# taz.de -- Notunterkünfte für Flüchtlinge: Auf einmal ist Sport ganz, ganz … | |
> Unmut über die Beschlagnahmung von Turnhallen für Flüchtlinge: Nach | |
> Bezirken und Sportvereinen mucken nun die Eltern auf und starten eine | |
> Onlinepetition. | |
Bild: Dixie-Toiletten vor einer zur Flüchtlingsunterkunft umgewidmeten Turnhal… | |
Kurz vor Weihnachten gewinnt die Diskussion über die Beschlagnahmung von | |
Turnhallen zur Unterbringung von Flüchtlingen an Schärfe. Weil immer mehr | |
Eltern um den Sportunterricht für ihre Kinder fürchten, haben die | |
Bezirkselternausschüsse in Spandau und Lichtenberg eine Onlinepetition | |
gestartet, wie sie am Mittwoch erklärten. Die zuständige Sozialverwaltung | |
müsse zunächst alle anderen Möglichkeiten ausschöpfen, bevor | |
Schulsporthallen belegt werden, fordern die Elternvertreter. Rund 2.000 | |
Unterschriften hat die Petition nach einer Woche. Wenn 15.000 Menschen in | |
den nächsten 80 Tagen unterzeichnen, müssen sich Abgeordnetenhaus und Senat | |
mit der Forderung befassen. | |
Auch vom Landessportbund (LSB) kommen zunehmend kritische Töne. Zwar sei | |
man „grundsätzlich solidarisch“, sagte LSB-Direktor Heiner Brandi der taz. | |
„Wir sind aber der Meinung, dass die Nutzung von Hallen auf Dauer, | |
insbesondere wenn es Großhallen von zentraler Bedeutung sind, zur | |
Unterbringung von Flüchtlingen keine Lösung ist“. Die Mitglieder | |
erwarteten, dass der Senat jetzt nach Alternativen sucht. Am späten | |
Montagabend hatten sich LSB und rund 150 Vereinsvertreter mit | |
Innenstaatssekretär Andreas Statzkowski (CDU) getroffen, um die Lage zu | |
erörtern. LSB-Präsident Klaus Böger sagte dazu im RBB: “Man zerstört die | |
Unterstützung für eine Aufnahme- und Willkommenskultur durch den Sport. | |
Denn dazu braucht man Sporthallen.“ | |
Nach Angaben der Sozialverwaltung gibt es derzeit 144 Unterkünfte, in denen | |
rund 41.000 Menschen leben. 26.000 von ihnen wohnen in 91 Notunterkünften. | |
Dazu gehören auch 47 Turnhallen, in denen derzeit rund 9.600 Menschen | |
leben. In Berlin gibt es rund 1.050 Turnhallen. | |
Die Bezirke gehen immer mehr auf Konfrontationskurs. Vor einem Monat noch, | |
als Flüchtlingsstaatssekretär Dieter Glietsch sie aufgefordert hatte, | |
binnen wenigen Tagen je vier Turnhallen zu benennen, die sie ihm geben | |
könnten, hatte lediglich der Bezirk Mitte aufgemuckt. Mitte Dezember | |
verweigerten sich dann auch Spandau und Reinickendorf – letzterer Bezirk | |
stellt bislang keine einzige Turnhalle zur Verfügung. | |
Vorige Woche dann hatte der Rat der Bürgermeister aller zwölf Bezirke in | |
einer Erklärung den Senat aufgefordert, keine weiteren Turnhallen als | |
Notunterkünfte mehr einzufordern, und angeboten, dafür „gemeldete | |
Immobilien kurzfristig vorzubereiten“ sowie „freie Flächen“ für | |
Traglufthallen zur Verfügung zu stellen. Auf diese Argumentation zielt auch | |
der Landeselternausschuss, Berlins oberstes Elterngremium, ab. Dass nun | |
immer mehr Turnhallen beschlagnahmt werden, sei ein „Missmanagement“ des | |
Senats, solange die Bezirke ausreichend Alternativen meldeten, heißt es in | |
einer Erklärung. | |
Dass sie dies tun, bestreitet die zuständige Sozialverwaltung allerdings. | |
