# taz.de -- Juristen zeigen Berliner Sozialsenator an: „Das ist strafrechtlic… | |
> 40 AnwältInnen erstatten Anzeige gegen Mario Czaja und | |
> Lageso-Behördenchef Franz Allert wegen der Probleme vor der | |
> Flüchtlingserstanlaufstelle. Was werfen Sie ihnen vor? | |
Bild: Jetzt auch ein Fall für die Justiz: der wenig engagierte Sozialsenator M… | |
taz: Frau Clemm, Sie haben mit mehr als 40 AnwältInnen vom Republikanischen | |
Anwaltsverein und der Vereinigung Demokratischer JuristInnen Anzeige | |
erstattet gegen Sozialsenator Mario Czaja (CDU) und Franz Allert, den | |
Präsidenten des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (Lageso). Warum? | |
Christina Clemm: Wir haben uns in den vergangenen Monaten die Situation der | |
wartenden Flüchtlinge vor der Erstanlaufstelle im Landesamt für Gesundheit | |
und Soziales immer wieder angesehen. Die war und ist katastrophal. Das | |
beklagen auch andere und fordern Verbesserungen, etwa die vor Ort tätige | |
Freiwilligeninitiative „Moabit hilft“, das Behandlungszentrum für | |
Folteropfer und die Berliner Ärztekammer. Wir sind zu dem Schluss gekommen, | |
dass es nicht mehr ausreicht, Forderungen zu stellen. Es geht nicht mehr | |
nur um Missorganisation. Was vor der Behörde passiert, ist strafrechtlich | |
relevant. Unserer Ansicht nach machen die dafür Verantwortlichen sich | |
strafbar. | |
Was werfen Sie ihnen vor? | |
Czaja als oberster Dienstherr und Allert als Behördenleiter haben die | |
dortige Organisation zu verantworten – etwa, wie der Einlass geregelt ist. | |
Das war ja bis vor Kurzem so, dass da einfach irgendwann die Tore | |
aufgemacht wurden und die Menschen, teilweise mit Kindern, drängeln | |
mussten, um als Erste dranzukommen. Dabei ist es immer wieder zu | |
Verletzungen gekommen. Viele sind gezwungen, Nächte in der Kälte vor | |
verschlossenen Toren auszuharren. Gelingt es ihnen nicht, Anträge zu | |
stellen, bleiben sie mittel- und obdachlos. Die Menschen erkranken, | |
erleiden Zusammenbrüche. Viele geflüchtete Personen sind schwer | |
traumatisiert. | |
Das ist allgemein bekannt. | |
Auch Czaja und Allert waren diese Zustände bekannt, aber sie haben sie | |
nicht geändert. Wäre das ein Privatunternehmer gewesen, der so etwas | |
veranstaltet hätte, hätte man längst irgendwelche Auflagen erteilt. Nur | |
weil es sich in diesem Fall um eine Behörde handelt, ist nichts geschehen. | |
Dabei steht es den Flüchtlingen ja nicht frei, ob sie dort hingehen. Sie | |
sind rechtlich dazu gezwungen. | |
Was versprechen Sie sich von der Anzeige? | |
Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft unsere Anzeige ernst nimmt, die | |
Sachverhalte prüft und erkennt, dass dort tatsächlich strafrechtlich | |
relevante Dinge stattfinden. Das hätte sie übrigens auch von sich aus schon | |
tun können. Wenn sich da Leute verletzen und ins Krankenhaus kommen, können | |
Staatsanwälte auch von Amts wegen Ermittlungen aufnehmen. | |
Mit einer Verurteilung der beiden Angezeigten rechnen Sie nicht? | |
Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen einleitet. Aber wir | |
wären froh, wenn die Anzeige dazu führt, dass die Verantwortlichen das | |
ernst nehmen. Wenn die Staatsanwaltschaft richtig ermittelt und die | |
Angezeigten einen Beschuldigtenstatus bekommen, verstehen sie vielleicht, | |
dass sie sich strafbar machen. Wenn wir das erreichen, wäre das schon | |
einmal gut. | |
Christina Clemm ist im Vorstand des Republikanischen AnwältInnenvereins RAV | |
und Fachanwältin für Straf- und Familienrecht. | |
7 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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