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# taz.de -- Behördenversagen in Berlin: Flüchtlinge bekommen eigenes Amt
> Ab Januar soll sich statt des Lageso eine eigene Behörde um Flüchtlinge
> kümmern. Der Streit um die Unterbringung in Turnhallen geht unterdessen
> weiter.
Bild: Bald heißt es nicht mehr „am Lageso“, sondern „am Flüchtlingsamt�…
Mitten in der Versorgungskrise für die Flüchtlinge steht Berlin vor einer
Neuorganisation seiner Verwaltung: Nach taz-Informationen will
Sozialsenator Mario Czaja (CDU) dem Landesamt für Gesundheit und Soziales
(Lageso) alle mit Flüchtlingen befassten Bereiche – Registrierung,
Unterbringung, Leistungen – entziehen. Sie sollen einem neuen „Amt für
Flüchtlingsangelegenheiten“ übertragen werden. Als Präsident ist offenbar
Czajas Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU) im Gespräch. Bereits zum 1. Januar
soll das Amt seine Arbeit aufnehmen und auf längere Sicht auch zuständig
werden für Integrationsaufgaben, die bislang in das Ressort von
Arbeitssenatorin Dilek Kolat (SPD) fallen.
Für die Grünen-Abgeordnete Canan Bayram ist die Veränderung prinzipiell
eine gute Idee: Auf ihren Vorschlag hin hatten die Grünen unlängst selbst
ein „Landesamt für Migration und Flucht“ gefordert, das alle Aufgaben
dieses Bereichs bündelt. „Aber in der aktuellen Situation halte ich das für
sehr riskant“, sagte sie am Freitag der taz.
Denn eine solche Verwaltungsreform müsse gut vorbereitet sein, das sei
kurzfristig nicht zu stemmen. „Ich befürchte, das wird zu Lasten der
Flüchtlinge gehen. Wir werden Wochen verlieren.“ Bayram verwies auf die
derzeit rund 15.000 Flüchtlinge, die nicht einmal registriert seien. „Czaja
wird die neue Behörde als Befreiungsschlag darstellen, aber das Chaos ist
jetzt schon programmiert“, so die Juristin.
Hintergrund der Neuorganisation ist aber nicht nur die andauernde Kritik an
Czaja, weil das ihm unterstehende Lageso seine gesetzlichen Aufgaben zur
Versorgung der Flüchtlingen nicht in den Griff bekommt. Sie ist auch eine
Konsequenz aus der „Allert-Affäre“: Im November vorigen Jahres war bekannt
geworden, dass ein Patensohn des Lageso-Chefs Franz Allert mehrere Aufträge
zum Betrieb von Flüchtlingsunterkünften bekommen hatte. Daraufhin
eingesetzte externe Wirtschaftsprüfer stellten zwar keine direkte
Einflussnahme Allerts fest, bemängelten aber, dass die Auswahl der
Betreiber von Flüchtlingsunterkünften völlig undurchsichtig sei und das Amt
keine Kontrolle über Kosten und Qualität habe.
Czajas erste Reaktion: Er entzog Allert im Juni die Aufsicht über die
„Berliner Unterbringungsleitstelle“ (BUL), die für Akquise und Betrieb von
Unterkünften zuständig ist, und unterstellte sie direkt seinem
Staatssekretär. Die weiteren Empfehlungen der Wirtschaftsprüfer, vor allem
zur Einführung eines ordentlichen Vergabeverfahrens, harren seither
allerdings der Umsetzung. Denn dann stiegen die Flüchtlingszahlen rapide:
Seit September musste Berlin rund 40.000 neue Asylbewerber aufnehmen, fast
täglich werden neue Notunterkünfte errichtet. Und weil die BUL mit ihren
inzwischen 76 Mitarbeitern mit der Herrichtung von Gebäuden nicht
hinterherkommt, kümmert sich darum inzwischen auch Czajas neuer
Flüchtlingskoordninator Dieter Glietsch.
Seine Aufforderung an alle zwölf Bezirke, ihm bis zu diesem Freitag je vier
Turnhallen zu benennen, die er auf seine „Vorratsliste“ an Notunterkünften
für die nächsten Wochen setzen kann, wird von diesen teils scharf
kritisiert. „Ich erwarte einen Strategiewechsel beim Senat“, sagte Mittes
Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD) der taz. Bis Jahresende brauche
man rund 10.000 weitere Plätze – statt die Menschen kleckerweise in
Turnhallen unterzubringen, „müssen wir Großobjekte fertig machen“. Sein
Bezirk habe wie andere dazu Vorschläge gemacht, etwa das leer stehende
Gebäude des Bundesinnenministeriums (BMI).
Czajas Sprecherin Monika Hebbinghaus sagte, wenn die Bezirke die Hallen
nicht freiwillig gäben, würde man eben beschlagnahmen. „Natürlich sind
Turnhallen keine gute Lösung“, aber alle noch nicht belegten Großgebäude
seien „schwer bereitzustellen“. So gebe es etwa bei der Tetrapak-Halle in
Reinickendorf „hohe Herrichtungskosten“, auch fordere der Vermieter eine
„hohe Jahresmiete“. Zu dem leeren BMI-Gebäude verwies sie auf Czajas Rede
am Donnerstag im Abgeordnetenhaus: Der Vermieter sei angefragt, habe sich
aber noch nicht erklärt.
27 Nov 2015
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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