| # taz.de -- Matteo Renzi besucht Merkel: Charmant und unnachgiebig | |
| > Es bleibt dabei: Die italienische Regierung will nicht mehr sparen und | |
| > blockiert den Flüchtlingsdeal mit Ankara – zumindest vorerst. | |
| Bild: Keine Kompromisse: Renzi und Merkel im Kanzleramt. | |
| Berlin taz | Was für ein Charmeur. Da lädt Angela Merkel ihren Kollegen | |
| Matteo Renzi ins Kanzleramt, in den gräulich-protzigen Betonkasten am | |
| Spreeufer also, und nach zwei Stunden in diesem Klotz findet der | |
| italienische Ministerpräsident tatsächlich noch nette Worte für die | |
| Hauptstadtarchitektur. „Vielen Dank für die Einladung. Das ist heute schon | |
| das vierte Mal, dass ich in diesem wunderschönen Palazzo sein darf“, sagt | |
| Renzi nach seinem Gespräch mit Merkel vor Journalisten. | |
| Das gibt es also auch noch: Freundliche Töne der italienischen Regierung in | |
| Richtung Norden. Dabei sorgt Renzi in den vergangen Wochen vor allem mit | |
| Kritik an Brüssel und Berlin für Aufsehen. Italien fühlt sich von Europa | |
| ungerecht behandelt, und trotz der wohlwollenden Architekturkritik: Auch | |
| nach dem Gespräch mit Merkel hat sich daran nichts Grundlegendes geändert. | |
| Die Konfliktlage ist kompliziert. Unter anderem geht es um den | |
| Flüchtlingsdeal zwischen EU und Türkei: Europa soll bekanntlich drei | |
| Milliarden Euro nach Ankara überweisen, damit die Türkei ihre Seegrenze in | |
| Richtung Griechenland dicht macht. Bislang scheitert der Plan aber daran, | |
| dass Italien seinen Anteil (300 Millionen Euro) nicht zahlt. | |
| Wieso auch? Jahrelang hatten die EU-Staaten die Italiener mit deren | |
| Flüchtlingsproblemen alleine gelassen. Die im Herbst beschlossene | |
| Verteilung von Flüchtlingen in Richtung Norden läuft auch nicht an. Und | |
| falls die Türkei nun die Grenze blockiert, profitieren vielleicht | |
| Deutschland und die Transitstaaten auf der Balkanroute - Italien aber | |
| nicht. | |
| Hinzu kommt, dass Europa der Regierung in Rom in einer Reihe anderer Frage | |
| nicht entgegenkommt. Zum Beispiel beim Haushalt: Italien möchte in diesem | |
| Jahr mehr Schulden machen, würde damit aber gegen Sparauflagen der EU | |
| verstoßen. Weil die Kommission bislang nicht einlenkt, schimpfte Renzi | |
| zuletzt über das kleinliche „Nullkomma-irgendwas-Denken“, das in Europa | |
| vorherrsche. | |
| ## „Einige Antworten auf spezielle Fragen“ | |
| Eine Stunde wollten der Ministerpräsident und die Kanzlerin am Freitag über | |
| die diversen Meinungsverschiedenheiten sprechen. Am Ende bleiben sie | |
| beinahe doppelt so lange in Merkels Büro, ohne zu einer wirklichen Einigung | |
| zu kommen. | |
| „Die Umsetzung der EU-Türkei-Agenda ist natürlich dringend, weil wir | |
| Fortschritte brauchen“, sagt Merkel im Anschluss. Zu dieser Agenda gehörten | |
| selbstverständlich auch die vereinbarten drei Milliarden Euro. | |
| „Wir haben kein Problem damit, unseren Anteil zu zahlen“, erwidert Renzi. | |
| Trotzdem hebe seine Regierung ihre Blockade noch nicht auf. Zunächst habe | |
| die Kommission ihm nämlich noch „einige Antworten auf spezielle Fragen“ zu | |
| liefern. Worum es dabei geht, lässt Renzi auf Nachfrage offen. | |
| Und was ist mit dem Haushalt? Renzi reagierte nach seinem Amtsantritt vor | |
| zwei Jahren mit schmerzhaften Reformen auf die Krise, so wie es Deutschland | |
| und die EU gefordert hatten. Nach Privatisierungen und Liberalisierungen | |
| auf dem Arbeitsmarkt will er nun gegensteuern, unter anderem mit höheren | |
| Sozialleistungen. Auch, weil er in Umfragen den Druck EU-kritischer | |
| Protestparteien spürt. | |
| „Austerität allein führt nicht zum Aufschwung in Europa. Ich bin aber nicht | |
| sicher, ob Angela das genauso sieht“, sagt Renzi. Merkels Antwort: ein | |
| Kopfschütteln. Das Haushaltsdefizit sei Sache der EU-Kommission, sagt sie | |
| dann. „Da mische ich mich nicht ein.“ | |
| Minuten später fährt Renzi ab, er muss zum Flughafen Tegel. Am Ende seiner | |
| Dienstreise hat er sich atmosphärisch an Merkel angenähert. Bevor die | |
| beiden auch inhaltlich auf einen Nenner kommen, sind aber noch so einige | |
| Treffen nötig - egal, ob daheim in Rom oder im Palazzo an der Spree. | |
| 29 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Tobias Schulze | |
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