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# taz.de -- Kolumne German Angst: Der Führer lügt! (Oder doch nicht?)
> Die Wolfsschanze für Hitler-PR gibt bekannt: In nur 3.500 Fußnoten wird
> bewiesen, dass er die Deutschen so richtig verarscht hat.
Bild: Das böse Buch mit dem kleinen Bart ist noch gar nicht tot.
Wie gut, dass es Amazon gibt, dieses Orakel des Volkswillens. Es kann nicht
lügen. „Am häufigsten gewünscht: ‚Hitler, Mein Kampf‘“ stand da scho…
Weihnachten – und auch noch danach. Ganz so, wie die Pegida-Hymne auf Platz
eins der Verkaufscharts festgefroren ist. Dabei war die kommentierte
Ausgabe noch nicht einmal erschienen.
Da freute sich der Freistaat Bayern. Der verwaltet noch immer den Nachlass
Hitlers, ist gewissermaßen die Wolfsschanze für Hitler-PR. Zwar war ihm die
Finanzierung von „Hitler, Mein Kampf: Eine kritische Edition“ des Instituts
für Zeitgeschichte zu heiß geworden. Tja.
Weniger ehranrüchig wär’s halt nur gewesen, wenn Hitler von den
Urheberrechten schon ein paar Jahre früher zurückgetreten wäre. Ist er aber
nicht. Und so liegt das Buch auf jedem dritten Dachboden, ist im Internet
zu haben, wird vom Staat voluminös aufgebläht.
Das einzige Original, das ich je in den Händen hielt, war übrigens auch
eine kommentierte Ausgabe. Es gab Unterstreichungen und Kommentare – dem
netten Opa der Freundin hatte der Antisemitismus auf 780 Seiten nicht
gereicht. Er hat noch etwas dazugeschrieben. Und schon fällt die Legende:
habe ja eh niemand gelesen. Die „Hitlerstatistik“ (FAZ) besagt, jeder
Fünfte habe „Mein Kampf“ zumindest teilweise gelesen. Aber, nein. Es waren
12 Millionen ungelesene Bücher! 8 Millionen NSDAPler, die nie in die Partei
eingetreten waren. 80 Millionen, die von nichts gewusst hatten. Ein Volk
der Blinden und Verblödeten.
Und nun eine Werbepause. Führergossip. Jetzt, wo man das darf! Dass mit dem
einen Ei ist schon durch, aber die Sache mit der Volksverarsche nicht. Die
Welt liest mal wieder die Protokolle aus Hitlers Haft in Landsberg. Da
steht, dass er rund 50 Liter Bier im Monat (und, fun fact, insgesamt 45
Kilo Butter!) verköstigt hat, während er schrieb. Obwohl er doch zu
Protokoll gegeben hatte, abstinent zu leben! 70 Jahre später erleben wir
den Gröfaz als chronischen Lügner.
Hatte man ja schon längst gewusst – der hat die Deutschen so richtig
verarscht. Betrogen. Und weil dem so ist, braucht man nun 3.500 Fußnoten
als Selbstvergewisserung. Wenn man dem Faszinosum Hitler zu erliegen droht
oder einem die Juden mit ihrem Einfluss auf den Senkel gehen, zum Beispiel.
„Hitler, Mein Kampf“ ist nämlich der Beweis, dass selbst des Führers
Antisemitismus der „Zünder“ (Projektleiter Christian Hartmann)
[1][herausgedreht werden kann].
Schön, dass es die Taskforce „Dem Antisemitismus den-Zünder rausdrehen“
gibt. Wobei rund 1.000 Seiten Erklärungen ja eher den Eindruck vermitteln,
man hätte Angst gehabt, es könne misslingen; der Antisemitismus doch nicht
so einfach widerlegt werden kann, auch nicht mit Wissenschaft.
Und klar: Wenn Deutsche auch heute lieber keineN jüdischeN NachbarIn haben
wollen, muss man es halt genau nehmen. 70 Jahre nach den Versuchen der
Alliierten braucht es nun ein ganzes Institut, das beweisen soll, dass die
Juden nicht die Welt regieren. – Nein, nicht die ganze, aber … Aber jetzt
ist es vorbei mit dem Aberismus. Warum? S. Anm. 2.189 ff.
12 Jan 2016
## LINKS
[1] http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/216301/wir-wollen-d…
## AUTOREN
Sonja Vogel
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