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# taz.de -- Über das Ende einer Partnerschaft: Gehen? Bleiben? Gehen? Bleiben?
> Manche Frauen wollen weg von ihrem Mann. Aber innere und äußere Zwänge
> halten sie immer wieder davon ab, sich zu trennen.
Bild: Was, wenn er sich doch noch ändert ...
„Wir lassen es dauern, solange es dauert. Wir machen nichts dagegen und
nichts dafür.“ Sagt Paula zu Paul in dem Defa-Klassiker „Paul und Paula“.
Klingt überzeugend, klingt einfach: Wenn‘s läuft, läuft‘s. Wenn‘s nicht
mehr läuft, ist Schluss und die Partner trennen sich.
Aber so einfach ist das dann häufig doch nicht. Bei Katharina und Jürgen
ist schon seit zehn Jahren der Ofen aus. Sie leben in getrennten Zimmern,
fahren getrennt in den Urlaub, frühstücken getrennt. Den letzten Schritt
aber, den gehen sie nicht: die große Wohnung in Berlin in zwei kleinere zu
tauschen, das Familienauto zu verkaufen und zu verhandeln, wer nach der
Trennung den Cockerspaniel behält. Katharina nervt das.
Seit Jahren liegt sie ihren Freundinnen in den Ohren, dass sie es nicht
mehr aushalte. Dass Jürgen sie anöde, sobald er nur die Küche betrete. Und
dass sie am liebsten weg wolle.
„Dann geh doch endlich“, rufen die Freundinnen seit Jahren. Sie sind
nämlich auch genervt. Von Katharinas Nörgelei, dass sie auf Jürgen, den die
Frauen eigentlich ganz okay finden, immer so rumhackt. Am meisten genervt
sind sie allerdings von Katharinas Antwort: „Ich versuch‘s noch mal.“
## „Wenn ich jetzt gehe, war alles umsonst“
Warum geht die Frau nicht? Sie hat einen Job und eigenes Geld, der Sohn ist
ausgezogen. Bis auf das Auto gibt es kein gemeinsames Haus oder ein teures
Wochenendgrundstück, das die beiden fest miteinander verschweißen würde. So
wie das bei anderen Paaren der Fall ist, die sich wegen einer Immobilie und
teuren Besitztümern nicht trennen. Welches innere Korsett hält Frauen davon
ab, bei ihren Partnern zu bleiben, obwohl sie mit ihnen kreuzunglücklich
sind?
„Die Frauen haben die Hoffnung, dass es irgendwann wieder besser wird zu
Hause“, sagt Antje Barnick. Die Psychotherapeutin, Ärztin und
Hypnotherapeutin kennt sich aus mit „Fällen“ wie Katharina einer ist. In
ihre Praxis in Berlins Mitte kommen Menschen mit vielfältigen psychischen
Auffälligkeiten: Angst- und Essstörungen, Depressionen, Nikotinsucht,
Belastungsreaktionen.
Es ist ein Wechselspiel: All diese Krankheiten wirken sich auf die
Partnerschaften aus – oder werden vom krisenhaften Miteinander der Partner
mitausgelöst.
Wenn die Frauen in Barnicks hellen Therapieräumen hoch über der Stadt von
ihrem Leben erzählen, geht es vor allem um desolate und fragile
Beziehungen. Die Ärztin hört von mangelnder gegenseitiger Achtung, von
Egoismus und Gefühlskälte, von Geliebten und von Gewalt. Dinge, die nicht
in eine Beziehung gehören.
Trotzdem hört die Ärztin auch immer wieder diesen einen Satz: „Wenn ich
jetzt gehe, war alles umsonst.“ Umsonst die Mühe, die sich diese Frauen
geben, um dem Mann zu gefallen. Umsonst die Kraft, die sie darauf
verwenden, die Kinder großzuziehen und den Haushalt zu schmeißen. Nicht der
Rede wert die Tränen, die die Frauen vergießen, weil ihnen ihr Engagement
nicht gedankt wird. Und umsonst all die Versuche, den Mann zu ändern. Denn
so, wie er ist, ist er ja nicht gut. Und weil er nicht gut ist, ist die
Liebe am Abgrund.
## Sexualpartner, Freund und Vater der Kinder
„Es ist eine Illusion zu glauben, eine Frau könne einen Mann ändern“, sagt
Antje Barnick. Umgekehrt genauso. Ein Mann, der wenig redet, wenn er jung
ist, wird im Alter nicht zum Schwätzer. Ein Alkoholiker hört nicht auf zu
trinken, nur weil er eine neue Frau trifft. Und ein Fußballnarr mutiert
nicht zum Gärtner, einzig weil seine Frau lieber Tulpen als Tore mag. „Die
Persönlichkeit eines Menschen prägt sich im Erwachsenwerden und ändert sich
nur durch Extrembelastungen.“ Traumatische Erlebnisse etwa, massive Gewalt,
solche Sachen.
