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# taz.de -- Italien im Clinch mit Brüssel: Renzi provoziert EU-Kollegen
> Der Ton zwischen Rom und Brüssel wird ruppiger. Nicht nur die
> haushaltspolitischen Vorgaben der Kommission machen den Regierungschef
> mürrisch.
Bild: Wie jetzt? Italiens Regierungschef Matteo Renzi.
Rom taz | Zwischen EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker und dem
Ministerpräsidenten Italiens, Matteo Renzi, fliegen die Fetzen. Am
Wochenende erreichte der Konflikt zwischen der italienischen Regierung und
der Kommission eine neue Eskalationsstufe, und mittlerweile schlagen beide
Seiten Töne an, die kaum noch „diplomatisch“ zu nennen sind.
Den Aufschlag machte am Freitag Juncker, als er auf einer Pressekonferenz
mit den Worten vorpreschte, „der italienische Ministerpräsident, den ich
respektiere und schätze, tut unrecht damit, andauernd die Kommission zu
beleidigen“; Juncker ergänzte, er habe „die Fäuste geballt, aber ich lasse
sie in der Tasche“.
Sauer ist er darüber, dass Renzi seit Wochen einen Kurswechsel der EU bei
den haushaltspolitischen Vorgaben für die Mitgliedsstaaten fordert, und in
kaum verhohlener Polemik immer wieder erklärt, die Union müsse „nicht nur
einem Mitgliedsstaat, sondern allen 28 nützen“. Renzi gab sich
entschlossen: „Wir lassen uns nicht einschüchtern, Italien verdient
Respekt“, ließ er zunächst verlauten.
Dann legte er am Samstag mit den Worten nach: „Die Zeiten, in denen Italien
sich fernsteuern ließ, sind vorbei.“ Europa habe nur eine Zukunft, wenn es
seinen Bürgern Ideale zu bieten habe und sich nicht darauf beschränke,
immer nur in Buchhalterpose über „Null kommairgendwas“ bei den
Haushaltsdefiziten zu diskutieren. Damit ist der erste große Streitpunkt
schon benannt: die Vorgaben der Kommission für Italiens Haushaltssanierung.
## Grillo drückt
Nach den ursprünglichen Planzahlen hätte Italien im Jahr 2016 eine
Neuverschuldung von höchstens 1,4 Prozent des BIP erreichen dürfen. In
zähen Verhandlungen erreichte die Regierung, dass ihr jedoch eine
Flexibilitätsmarge von etwa 0,8 Prozent eingeräumt wurde, als Bonus für die
realisierten Reformen, um so neue Spielräume für Wachstum zu eröffnen. Doch
Italien will sich selbst weitere 0,2 Prozent konzedieren, unter dem Titel
„Ausgaben für nationale Sicherheit“ in Zeiten des Terrorismus; insgesamt
wären das 16 Milliarden Euro zusätzlich.
Doch die Streitpunkte hören hier nicht auf. Bei der Flüchtlingspolitik
besteht Italien darauf, dass ihm wie versprochen 24.000 Flüchtlinge von
anderen Ländern abgenommen werden, während bisher nur wenige Hundert
wirklich ausgereist sind.
Zugleich hat Rom große Bedenken gegen die der Türkei versprochenen drei
Milliarden Euro, die – so Renzi – vor allem Deutschland nützen. Außerdem
will Italien eine andere Ausgestaltung der Bankenunion und eine
Abschwächung der Sanktionen gegen Russland. Renzi dreht nicht zuletzt auf,
weil er verhindern will, dass auch in Italien Kräfte wie Syriza oder
Podemos Raum gewinnen.
Grund zur Sorge hat Matteo Renzi allemal. Beppe Grillos Movimento-5-Stelle
(M5S) liegt mittlerweile in den Meinungsumfragen bei 27–29 Prozent, alle
Euro-feindlichen Parteien zusammen erreichen gar knapp 50%. Ohne einen
sichtbaren Kurswechsel der EU, glaubt Italiens Regierungschef, wird sich
dieser Trend kaum umkehren lassen.
17 Jan 2016
## AUTOREN
Michael Braun
## TAGS
EU
Italien
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Italien
Beppe Grillo
Italien
Matteo Renzi
EU-Reform
Movimento 5 Stelle
Schwerpunkt Flucht
Eurozone
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