treu.
Bild: Katerstimmung bei den SPD-Wahlverlierern. Im Bild: Nils Schmid aus Baden-…
Berlin taz | Das mit dem Bürgerdialog müssen die Sozialdemokraten noch
üben. Die Fraktion hat in den Reichstag eingeladen um zentrale
Zukunftsfragen zu erörtern. An diesem Mittwoch geht es um Deutschland als
Einwanderungsland. Gekommen sind Rabbinerinnen und Imame genauso wie
afrikanische Gemeindevertreter und asiatische Deutsche.
So kurz nach den Wahlerfolgen der AfD könnte man die Veranstaltung als
Kontrapunkt sehen, aber sie wurde lange vorher angesetzt. Nicht auf dem
Plan hatten die SPD-Abgeordneten, offenbar die namentliche Abstimmung im
Bundestag. Jedenfalls klingelt mitten im Dialog die Bundestagsglocke, die
Gastgeber eilen aus dem Saal und die Gäste diskutieren nun allein mit der
Moderatorin.
„Ist Ihnen das Thema wichtig oder nicht?“, empört sich Breschkai Ferhad.
Die Leiterin der Koordinierungsstelle Neue Deutsche Organisationen hat ihre
Umhängetasche geschultert und steuert nun gleichfalls grimmig auf den
Fahrstuhl zu. Sie hätte sich von ihrer Partei nach dem Wahlsonntag mal ein
klares Bekenntnis gewünscht: „Wir sind Einwanderungsgesellschaft.“
Wie sich die SPD in Zuwanderungsfragen positionierte war in den letzten
Wochen nicht so eindeutig. In Magdeburg verließ der Oberbürgermeister die
Partei wegen der Flüchtlingspolitik, in Berlin stimmte die Partei in
vorauseilendem Gehorsam deutlichen Asylrechtsverschärfungen zu. Dass die
SPD herumeierte merkten auch die Wähler – sie straften sie in
Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg ab.
Nur in Rheinland-Pfalz konnte die SPD zulegen und wurde unter Malu Dreyer
stärkste Partei. „Eine klare Linie, eine eindeutige Haltung“, benennt
Fraktionsvize Hubertus Heil am Dienstag die Faktoren des Erfolgs und
verweist damit eben auch indirekt auf die Kriterien der Misserfolge in den
Ländern, wo die SPD deutlich einbrach. Kein gutes Omen für die
Bundestagswahl.
Das dominiert die Stimmung in der Woche danach. „Das war eine Klatsche, da
gibt es nichts zu beschönigen“, sagt Heil. Sowohl im Parteivorstand als
auch in der Fraktion lecken sich die Genossen vor allem die Wunden.
Die erste Lehre, die man aus dem Desaster zieht: Geschlossenheit. Jede
Kritik am Parteivorsitzenden verbietet sich jetzt genauso wie Fragen nach
seiner Eignung als Merkel-Herausforderer. „Sigmar Gabriel ist und bleibt
der Vorsitzende“, sagt Heil. Stattdessen will die SPD nun die soziale Karte
spielen.
„Entscheidend ist jetzt, einen Solidarpakt durchzusetzen, um den
gesellschaftlichen Zusammenhalt zu wahren, wie ihn Sigmar Gabriel angemahnt
hat. Wir müssen deutlich machen, dass die SPD die Partei ist, die das Land
zusammenhält“, sagt der stellvertretende Parteivorsitzende und hessische
Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel der taz.
## Streit mit Schäuble
Gabriel hatte kurz vor den Landtagswahlen aufgewärmt, was führende
SPDlerinnen, unter ihnen auch Wahlgewinnerin Malu Dreyer, im Spätherbst
vorgestellt hatten: ein Integrationspaket für mehr Kitaplätze,
Sozialwohnungen und Einstiegshilfen in den Arbeitsmarkt. Fünf Milliarden
Euro soll das kosten – pro Jahr. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU)
hatte Gabriels neuerlichen Vorstoß, der ihn allerdings mit Verweis auf die
Einheimischen formuliert hatte, als „erbarmungswürdige Politik“ abgetan.
Doch die Sozialdemokraten sind nach den Wahlniederlagen in rauflustiger
Stimmung. Im Grundgesetz stünde nicht „Die Würde der schwarzen Null ist
unantastbar“, sondern „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, meint
Schäfer-Gümbel. „Zunächst muss beschrieben werden, was sind die Aufgaben
und danach folgt die Finanzpolitik. Nicht umgekehrt.“
Er sei sehr für einen ausgeglichenen Haushalt versichert der SPD-Vize.
„Aber eine schwarze Null heißt nicht, dass man die Verteilungsfragen nicht
mehr aufrufen muss.“ Auch das gehöre zur Frage des gesellschaftlichen
Zusammenhalts. „Meine Geduld, bei diesem Thema kommunikativ Rücksicht zu
nehmen auf die Befindlichkeiten der Union ist bei null“, bekräftigt er. Die
CSU müsse ihre Blockade etwa bei der Erbschaftssteuer schnellstmöglich
aufgeben.
Linke SPDler wie Ernst-Dieter Rossmann wittern Morgenluft. Dass
CSU-Politiker wie der bayerische Finanzminister Markus Söder mehr Geld vom
Bund fordern für die Integration von Flüchtlingen, aber gleichzeitig neue
Einnahmequellen, wie die Erbschaftssteuerreform blockierten, sei untragbar,
sagte er der taz. Die SPD vergewissert sich also ihrer sozialen Wurzeln und
will so gleichzeitig die AfD „sozialpolitisch stellen“. Die sieht sich
neuerdings nämlich ebenfalls als Partei des sozialen Ausgleichs. Und
derzeit glauben ihr viele Wähler mehr als der SPD.
18 Mar 2016
## AUTOREN
Anna Lehmann
## TAGS
Schwerpunkt Landtagswahlen
Sigmar Gabriel
SPD
Rente
Volkspartei
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