Aber Antje Barnick rät den Frauen nicht: „Trennen Sie sich.“ Das würde sie
sich nie anmaßen. Sie sagt ihnen eher Sätze wie: „Sie leben vielleicht noch
20 oder 30 Jahre. Das ist eine lange Zeit. Aber die kann schön werden, wenn
Sie in Ihrem Leben etwas ändern, statt zu versuchen, den anderen anders
haben zu wollen.“
Manche Frauen beherzigen das. Die, die bleiben, versuchen sich zu
arrangieren mit einer klaren Kalkulation: Eine gemeinsame große Wohnung ist
besser als eine eigene kleine. „Für Frauen ist die Scheidung meistens ein
existenzielles Problem, für einen Mann ein finanzielles“, sagt Helene
Klaar. Die Wiener Scheidungsanwältin hält nicht nur Ehen für erhaltenswert,
die perfekt glücklich sind, verriet sie kürzlich der Süddeutschen Zeitung:
„Wenn man hungert und friert, finde ich es nicht so wichtig, ob die Liebe
noch so ist wie am ersten Tag.“
Auch manche Männer würden so „rechnen“, hat Antje Barnick erlebt. Aber die
kämen damit besser zurecht. „Sie akzeptieren, dass die Ehefrau nicht mehr
die Geliebte ist, sondern vielleicht nur noch Mutter ihrer Kinder oder die
Freundin, mit der sie reden“, sagt Barnick. Während Frauen das
Komplettpaket wollten: diesen einen Mann als Sexualpartner, Freund und
Vater der Kinder.
Manche Frauen bleiben, weil sie Angst haben vor der Einsamkeit. Ein
verständlicher Impuls, Menschen sind soziale Wesen und wollen nicht allein
sein, sagt der Hamburger Psychiater Josef Aldenhoff. Aber die Vorstellung
von romantischer Liebe, super Sex, gemeinsamem Altwerden, und das alles
dauerhaft und mit einer einzigen Person, das sei naiv, findet der Autor von
Büchern wie „Ich und du. Warum?“. Das komme „im Logbuch der Evolution“
schlicht nicht vor.
## Denn Angst macht „inkompetent“
Jede Lebensphase braucht einen eigenen Partner? „So kann es sein“, sagt
Antje Barnick: „Dazwischen kann es durchaus Phasen des Alleinseins geben.“
Die manche Frauen schwer überbrücken könnten. „Jene Frauen wissen, dass es
nicht schlimm ist, allein zu sein. Sie wissen rational, sie haben Freunde,
einen Beruf, Kinder, sie sind nicht einsam. Aber emotional fühlen sie sich
alleingelassen wie ein kleines Kind. Und das ist für sie
existenzbedrohend.“ Also bleiben sie.
Manche Frauen fragen sich aber auch: Bin ich nach einer Trennung noch
vollständig, noch genauso viel wert wie vorher? Eine Frau ohne Mann, die
hat keinen abgekriegt. Mit der stimmt doch was nicht. „Das ist eine äußere
Bewertung, die mit hinterfragbaren Maßstäben der Gesellschaft zu tun hat“,
sagt Antje Barnick: „Manche Singlefrauen werten sich in dieser Weise selbst
ab.“
Männer seien davon weit entfernt, sich solch ein inneres Korsett
überzustülpen. Sie würden sich in ähnlichen Lebenslagen eher nach außen
orientieren: Büro, Geliebte, Fußball, Freunde. Manche Medien würden das
Bild der Frau, die nur als gertenschlanke Beauty auf dem Singlemarkt eine
Chance hat, verstärken, sagt Barnick: „Aber das stimmt natürlich nicht.“
Drei Viertel aller Frauen in Deutschland sind übergewichtig. Sind die alle
Single? Nein.
Mit zunehmender Gleichstellung der Geschlechter verschieben sich die
Maßstäbe bei der Partnerwahl. Wie gerade eine Studie der Nothwestern
University in den USA und der Universität Innsbruck herausgefunden hat,
bevorzugen Männer gebildete Frauen, die selbst genug verdienen und die die
Männer nicht versorgen müssen. „Offensichtlich ist es wichtiger, sich
aufeinander verlassen zu können und miteinander Spaß zu haben, als einfach
nur schön zu sein“, sagt Antje Barnick.
Und was heißt das für die Frauen, die von der Ärztin wissen wollen, was sie
in ihrer Krise tun sollen? Und was für Katharina und Jürgen?
„Die Frauen müssen rauskriegen, warum sie Angst haben zu gehen“, sagt
Barnick. Solange sie das nicht wüssten, bleiben sie. Denn Angst mache
„inkompetent“, so die Ärztin: „Dann empfinden es die Betroffenen schön,
dass jemand da ist, der einen umsorgt. Wie auch immer.“
8 Mar 2016
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Ehe
Partnerschaft
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Geschlechter
Schwerpunkt Feministischer Kampftag
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