# taz.de -- Nachruf auf Andreas Buro: Ein streitbarer Pazifist | |
> Im Alter von 87 Jahren ist der Politikwissenschaftler Andreas Buro | |
> gestorben. Er war vor allem als Friedensaktivist bekannt. | |
Bild: Politikwissenschaftler, Friedensaktivist und Bürgerrechtler: Andreas Bur… | |
BERLIN taz | Kurz vor Weihnachten meldete er sich noch einmal zu Wort. | |
Todkrank, aber mit ungebrochener Zuversicht schrieb Andreas Buro seinen | |
FreundInnen und MitstreiterInnen „diesen letzten Kommentar“: über die | |
„Friedenslogik, die die Kriegslogik infrage stellt“. Daran glaubte er | |
unerschütterlich. Trotz alledem. „Ein großer Prozess des Umdenkens und der | |
Umorientierung ist im Gange, vielfältig, spannend, Mut fordernd und | |
Ausdauer“, war der große alte Mann der Friedensbewegung überzeugt. | |
„Großartig, dabei zu sein!“ Am vergangenen Dienstag ist er seinem | |
Krebsleiden erlegen. | |
„Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen“, | |
schrieb einst Albert Camus. Für Buro gilt das sicherlich. Angefangen von | |
der Kampagne „Kampf dem Atomtod“ Ende der 1950er Jahre kamen und gingen die | |
Bewegungen. Der gebürtige Berliner, geprägt von seinen jugendlichen | |
Erfahrungen während der NS-Zeit und als Flakhelfer in der Endphase des | |
Zweiten Weltkriegs, war stets dabei. Er hat alle Höhen und Tiefen | |
miterlebt, doch nie verzagt. Dabei zeichnete er sich durch seine ruhige, | |
stets freundliche Art aus. | |
So gehörte Buro auch zu jenen FriedensfreundInnen, die sich 1960 am ersten | |
Ostermarsch in der Bundesrepublik beteiligten. „Das Unternehmen wurde von | |
Ost und West, links und rechts mit Häme und Spott überschüttet“, erinnerte | |
er sich vor ein paar Jahren. „Naive Sektierer“ und „idealistische Spinner… | |
seien noch die freundlichsten Bezeichnungen gewesen. | |
Später war er aktiv beteiligt an der Kampagne „Enteignet Springer“ sowie an | |
den Protestbewegungen gegen den Vietnamkrieg der USA und die Besetzung der | |
Tschechoslowakei durch Truppen der Warschauer Paktorganisation im August | |
1968. Nach dem Zerfall der Ostermarschbewegung und der APO gehörte Buro | |
1969 zu den Mitbegründern des Sozialistischen Büros und der Zeitschrift | |
links, eines der wichtigsten Foren undogmatisch-linker Debatte in den | |
1970er Jahren. | |
1972 gehörte er zu den Mitveranstaltern des Frankfurter | |
Solidaritätskongress für die in den USA von der Todesstrafe bedrohte | |
schwarze Bürgerrechtlerin Angela Davis, ab 1973 beteiligte er sich an der | |
Chile-Solidarität gegen den Militärputsch und 1978 war er einer der | |
Sprecher des 3. Internationalen Russell-Tribunals über die Lage der | |
Menschenrechte in der BRD. 1980 gehörte der bekennende Parteienskeptiker zu | |
den Mitgründern des bis heute bestehenden Komitees für Grundrechte und | |
Demokratie. | |
## Kooperation und Dialog | |
Selbstverständlich war Buro in den 1980er Jahren stark in der großen | |
Friedensbewegung gegen die Nato-Nachrüstung engagiert, beteiligte sich | |
unter anderem an gewaltfreien Blockaden am Raketen-Stationierungsort | |
Mutlangen und wurde deshalb wegen Nötigung verurteilt. Dass der Vater von | |
vier Kindern, der den Tod von zwei Ehefrauen zu verwinden hatte, sich auch | |
in den folgenden Jahrzehnten treu blieb, zeigten seine Proteste gegen den | |
völkerrechtswidrigen Jugoslawien-Krieg ebenso wie gegen die Kriege in | |
Afghanistan und Irak. | |
Buro war sich sicher, dass schwerwiegende Probleme militärisch nicht gelöst | |
werden können: „Weder der Klimawandel noch die Armutssituation auch in den | |
entwickelten Industrieländern; weder die Energieversorgung noch die | |
ökologisch-effiziente Ressourcennutzung; weder die Sicherheitslage im | |
engeren Sinne noch der Abbau ideologischer Feindbilder. Und schon gar nicht | |
das Wettrüsten.“ | |
Sein Credo: Konkurrenz und Konfrontation müssen durch Kooperation und | |
Dialog ersetzt werden. Dabei gehe die von ihm propagierte zivile | |
Konfliktbearbeitung „nicht von einem naiven, idealisierenden Menschenbild | |
aus“, setze aber „auf die Lernfähigkeit von Menschen zugunsten eigener | |
Lebensgestaltung und Überlebensinteressen“. | |
## Nestor der Friedensbewegung | |
Die Jury des Göttinger Friedenspreises, der ihm 2013 verliehen wurde, | |
bezeichnete Buro als „Nestor der Friedensbewegung“. Tatsächlich war der | |
Politikprofessor, der bis zu seiner Emeritierung internationale Politik an | |
der Frankfurter Uni lehrte, einer der einflussreichsten Vertreter der | |
westeuropäischen Friedens-, Menschen- und Bürgerrechtsbewegung. | |
„Es gibt neben Buro kaum eine zweite Persönlichkeit in der Bundesrepublik, | |
die die zahlreichen außerparlamentarischen Bewegungen und Organisationen | |
seit Ende der 50er Jahre so entscheidend geprägt hat“, schrieb Andreas | |
Zumach 1993 in der taz. | |
Mit der taz verband Buro ein langes wie kritisches Verhältnis. Er war | |
Interviewpartner, Gastautor – und vor allem engagierter | |
Leserbriefschreiber. Der erste Leserbrief, der sich im Archiv findet, | |
datiert vom Oktober 1989, der letzte vom Juni 2015. Häufig ging es um die | |
Berichterstattung über die Friedensbewegung. „Schon lange“ frage er sich, | |
schrieb Buro im März vergangenen Jahres, „warum die taz sich meist so | |
abweisend gegenüber der realen Friedensbewegung verhält, statt diese | |
konstruktiv-kritisch zu begleiten“. | |
„Es gibt einen Widerspruch zwischen Menschenwürde und Herrschaft, | |
Demokratie und Gewalt, Frieden und Krieg“ – davon war der unabhängige | |
Sozialist und basisorientierte Radikaldemokrat überzeugt. Seine 2011 | |
erschienenen „Lebenserinnerungen eines streitbaren Pazifisten“ tragen den | |
programmatischen Titel: „Gewaltlos gegen Krieg“. Darin formuliert er sein | |
Lebensmotto des Nichtaufgebens – „im Sinne von Gramscis Pessimismus des | |
Wissens und des Optimismus des Handelns“. | |
Andreas Buro ist in seinem Haus in Grävenwiesbach im Taunus im Kreise | |
seiner Familie friedlich eingeschlafen. Er wurde 87 Jahre alt. | |
20 Jan 2016 | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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