# taz.de -- Blau und Braun in Sachsen-Anhalt: Kampf um die Besorgten | |
> Vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt befindet sich die AfD im | |
> Umfragehoch. Sie ist nicht die einzige Partei mit dezidiert völkischem | |
> Ansatz. | |
Bild: Bitte sehr: Herr Poggenburg von der AfD präsentiert seine Ideen | |
André Poggenburg strotzt vor Zuversicht: „20 Prozent plus x sind nicht | |
unmöglich“, postete der Spitzendkandidat der AfD unlängst auf seiner | |
Facebook-Seite. Da präsentiert er sich als Bürgerkandidat. Schlichter | |
Anzug, Hemd und Krawatte. Möglichst bürgerlich soll seine Partei | |
rüberkommen. „Die Stimme der Bürger – unser Programm!“, das ist der | |
Wahlkampfslogan der AfD in Sachsen-Anhalt. Das steht neben „Wir für unsere | |
Heimat“ auch über dem [1][Wahlprogramm], das 64 Seiten umfasst. | |
Das Kapitel „Zuwanderung, Asyl und Integration“ ist 9 Seiten lang. Der | |
Landesverband will nicht als eine Einthemenpartei gesehen werden. Tritt | |
Poggenburg indes auf, scheint es kein anderes Thema zu geben. Er geißelt | |
dann vor allem die Asyl- und Einwanderungspolitik des vermeintlichen | |
Regierungs- und Parteienkartells. Es ist ein Erfolgsthema in diesem Tagen. | |
Ob die Partei in den Landtag einziehen wird, ist schon lange keine Frage | |
mehr. Es geht nur noch um die Anzahl der Sitze. | |
Selbst persönliche Verfehlungen des Spitzenpersonals können die AfD kaum | |
gefährden. Als im Januar bekannt wurde, dass Poggenburg alles andere als | |
ein zuverlässig zahlender Geschäftsmann ist, verstummte die Kritik, der er | |
sich auch innerhalb der Partei stellen musste schnell. Haftbefehle waren | |
gegen den Unternehmer erlassen worden – weil er sich zu seinen finanziellen | |
Verhältnissen geäußert hat, nachdem er Rechnungen nicht beglichen hat. | |
Als das bekannt wurde, inszenierte sich Poggenburg, der einen Fachbetrieb | |
für Autokühler im Burgenlandkreis betreibt, als Opfer einer fiesen | |
Wahlkampftaktik seiner Gegner: „Nun natürlich noch auf die Tour“, schrieb | |
er. Später musste er bei einer Pressekonferenz einräumen, dass er | |
tatsächlich etliche Forderungen nicht begleichen konnte und es wirklich | |
Erzwingungshaftandrohungen gab. Dennoch sah er eine „Medienkampagne“. Seine | |
Partei jedenfalls konnte er damit überzeugen. | |
## Bernd Höckes Amigo | |
Die wird ihn so schnell schon nicht fallen lassen, gehört Poggenburg doch | |
zu den Neuerfindern der AfD. Die [2][“Erfurter Resolution“], die die Abkehr | |
vom moderateren Kurs des ehemaligen Bundesvorsitzenden Bernd Lucke | |
einläutete, wird meistens allein dem Landtagsfraktionsvorsitzenden der AfD | |
in Thüringen, Björn Höcke, zugeschrieben. Doch Poggenburg war im März 2015 | |
Mitinitiator der Resolution, in der die beiden die AfD als „patriotische“ | |
Alternative und Bewegung des „freien Wortes“ gegen „Gender-Mainstreaming, | |
Multikulturalismus, Erziehungsbeliebigkeit“ positioniert haben. | |
Bis heute stehen Poggenburg und Höcke sich sehr nahe. Mit ihm teilt | |
Poggenburg die Einschätzung, dass nicht jedes NPD-Mitglied als | |
„extremistisch“ einzustufen ist. Dass er keine Berührungsängste nach recht | |
außen kennt, hat er schon unter Beweis gestellt, als er mit einem | |
NPD-Kreistagsabgeordneten auf einem Podium saß. | |
Das Magazin Compact (Poggenburg: „ein seriöses Medium ohne linke | |
Diffamierung und Hetze“) hatte in die Tröglitzer Kulturhalle zur Diskussion | |
geladen. „Ist die deutsche Einwanderungs- bzw. Asylpolitik gescheitert?“, | |
so lautete das Thema. Poggenburgs Gesprächspartner auf der Bühne war | |
Steffen Thiel, der für die NPD im [3][Kreistag des Burgenlandkreises] | |
sitzt. | |
