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# taz.de -- Kommentar Feuerpause in Syrien: Ein Deal und seine Hürden
> Bald sollen die Waffen schweigen, doch vorerst wird weiter getötet: Alle
> Konfliktparteien wollen aus einer Position der Stärke verhandeln.
Bild: Straßenszene aus Aleppo
Ist die Vereinbarung von München ein „Game Changer“, eine grundsätzliche
Wende im Syrienkrieg? Oder ist sie das Papier nicht wert, auf dem sie
geschrieben steht? Diese Frage kann derzeit niemand beantworten.
US-Außenminister John Kerry, sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow
sowie die Syrien-Kontaktgruppe haben sich drauf geeinigt, sofort mit der
Lieferung von humanitärer Hilfe in die belagerten Orte zu beginnen.
Innerhalb einer Woche soll eine Feuerpause durchgesetzt, dann sollen die
Syrien-Verhandlungen in Genf wieder aufgenommen werden. Dieses Ende der
Kampfhandlungen betrifft aber nicht den Krieg gegen den IS und die
Al-Kaida-nahe Nusra-Front.
Das klingt hoffnungsvoll und ambitioniert. Die erste Hürde wird allerdings
sein, die syrischen Kriegsparteien von diesem Deal zu überzeugen; die
zweite, zu sehen, ob das Assad-Regime und Russland der Versuchung
widerstehen, die militärische Oberhand, die sie rund um Aleppo gewonnen
haben, nicht noch mehr bis zu einem Waffenstillstand auszubauen; und die
dritte, die Rebellen davon zu überzeugen, ihre Position der Schwäche
einzufrieren, von der aus sie dann an den Verhandlungstisch zurückkehren
müssen.
Dem Deal vorausgegangen war eine Veränderung des Kräfteverhältnisses – und
die trägt die Zahl 510. Fünfhundertzehnmal hat die russische Luftwaffe nach
eigenen Angaben in einer einzigen Woche Einsätze geflogen. Damit sahen das
Assad-Regime, die Hisbollah und die iranischen Unterstützer, sich auf der
Siegerstraße. Sie stehen kurz davor, die Nachschubwege der Rebellen in
Aleppo vollständig abzuschneiden.
## Kein militärischer Sieger
Doch auch wenn sich das Kräfteverhältnis rund um Aleppo verschoben hat,
gilt weiterhin das Grundprinzip, dass es in Syrien keinen militärischen
Sieger geben wird. Die Schlacht um Aleppo ist auch für das Regime kein
Spaziergang, und die russische Luftwaffe kann nicht eine ganze Stadt vor
den Augen der Welt in Schutt und Asche legen.
Letztendlich geht es dem Regime und seinen Unterstützern darum, ihre
Verhandlungsposition zu verbessern. Das Problem mit dieser Strategie wird
sein, dass genau das der Wiederaufnahme von Verhandlungen entgegensteht: je
mehr Assad seine Verhandlungsposition verbessert, umso so
unwahrscheinlicher wird es sein, dass Syriens Opposition an den
Verhandlungstisch zurückkehrt.
Scheitert der Deal von München, dann stehen die Zeichen auf Eskalation.
Schon sprechen Saudi-Arabien und die Arabischen Emirate davon, Truppen nach
Syrien schicken zu wollen. Jeder weiß, dass sie das nicht im großen Stil
machen können, da sie schon im Jemen in einen Krieg ohne Exit-Strategie
verstrickt sind. Aber auch hier geht es nicht darum, das militärische Ruder
herumzureißen: Wer Morgen am Verhandlungstisch über die Zukunft Syriens
mitreden möchte, der muss heute militärisch Präsenz zeigen. Russland und
der Iran haben das schließlich vorgelebt.
Die Türkei fährt eine andere Mitmach-Strategie. Das NATO-Mitglied spricht
jetzt wieder von einer möglichen Flugverbotszone an der syrisch-türkischen
Grenze, um für die internen syrischen Flüchtlinge eine sichere Pufferzone
zu schaffen. Es ist eine Logik, der sich Europa immer schwerer wird
entziehen können, wenn die Krieg weitergeht. Denn jeder weiß, dass die
europäische Forderung an die Türkei, die Grenze zu Syrien für die
Flüchtlinge zu öffnen und gleichzeitig die nach Europa zu schließen, im
Bereich Realitätsverlust anzusiedeln ist.
München ist ungeduldiges Papier. Alle Kriegsparteien sitzen jetzt an ihren
Rechenschiebern und kalkulieren, was für sie unter dem Strich herauskommt.
Was verspricht mehr für spätere Verhandlungen: Noch mehr Krieg und noch
mehr Tote? Oder das Einfrieren des Status-quo? Spätestens in einer Woche,
wenn der Waffenstillstand stehen soll, wissen wir, was bei diesem zynischen
Tippspiel herausgekommen ist.
12 Feb 2016
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
USA
Russland
Schwerpunkt Syrien
Syrischer Bürgerkrieg
Krieg
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