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# taz.de -- „Cameo Magazin“ kommt nach Hannover: Flüchtlinge zu Brieffreun…
> Das Cameo Kollektiv will Flüchtlingen eine Stimme geben. Zwei Magazine
> sind schon erschienen. Das dritte braucht noch Mitstreiter – Geflüchtete
> und Einheimische.
Bild: Redaktionskonferenz im Hotel: das Cameo Kollektiv
HANNOVER taz | Sie wollen Menschen aus ihrer Komfortzone locken, für
Teilhabe sorgen, den Austausch pushen: Unermüdlich versucht die bundesweit
vernetzte Gruppe „Cameo Kollektiv“, über Ausstellungen, Workshops und ein
Printmagazin Flüchtlinge und Einheimische zusammenzubringen. Begonnen hat
alles vor drei Jahren. Da haben sich sieben Studenten, Fotografen, Grafik-
und Ausstellungsdesigner – Medienmenschen in den Endzwanzigern –
zusammengefunden, um Flüchtlingen ein Forum zu bieten und Brücken zu bauen.
„Wir kennen kein Medium, das dies zulässt, das es sich leisten kann, die
Meinungen aufeinander treffen zu lassen. Da gibt es viel Nachholbedarf“,
sagen Sebastian Cunitz und Julius Matuschik. Beide studieren
Dokumentarfotografie an der Hochschule Hannover und wollen helfen, etwas
Neues auszuprobieren. Flüchtlingen das ungefilterte, direkte Sprechen über
ihre Erfahrungen in Deutschland zu ermöglichen. Ungewöhnliche Porträtfotos
mit handgeschriebenen Briefen, Berichten, Gedichten zu kombinieren. Das
dann zu drucken oder auszustellen.
Und es hat funktioniert: 2015 hat das Cameo Kollektiv in Leipzig die
Ausstellung „Gedanken über Gastfreundschaft“ gezeigt. Porträts von
Flüchtlingen stehen da neben Zitaten wie: „Ich hätte niemals gedacht, je an
diesen Punkt zu kommen, nicht nach draußen zu gehen – nicht einmal für
einen Kaffee.“
Für Hildesheim wiederum konzipierte das Kollektiv im selben Jahr die Schau
„Grenzenlose Geschichten“ über Einwanderer, ihre Motive und
Deutschland-Erfahrungen. Und das Magazin Spiegel Wissenveröffentlichte die
von Cameo-Mitgliedern erstellte Fotostrecke „Muslimische Gebetsräume und
Moscheen in Deutschland“. Zudem hängen Fotos aus den ersten beiden
Magazinen zurzeit in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Berlin.
Dem Kollektiv ist allerdings nicht nur das Endprodukt wichtig, sondern auch
der Prozess. Ihn dokumentieren sie in ihrem schon zweimal erschienenen
[1][Cameo Magazin]. Hotel Aachen hieß dessen erste Nummer. Thema waren
minderjährige Flüchtlinge, die darauf warteten, dass ihnen eine geeignete
Unterkunft zugewiesen wurde.
Gekommen waren sie mit dem zwischen Paris und Köln pendelnden Thalys-Zug,
den viele Flüchtlinge nutzen. Da die Minderjährigen unter ihnen aber gleich
hinter der Grenze – in Aachen – festgehalten werden, sind die dortigen
Unterkünfte für minderjährige Flüchtlinge inzwischen überfüllt, sodass man
auf Hotels ausweicht.
Um diesem Vorgang nachzuspüren, hat das Cameo Kollektiv einen Monat lang
mit den Flüchtlingen gemeinsam in dem Hotel gelebt. Hier entstand die Idee,
Kommunikationsbarrieren mit Briefen zu überwinden. Die Flüchtlinge
schrieben über Gastfreundschaft und Gast-Sein, und daraus entstand das
erste Cameo Magazin.
Dessen zweite Ausgabe wirkt dagegen zunächst fast beschaulich. Sie widmet
sich dem einstigen bayerischen Benediktinerkloster Weingarten, in dessen
Gästehaus heute erwachsene Flüchtlinge aus Kamerun, Nigeria und Eritrea
leben. Auch sie schreiben Briefe, erzählen von Flucht, Ankunft. Von
widersprüchlichen Gefühlen, von Dankbarkeit und Angst. Auf den Magazinfotos
sind ihre Gesichter verdeckt – durch eine Pflanze, einen Ball, einen
Tischtennisschläger. So fühlten diese Menschen, denn draußen auf der Straße
sah ihnen niemand ins Gesicht.
Doch dabei bleibt es nicht, das nächste Heft ist schon in Arbeit. Es soll
in Hannover, dem Wohnort der meisten Cameo-Mitglieder spielen Ankommen in
Hannover heißen und niedrigschwellige Partizipation erlauben. Deshalb
möchten sich die Mitglieder künftig nicht mehr informell in wechselnden
Cafés treffen, sondern in einem festen, zentral gelegenen Raum, in den
jeder einfach reinkommen kann. Und natürlich werden sie mit Computern
arbeiten. Trotzdem wollen sie mit der quasi öffentlichen Produktion des
neuen Printmagazins bewusst analog bleiben und zum ganz physischen
„Reinstolpern“ zu verleiten.
Bis zu 30 Mitstreiter – egal, ob geflüchtet oder einheimisch – sucht das
Kollektiv ab sofort für die dreimonatige Produktionsphase. Sie wird
beginnen, sobald genug Geld akquiriert ist – wohl noch in diesem Jahr. Und
damit die Neuen nicht ganz unbedarft da herangehen, bekommen sie in
Workshops Grundlagen journalistischen Arbeitens und des Medienrechts
erklärt.
Aus dem Sudan ist diesmal der 42-jährige Mediziner Saeed Maissara dabei. Er
kam 2010 als politischer Flüchtling nach Deutschland und wundert sich über
die Kluft zwischen der abweisenden Bürokratie und der privaten
Hilfsbereitschaft. „Ich kann den politischen Standpunkt verstehen“, sagt
er. „Aber mir geht es um Gefühle.“ Für das Cameo Magazinwill er über sei…
Erfahrungen, über Menschenrechte und seine Heimat schreiben.
Aber nicht nur im Arbeitsstil, sondern auch in der Finanzierung wird sich
das dritte Cameo Magazin von den vorigen unterscheiden: Nicht mehr
Crowdfunding, sondern städtische und institutionelle Fördermittel will das
Kollektiv jetzt einwerben. Ein gemeinnütziger Verein ist bereits gegründet,
und den Aufbau von Netzwerken fördert die Stadt Hannover derzeit durch ein
„Recherche-Stipendium“. Und wenn das neue Heft dann fertig ist, bekommen
alle, die mitgemacht haben, ein Zertifikat. Es könnte beim Bewerben helfen.
Und dabei, wirklich anzukommen.
21 Mar 2016
## LINKS
[1] http://www.cameo-kollektiv.de/magazin-3
## AUTOREN
Beate Barrein
## TAGS
Flüchtlinge
Magazin
Hannover
Flüchtlinge
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