## Frei von Berührungsängsten | |
Ganz eng scheint sein Verhältnis zu Ellen Kositza und Götz Kubitschek vom | |
„Institut für Staatspolitik“ zu sein. Im sachsen-anhaltischen Schnellroda | |
ist das neurechte IfS beheimatet. Als den beiden rechten Vordenkern von der | |
früheren Parteiführung um Lucke die Mitgliedschaft in der AfD verweigert | |
wurde, lud Poggenburg Kositza prompt als Rednerin zum Landesparteitag ein. | |
Er ist nicht der Einzige, der die Nähe zu den Rechten aus Schnellroda | |
pflegt. | |
Hans-Thomas Tillschneider, der auf Platz 10 der Landesliste kandidiert und | |
der Sprecher der „Patriotischen Plattform“ ist, hatte nach der | |
Aufnahmeverweigerung des umstrittenen Paares erklärt: „Die AfD wird | |
entweder mit Götz Kubitschek sein oder sie wird gar nicht sein!“ Heute | |
wirkt Tillschneider bei der von Kubitschek initiierten Notbremse-Kampagne | |
[4][“Ein Prozent für unser Land“] mit, die die Proteste gegen Flüchtlinge | |
vernetzen will und behauptet, dass sie unschlagbar wäre, wenn nur ein | |
Prozent der Bevölkerung sich daran beteiligen würde. | |
All dies spricht für eine tiefgreifende ideologische Auseinandersetzung mit | |
der AfD. Doch genau damit würden sich die Parteien im Wahlkampf schwertun, | |
befürchtet David Begrich vom Verein [5][“Miteinander – Netzwerk für | |
Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“]. Würde man die AfD | |
wirklich tiefer analysieren, so Begrich, würde erkennbar, dass hinter den | |
vermeintlichen Forderungen Familienförderung, Kulturpflege und Heimatliebe | |
die „Kernidentität einer völkisch-nationalistischen Partei“ stünde. | |
## Der letzte Rest der NPD | |
Da ist die NPD einfacherer zu durchschauen. Die hat auf Listenplatz 5 für | |
die Wahl ebenjenen Steffen Thiel platziert, mit dem Poggenburg auf dem | |
Podium saß. Thiel, 39 Jahre alt, Maurer, hat in Tröglitz den Protest gegen | |
eine geplante Asylunterkunft angeführt. Die Geschehnisse um den | |
Bürgermeister, der nach massiven persönlichen Anfeindungen zurückgetreten | |
ist, um die Unterkunft, die nach einer Brandstiftung in Flammen aufgegangen | |
ist, haben bundesweit Schlagzeilen gemacht und auch ein Schlaglicht auf das | |
Wesen der NPD geworfen, die bei der Landtagswahl 2011 immerhin 4,6 Prozent | |
erreicht hat. | |
Seit die AfD nach ihren Erfolgen in Sachsen und Brandenburg auf einer | |
regelrechten Erfolgswelle schwimmt, verliert die älteste rechtsextreme | |
Partei Deutschlands immer weiter in der Wählergunst. Ihr Spitzenkandidat | |
Peter Walde wird das wohl auch keine Trendwende herbeiführen können. Nach | |
dem knappen Scheitern an der Fünfprozenthürde vor fünf Jahren brach der | |
Landesverband fast gänzlich zusammen. | |
Beinahe alle jungen Kader haben die Partei verlassen. Walde, 69 Jahre alt, | |
übernahm die Landesführung. Der etwas behäbige Mann war zu DDR-Zeiten | |
SED-Mitglied und studierte Gesellschaftswissenschaften. Nach der Wende | |
übernahm er von 2000 bis 2006 die Landesführung der „Republikaner“. | |
Zusammen mit seiner Frau, die ebenfalls eine führende Rolle in der NPD | |
einnimmt, führte er eine Gaststätte. | |
## NPD hofft auf „Überraschungsschlag“ | |
Damit scheiterte er jedoch, angeblich weil der politische Druck zu groß | |
geworden sei. Heute lebt das Paar in Schneidlingen, besitzt ein Grundstück, | |
auf dem es ein paar Tiere hält, und baut Gemüse an – auch „ein wenig Bio�… | |
Walde sitzt für die NPD im Stadtrat von Hecklingen und im Kreistag des | |
Salzlandkreises. | |
Dort nimmt er ebenso wenig ein Blatt vor den Mund wie auf der Website des | |
Landesverbands der Partei. „Rückenwind“, heißt es da ganz unverholen, „… | |
