# taz.de -- Einigung zu Syrien in München: Feuerpause als Ziel | |
> Die Syrien-Kontaktgruppe in München strebt eine baldige Feuerpause an. Ob | |
> sich diese tatsächlich umsetzen lässt, ist allerdings mehr als fraglich. | |
Bild: Wirken bestenfalls verhalten optimistisch: Sergej Lawrow (l.), John Kerry… | |
München dpa | Manchmal ist schon der Teilnehmerkreis einer Pressekonferenz | |
eine wichtige politische Botschaft. Als die Außenminister der USA und | |
Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, in der Nacht zum Freitag in einem | |
Münchner Luxushotel vor die rund 100 seit Stunden wartenden Journalisten | |
treten, ist klar: Es gibt wieder Hoffnung auf Frieden in Syrien. | |
Kerry leitet sein Statement zwar mit Vorwürfen an das Regime von Präsident | |
Baschar al-Assad und seine Helfer ein – ohne Russland zu nennen. Dann | |
stellte er aber einen Plan vor, der den noch jungen Friedensprozess retten | |
soll. „Ich glaube, wir haben Fortschritte gemacht“, sagt er vorsichtig. | |
Nach den ernüchternden, teils schockierenden Ereignissen der vergangenen | |
beiden Wochen war das kaum zu erwarten. Die syrische Armee war nördlich von | |
Aleppo flankiert von russischen Luftangriffen vorgerückt. Mindestens 500 | |
Menschen sollen bei der Offensive getötet worden sein, Zehntausende sind | |
auf der Flucht. | |
Die Friedensgespräche zwischen Assads Regime und der Opposition in Genf | |
wurden nach nur wenigen Tagen abgebrochen. Die Amerikaner warfen den Russen | |
vor, den noch jungen Friedensprozess zu sabotieren. Trotzdem haben sich | |
beide nun in München geeinigt, schon am Freitag eine Arbeitsgruppe für die | |
Umsetzung der Waffenruhe in Syrien bilden. Diplomaten und Militärvertreter | |
beider Seiten würden sich erstmals in Genf treffen und dann regelmäßig | |
tagen. | |
## Feuerpause“ statt „Waffenstillstand“ | |
In München wurde auch ein Plan mit drei Punkten vorgestellt: | |
– Die Gewalt in Syrien soll sofort deutlich eingedämmt werden. Innerhalb | |
einer Woche soll eine „Feuerpause“ erzielt werden. Dieser Begriff wurde mit | |
Bedacht gewählt. Pause bedeutet, dass die Waffen nicht unbedingt dauerhaft | |
schweigen sollen. In einen solchen „Waffenstillstand“ will die syrische | |
Opposition erst einwilligen, wenn Assad nicht mehr an der Macht ist. | |
Außerdem soll der Kampf gegen die Terrororganisationen Islamischer Staat | |
und al-Nusra ausgenommen werden. Kontrolliert werden soll der Prozess von | |
einer Arbeitsgruppe unter Leitung der USA und Russlands. | |
– Die humanitäre Hilfe für belagerte Gebiete soll sofort ermöglicht werden. | |
In der Münchner Erklärung werden die Orte genannt, zu denen Hilfskonvois | |
Zugang erhalten sollen. | |
– Der politische Prozess zur Bildung einer Übergangsregierung soll so bald | |
wie möglich wieder aufgenommen werden. Über das Ziel dieses Prozesses | |
besteht aber weiterhin keine Einigkeit. Der Westen will Assad loswerden, | |
Russland steht ihm weiter zur Seite. | |
## Was ist das Papier wert? | |
Trotzdem ist der Rettungsversuch für die Friedensgespräche nun zunächst | |
einmal geglückt. Auf dem Papier ist die Vereinbarung von München ein | |
deutlicher Fortschritt. Aber was ist dieses Papier wert? | |
Die Ukraine-Krise hat gezeigt, wie schwer Vereinbarungen über Feuerpausen | |
umsetzbar sind. Der Minsker Friedensplan, der unter Vermittlung Merkels | |
zustande kam, wird an diesem Freitag ein Jahr alt. Die Bilanz ist | |
ernüchternd. In der Ostukraine gibt es immer noch Kämpfe zwischen | |
Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. Wo eigentlich längst eine | |
entmilitarisierte Zone sein sollte, stehen nach wie vor schwere Waffen. | |
Und der Syrienkonflikt ist noch deutlich komplizierter. Russland und die | |
USA, Iran und Saudi-Arabien, die Türkei – alle verfolgen ihre eigene | |
Agenda. Allerdings scheint auch Russland eingesehen zu haben, dass es in | |
dem Bürgerkrieg keinen militärischen Sieger geben wird. Andernfalls würde | |
es Verhandlungen wie im November in Wien und jetzt in München gar nicht | |
geben. | |
Überzeugt von einem Erfolg ihrer Vereinbarung wirken Kerry und Lawrow auf | |
der Pressekonferenz nicht. Die beiden würdigen sich kaum ein Blickes. „Die | |
eigentliche Bewährungsprobe wird sein, ob sich alle Mitglieder der Gruppe | |
in der Realität an die Verpflichtungen halten“, sagt Kerry. Und Lawrow | |
meint: „Das ist eine komplizierte Aufgabe. Es gibt zu viele Kräfte, die an | |
militärischen Aktivitäten beteiligt sind.“ | |
## Verhandlungen als einziger Ausweg | |
Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier wollte die Einigung nicht | |
zu überschwänglich kommentieren. „Wir kennen die Erfahrungen der | |
Vergangenheit, deshalb spreche ich heute nicht von einem Durchbruch.“ Eine | |
Alternative gibt es aber nicht. | |
Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew, der am Samstag auf der | |
Münchner Sicherheitskonferenz reden wird, machte das in einem am Donnerstag | |
veröffentlichten Handelsblatt-Interview mit drastischen Worten deutlich. | |
Angesichts der vielen verschiedenen Kriegsparteien seien Verhandlungen der | |
einzige Ausweg, sagte er: „Alle Seiten müssten gezwungen werden, am | |
Verhandlungstisch Platz zu nehmen, anstatt einen neuen Weltkrieg | |
auszulösen“, mahnte er. | |
Der Weg für Gespräche ist jetzt wieder eröffnet – mehr aber noch nicht. | |
12 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Michael Fischer | |
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