# taz.de -- Russische Oppositionelle in der Ukraine: Statt Asyl droht die Ausli… | |
> Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die ins Nachbarland | |
> fliehen, bleiben oft ohne Schutz. Denn Russland sei ein Rechtsstaat. | |
Bild: Tut kaum etwas für russische Oppositionelle in seinem Land: der ukrainis… | |
KIEW taz | „Hört auf meinen Rat“, wendet sich der russische Asylbewerber | |
Pjotr Ljubtschenko aus dem südukrainischen Odessa an die russische | |
Opposition. „Wenn ihr aus Russland rauswollt, kommt auf keinen Fall in die | |
Ukraine. Hier seid ihr nicht sicher.“ | |
Ljubtschenko wird in Russland unter anderem vorgeworfen, eine Demonstration | |
für mehr Autonomie im Kuban-Gebiet im russischen Nordkaukasus | |
mitorganisiert zu haben. Seit seiner Flucht aus Russland im Juni 2014 lebt | |
er in der Ukraine. Seine Mitstreiterin, Darja Poljudowa, die in Russland | |
geblieben war, hatte weniger Glück. Sie wurde im Dezember zu zwei Jahren | |
Lager verurteilt. | |
Nun fürchtet der Psychologe, der in Russland die Maidan-Bewegung | |
unterstützt hatte, eine Auslieferung nach Russland. Die Migrationsbehörden | |
von Odessa hatten seinen Asylantrag abgelehnt. In Russland, einem | |
demokratischen Rechtsstaat, hätte der Kläger keine Gefahren für Leib oder | |
Leben zu befürchten, hatten Mitarbeiterinnen der Migrationsbehörde im | |
Februar 2015 vor Gericht ihren ablehnenden Bescheid begründet. | |
Das Gericht sah dies anders und forderte die Behörde auf, den Asylantrag | |
erneut zu prüfen. „Und diese Prüfung zieht sich nun schon fast ein Jahr | |
hin“, berichtet Ljubtschenko der taz. Vor einigen Wochen habe Russland ein | |
Auslieferungsgesuch gestellt. Nun könne man ihn jederzeit in | |
Auslieferungshaft nehmen. | |
## Nur neun positive Bescheide | |
Ljubtschenko ist nicht der einzige russische Oppositionelle, der in die | |
Ukraine geflohen ist. 2014 hatten 130 russische Staatsbürger Asyl in der | |
Ukraine beantragt, 2015 wurden 86 Asylanträge gestellt. Doch nur insgesamt | |
neun Anträge waren positiv beschieden worden. | |
Wie dringend Asyl für viele der 143.000 in der Ukraine lebenden russischen | |
Staatsbürger ist, zeigt auch der Fall eines Angestellten der | |
Migrationsbehörde, der einem Kollegen 5.000 Dollar an Bestechungsgeldern | |
bezahlt hatte, damit dieser einen russischen Staatsbürger als Flüchtling | |
anerkennt. Nun drohen dem Beamten acht Jahre Haft wegen Bestechung. | |
Auch Olga Kurnosowa aus St. Petersburg, die auf Aktionen der russischen | |
Opposition immer wieder „In Kiew sind unsere Brüder, in Moskau ist die | |
Junta“ skandiert hatte, weiß nicht, wie es mit ihrem Aufenthaltsstatus | |
weitergehen wird. Nach mehrfachen Besuchen von der Polizei und | |
Hausdurchsuchungen war die Mitbegründerin des „Solidaritätskomitees Maidan�… | |
2015 nach Kiew geflohen. So wie Ljubtschenko müsse sie sich von | |
ukrainischen Migrationsbeamten sagen lassen, dass Russland ein | |
demokratischer Rechtsstaat sei, so Kurnosowa zur taz. | |
„Das russisch-ukrainische Auslieferungsabkommen ist nach wie vor gültig. | |
Bei einer Auslieferung müssen die Behörden nicht einmal Interpol | |
einschalten“, sagt Pjotr Ljubtschenko. | |
## Genfer Flüchtlingskonvention verletzt | |
Auch die Migrationsbeauftragte der russischen Menschenrechtsorganisation | |
„Memorial“, Swetlana Gannuschkina, ist besorgt. Die Ukraine habe auch nach | |
dem Sturz von Wiktor Janukowitsch, zwischen März und Dezember 2014, zwanzig | |
Personen an Russland ausgeliefert. Eine Auslieferung nach Russland, so | |
Gannuschkina, wo es keine unabhängigen Gerichte gebe und Folter praktiziert | |
werde, sei eine Verletzung der Genfer Flüchtlingskonvention. | |
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der sich am Montag dieser | |
Woche zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin traf, hatte | |
mehrfach eine Liberalisierung der Asylgesetzgebung für russische | |
Oppositionelle versprochen. Doch derzeit ist nichts dergleichen in Sicht. | |
2 Feb 2016 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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