Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Finnische Bürgerwehr gegen Rassisten: Die freundlichen Schwestern
> Die „Kyllikin siskot“ verteilen Umarmungen gegen das Gefühl von
> Unsicherheit. Sie wollen ein Gegengewicht zu rassistischen Bürgerwehren
> schaffen.
Bild: Dieser Polizist wirkt, als könnte er ein paar „free hugs“ vertragen:…
Stockholm taz | „Ich dachte mir einfach: So kann es doch nicht
weitergehen“, erzählt Niina Ruuskanen. Frustriert sei sie gewesen über das
Bild, das Finnland bot und das vor allem in den Medien verbreitet wurde.
Gerade zum Thema Flüchtlinge. Da sei eine Atmosphäre geschaffen worden „die
Kreativität und Veränderung abwürgt und nur dazu führt, dass wir uns
plötzlich immer ängstlicher und unsicherer fühlen“.
Der sprichwörtliche Tropfen, der für sie dann das Fass zum Überlaufen
gebracht habe, sei die [1][selbsternannte Bürgerwehr] der [2][“Soldiers of
Odin“] gewesen. Rechtsextremisten und Rassisten, unter denen sich nach
Polizeierkenntnissen Kriminelle befinden, die schon reichlich Bekanntschaft
mit schwedischen Gardinen gemacht haben. Aber die nun vorgeben, die
finnischen MitbürgerInnen vor Gefahren, die angeblich von Asylsuchenden
ausgingen, schützen zu müssen.
Vor 20 Jahren habe sie es selbst schon einmal miterlebt, wie man den
Skinheads einfach das Feld überlassen habe, empört sich Ruuskanen: „Wir
hatten Angst, abends nach Hause zu gehen. Aber es wurde nichts gegen die
unternommen.“
Das solle sich nicht wiederholen. Vielmehr hoffe sie, dass die Menschen
jetzt bereit seien, Flagge zu zeigen. Die Notwendigkeit verstünden, nicht
auszugrenzen, sondern Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit zu
demonstrieren. Zeigen, dass Finnland ein tolerantes und sicheres Land sei.
## Die Hälfte der Schwestern sind Männer
Gesagt, getan. Ruuskanen formulierte einen Facebook-Aufruf für eine etwas
andere Art von „Bürgerwehr“: Bürger, die sich gegen Vereinnahmung durch d…
Rassisten wehren wollten. „Denn wenn man nur Teil der schweigenden Mehrheit
ist, tut man dann etwas anderes, als all das passiv zu akzeptieren?“
Einen passenden Namen für ihre „Straßenpatrouille“ hatte sich Ruuskanen
auch gleich überlegt: „Kyllikin siskot“, Kyllikkis Schwestern. Und um für
Kyllikki – eine Gestalt aus dem finnischen Nationalepos „Kalevala“, eine
selbstbewusste junge Frau – Mitkämpferinnen zu finden, sei leichter
gewesen, als sie sich das vorgestellt habe.
Wobei sie allerdings nicht damit rechnete, dass rund die Hälfte der
potenziellen „Schwestern“, die sich da meldeten, Männer waren. Das beweise,
wie weitverbreitet das Gefühl der Frustration sei, gegen das man nun etwas
tun will.
Eine erste Gruppe der „Kyllikin siskot“ fand sich im ostfinnischen Joensuu
zusammen. Für die „Schwestern“ in der nordwestlichen Grenzstadt Kemi, wo es
eine große zentrale Unterkunft für Asylsuchende gibt, hatte Katja Hietala
die Initiative übernommen.
## Drohungen in sozialen Netzwerken
Freitags, spätnachmittags und abends, wenn sich viele Menschen auf den
Straßen bewegen, versuche man ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu
verbreiten, erzählt sie, biete Hilfe an, verteile Umarmungen und hoffe so
dem Gefühl von Unsicherheit etwas entgegensetzen zu können.
„Eigentlich Kleinigkeiten also“, sagt Sari, ein anderes Mitglied der
„Kyllikin siskot“: „Aber auch kleine Bäche haben ja das Zeug zu einem
Fluss.“ Vor allem wolle man demonstrieren, dass man sich niemandem
gegenüber misstrauisch oder abweisend verhalten soll, nur weil man ihn
nicht kenne, er aus einem fremden Land hierhergekommen sei.
Probleme mit den „Straßenpatrouillen“ habe man bislang nicht gehabt,
berichtete der örtliche Polizeikommissar Eero Vänskä im Fernsehen. Aber in
Kemi habe es nie Vorfälle von sexueller Belästigung seitens Asylsuchender
gegeben.
Drohungen mit sexueller Gewalt haben dagegen die „Schwestern Kyllikkis“
erfahren. Sowohl ihr wie ihrer Tochter sei in sozialen Netzwerken angedroht
worden, sie zu vergewaltigen, sagt Sari: „Das kam nicht von Asylsuchenden,
sondern von finnischen Männern, denen wohl nicht passt, was wir tun.“
25 Feb 2016
## LINKS
[1] /Buergerwehren-in-Finnland/!5266411/
[2] /!5266411/
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
Bürgerwehr
Soldiers of Odin
Schwerpunkt Flucht
Kolumne Habibitus
Bürgerwehr
Kiel
Kiel
Bürgerwehr
Soldiers of Odin
Finnland
Finnland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Knuddeln in der Pandemie: Hugbefehl
Statt sich eng zu umschlingen und fest zuzudrücken, definierte sich der
Alman-Hug über weit ausgestreckte Arme. Für wen lässt man diese Lücke?
Bürgerwehr vs. Flüchtlingshelfer: Die gespaltene Gemeinde
Eine der ersten westdeutschen „Bürgerwehren“ bildete sich in Schwanewede.
Neben den Flüchtlingsgegnern gibt es aber auch Flüchtlingshelfer.
Angebliche Übergriffe auf Frauen in Kiel: „Dinge sind undramatischer“
Berichte von Übergriffen in einem Kieler Einkaufszentrum seien übertrieben,
sagt die Polizei. „Da fehlte der eine oder andere Konjunktiv.“
Belästigung von Frauen in Kiel: Ungefragt gefilmt und fotografiert
Im Sophienhof wurden drei Mädchen von rund 30 jungen Männern belästigt. Die
Polizei nahm vier Täter fest und erstattete Strafanzeige.
Problematische Bürgerwehren: Helfer, die Öl ins Feuer gießen
In Niedersachsen sind 31 Bürgerwehren gegen Flüchtlinge aktiv. Sie spielen
sich als Ordnungsmacht auf, befeuern aber die Angst vor Fremden.
Bürgerwehren in Finnland: Soldiers of Odin auf Patrouille
Durch Finnlands Städte ziehen „Bürgerwehren“. Ihre politische Orientierung
ist bekannt. Jüngst bekamen sie Besuch: von den Soldiers of Odin.
Finnischer Außenminister in Berlin: Der oberste Rechtspopulist
Timo Soini, Chef der „Wahren Finnen“, ist international isoliert. Das macht
seinen Job als Außenminister nicht gerade einfach.
Kommentar Wahre Finnen: Neonazis wittern Morgenluft
Mit der Regierungsbeteiligung der Wahren Finnen wird Rechtsradikalismus
hoffähig. Der Koalitionspartner tut so, als ginge ihn das nichts an.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.