Alle großen Immobilien, die schnell zu „ertüchtigen“ seien, würden berei… | |
genutzt, erklärte eine Sprecherin kürzlich der taz. Und in Sachen | |
Bundesinnenministerium, das der Bezirk Mitte immer wieder ins Feld führt, | |
gebe es bislang keine Neuigkeiten vom Besitzer. Derzeit gebe es zu den | |
Turnhallen daher keine Alternative. | |
Dennoch steht für Claudia Engelmann, Vorsitzende des | |
Bezirkselternausschusses Lichtenberg, fest: „Den Vorwurf, unsere Interessen | |
auf dem Rücken von notleidenden Menschen durchsetzen zu wollen, lasse ich | |
nicht gelten.“ Zwar müssten die geflüchteten Menschen untergebracht werden, | |
eine Turnhalle könne aber nur die letzte Lösung sein. „Denn das ist zum | |
einen für die Flüchtlinge keine akzeptable Unterbringung, und es geht | |
obendrein zulasten des Schulsports, der wegen maroder Hallen ohnehin | |
bereits viel zu oft ausfällt oder aufwendig organisiert werden muss“, so | |
Engelmann. Rund 11.000 SchülerInnen müssen derzeit auf andere Turnhallen | |
als die eigene ausweichen. | |
23 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Klöpper | |
Rolf Lautenschläger | |
Susanne Memarnia | |
## TAGS | |
Lageso | |
Flüchtlinge | |
Turnhallen | |
Notunterkunft | |
Sporthalle | |
Willkommensklasse | |
Flüchtlinge | |
Schwerpunkt Flucht | |
Lageso | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
Flüchtlinge | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Sporthallen als Flüchtlingslager: Ausquartierte machen Druck | |
In Berlin dienen nach wie vor Sporthallen als Obdach für Geflüchtete. Die | |
Sportvereine drängen auf „ein koordiniertes Ausstiegsszenario“. | |
taz-Serie Fluchtpunkt Berlin (3): Schule ist ein guter Ort | |
Die Kinder der Familie Mottaweh haben ihr erstes Zeugnis. Tatsächlich | |
funktioniert in Berlin die Integration der Flüchtlingskinder erstaunlich | |
gut. | |
Streit um Notunterkunft in Reinickendorf: Integration ist nicht planbar | |
Eine Montessori-Schule will Angebote für Flüchtlinge schaffen. Doch das | |
landeseigene Immobilienmanagement verweigert das Gebäude. | |
Kolumne Press-Schlag: Mehr als nur Sport und Halle | |
Flüchtlinge immer in Turnhallen unterbringen zu wollen, zeugt von großer | |
Ignoranz. Denn gleichzeitig soll der Sport doch zur Integration beitragen. | |
Müller resümiert Situation am Lageso: „Wir werden jeden Tag besser“ | |
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller gibt Versäumnisse bei der | |
Unterbringung der Flüchtlinge zu und bittet um Verständnis, dass nicht | |
alles von heute auf morgen klappe. | |
Turnhallen für Flüchtlinge in Berlin: Kein faires Spiel | |
Nachdem der Senat weitere Turnhallen zu Unterkünften umnutzt, wächst bei | |
den Berlinern der Unmut. Dabei sind bisher erst knapp 40 Hallen belegt. | |
Behördenversagen in Berlin: Flüchtlinge bekommen eigenes Amt | |
Ab Januar soll sich statt des Lageso eine eigene Behörde um Flüchtlinge | |
kümmern. Der Streit um die Unterbringung in Turnhallen geht unterdessen | |
weiter. | |
Flüchtlingsunterbringung: Der Bund dreht den Geldhahn auf | |
Berlin bekommt vom Bund nicht nur Grundstücke für Flüchtlingsunterkünfte, | |
sondern auch gleich noch den Umbau bezahlt. Das beschloss der | |
Haushaltsausschuss. |