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# taz.de -- Arabisch-deutsche Zeitung „Abwab“: Türen öffnen in der Fremde
> Es ist die erste arabisch-deutsche Flüchtlingszeitung. Die 45.000
> Exemplare waren sofort vergriffen. Wer sie liest, so die Macher, der
> integriert sich.
Bild: Chefredakteur Ramy al-Asheq hat es in die Hand genommen.
Ein Papierschiff aus Zeitungen piekst mit spitzer Bleistiftfeder in ein
Schlauchboot voller Flüchtlinge, die Luft entweicht – das ist das Titelbild
der zweiten Ausgabe von Abwab, der ersten arabischen Zeitung für
Flüchtlinge in Deutschland.
Die Karikatur, die davon erzählt, wie sehr die mediale Berichterstattung
nach den Silvesterübergriffen von Köln Geflüchteten schadet, stammt vom
syrischen Karikaturisten Hani Abbas, der heute in Genf lebt und 2015 den
UNO-Preis als „Cartoonist for peace“ gewann.
Er ist einer von mittlerweile 36 Autoren, die Chefredakteur Ramy al-Asheq
aus seinem Netzwerk von syrischen Künstlern und Aktivisten rekrutiert hat,
„das einzig Gute, das von der syrischen Revolution geblieben ist“, sagt er.
Viele von ihnen hat er erst in Deutschland kennengelernt. Etwa Fady Jomar,
Poet und Opernlibrettist aus Damaskus, der in einer Erstaufnahme bei
Gummersbach auf dem Land lebt und über das seltsame Gefühl schreibt, wie
ein kleiner Junge wieder in deutschen Sprachunterricht zu gehen.
## Feminismus als Rubrik
Aufsehen erregt in der aktuellen Ausgabe aber vor allem die syrische
Feministin und Autorin Khawla Dunia, die in einem Flüchtlingsheim bei
Dortmund lebt. Sie schreibt in ihrem ins Deutsche übersetzten Artikel über
die „orientalische Belästigungskultur“ und darüber, wie fundamental sie
durch Gesetze bekämpft werden müsste.
Wie wichtig al-Asheq die Frauenfrage ist, sieht man auch daran, dass er
bereits in Jordanien mit einer Freundin eine feministische Zeitung gründet
hat. „Feminismus“ heißt in Abwab eine der Rubriken.
Vor einem Jahr floh der syrisch-palästinensische Schriftsteller und
Journalist al-Asheq (auch für die taz hat er schon geschrieben) nach Köln.
Ein Heinrich-Böll-Stipendium für verfolgte Autoren ermöglichte ihm den
vergleichsweise bequemen Flug, eine deutsche Familie nahm ihn auf. Als er
ihnen danken wollte, sagten sie: „Wir haben dir nur eine Tür geöffnet.“
Daher hat er seine Zeitung Abwab, „Türen“ genannt.
Und daher erscheinen in der 24-seitigen Zeitung, halbrheinisches Format,
dünnes Papier, stets mindestens zwei Seiten auf Deutsch. In zwei Wochen
soll zudem eine arabisch-deutsche Webseite online gehen. Heute lebt der
26-jährige in einer Hochhaussiedlung, weit draußen in Köln-Meschenich in
einer Einzimmerwohnung mit Orientteppich und großem Tisch, sein Bett direkt
daneben: die Schaltzentrale der Redaktion.
## Tips für den Ämterdschungel
„Mir kommt es auf Verständigung an zwischen deutscher und arabischer
Kultur“, sagt er, „wie sehen wir uns gegenseitig, wie kommen wir uns
näher?“ So wird über Silvester ebenso diskutiert wie über die
Neuveröffentlichung von „Mein Kampf“, über die Gründung eines
Flüchtlingsorchesters wie über deutsche Milchprodukte, die arabischen
nahekommen. Einige Seiten sind stets Flüchtlingsschicksalen, kulturellen
Themen und Tipps zur Bewältigung des Ämterdschungels gewidmet.
Die Idee zu Abwab hatte der Deutschtürke Necati Dutar, der in Offenbach
seit zehn Jahren NHD-Consulting, eine Firma für Ethnomarketing, betreibt.
Ihr Partner ist die Firma Stranieri („Fremde“) in Rom, die schon lange mit
Zeitungen für Migrantengruppen Geld verdient. Zwei Kunden sprachen Dutar
an, die nun Hauptsponsoren sind: Moneygram und O.Tel – vor allem
Geldtransfer und Mobilfunk profitieren von Flüchtlingsströmen. Sie
garantieren für sechs Monate ganzseitige Anzeigen und finanzieren so den
Druck.
## Anzeigenkunden
Die ersten 45.000 Exemplare von Abwab waren sofort vergriffen. Täglich
erreichen Dutar neue Anfragen vom Roten Kreuz oder aus Flüchtlingsheimen,
die Auflage wird nun leicht erhöht. Honorare erhalten die Autoren bisher
nicht, doch die Anzeigenlage erscheint vielversprechend, Krankenkassen und
Bundesämter wollen inserieren, auch das BaMF nutzt Abwab als
Kommunikationsplattform.
Trotzdem soll die Zeitung redaktionell unabhängig agieren. „Ich hatte die
Idee, die Kollegen aus Italien haben den Chefredakteur gefunden, und in
einem Monat haben wir sie auf die Beine gestellt“, sagt Dutar nicht ohne
Stolz.
Kann eine arabische Zeitung wirklich zur Integration beitragen? Dutar,
selbst Einwanderkind der zweiten Generation, ist überzeugt: „Jemand, der
liest, in welcher Sprache auch immer, wird nie ein Integrationsproblem
haben.“
16 Feb 2016
## AUTOREN
Dorothea Marcus
## TAGS
Flüchtlinge
Integration
Zeitung
arabisch
Flüchtlinge
Schwerpunkt Flucht
Schwerpunkt Flucht
Flüchtlinge
Schwerpunkt Syrien
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