uns das Anwachsen der Asylantenzahlen.“ Bei Bürgerprotesten vor Ort hätte | |
sich die NPD einbringen können. Und Walde selbst ist beim Magdeburger | |
Pegida-Ableger Magiga schon als Redner aufgetreten. | |
Er versucht bei seinen Auftritten „eine Zweiklassengesellschaft“ zu | |
skizzieren, „in der die Deutschen sich immer mehr gegenüber den Fremden | |
zurückgesetzt sehen.“ Dagegen gelte es zu kämpfen. Mit dem Verzicht auf | |
Direktkandidaten und der Konzentration des Wahlkampfs auf die entscheidende | |
Zweitstimme hofft die NPD trotz AfD „einen Erfolg zu [!] einzufahren, der | |
einem Überraschungsschlag gleichkommen könnte!“. | |
Die NPD könnte aber nicht bloß die besorgten Bürger, die sich zur AfD | |
hingezogen fühlen, als Wähler verlieren, sagt Martin Burdorf, der im Verein | |
„Miteinander“ für das Regionalzentrum Nord in Salzwedel arbeitet. Sie kön… | |
sich nicht einmal mehr darauf verlassen, die rechtsradikale Klientel für | |
sich zu gewinnen. Mit der Kleinstpartei „Die Rechte“ hat die NPD eine | |
Konkurrenz von noch weiter rechts erhalten. Diese zieht wegen ihrem | |
radikaleren Agieren gerade die Anhänger aus den Freien Kameradschaften und | |
rechte Hooligangruppen an. | |
## Die Rechte im Anmarsch | |
Das Wahlprogramm der Rechtsaußenpartei „Perspektiven schaffen, statt | |
Massenzuwanderung akzeptieren!“ umfasst knapp 11 Seiten. Ihr | |
Spitzenkandidat Roman Gleißner aus Oranienbaum ist sich sicher, dass damit | |
genug gesagt ist: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auf 10 Seiten | |
wesentlich konsequenter, ehrlicher, ja sozialer und überhaupt national sind | |
als die AfD auf ihrem 63-seitigen Prosawahlprogramm!“. Die AfD, sagte er | |
bei einer Demonstration kurz vor Weihnachten 2015 in Burg bei Magdeburg, | |
sei für ihn keine rechtsnationale Partei: „Sie ist und will der verlängerte | |
Arm und Steigbügelhalterin der CDU sein!“ | |
Der Landes- und Bundesvize war ebenfalls schon Redner bei Magida. Gleißner, | |
Jahrgang 1967, verfügt schon über Partei- und Parlamentserfahrung: 1998 | |
trat der Soziologe für die Grauen Panther zur Bundestagswahl an, 2000 | |
arbeitete er für die DVU im Magdeburger Landtag, später war er für die | |
DVU-Abspaltung „Freiheitliche Deutsche Volkspartei“ aktiv. | |
Er sei einer der wenigen in dem Landesverband, sagt Szene-Beobachter | |
Burgdorf, der Reden schreiben könnte. Wenn er sie aber vor den Kameraden | |
vortrage, sei das auch für die nicht gerade mitreißend. Da ist der | |
Bundesvorsitzende und bekennende Alt-Neo-Nazi Christian Worch schon ein | |
anderes Kaliber. Der 59-Jährige, der einem großen Magazin mal erklären | |
durfte: „Warum ich ein Nazi bin“, postete auf Facebook den Grund für die | |
Kandidatur seiner Partei in Sachsen-Anhalt: „Unser nächstes strategisches | |
Ziel ist es, in den Genuss der Staatsfinanzierung zu kommen.“ | |
Die Aussichten, dies zu erreichen, sind nicht gerade besser geworden, seit | |
Facebook Mitte Januar Seiten der Partei „Die Rechte“ wegen allzu viel Hass | |
gegen Flüchtlinge gesperrt hat. Betroffen davon ist auch die Seite des | |
Landesverbands Sachsen-Anhalt. Die schnitt mit ihren 1.400 Followern im | |
Vergleich der Landesparteien erschreckend stark ab. „Die Rechte“ stand da | |
an sechster Stelle hinter der CDU – aber noch vor der SPD. | |
27 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.sachsen-anhalt-waehlt.de/fileadmin/LTW2016/Wahlprogramme/wahlpro… | |
[2] http://www.derfluegel.de/ | |
[3] http://www.ratsinfo-online.de/blk-bi/kp020.asp?KPLFDNR=293 | |
[4] http://einprozent.de/ | |
[5] http://www.miteinander-ev.de/index.php | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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