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# taz.de -- Flüchtlinge in Berlin: Chaos! Nur neu organisiert
> Mit der neu eröffneten Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in der
> Bundesallee wird die Lage vor dem Lageso zunächst noch unübersichtlicher.
> Ob die Registrierung schneller wird, ist zweifelhaft.
Bild: Warten jetzt mit Dach - immerhin. Vor der Erstaufnahmestelle für Flücht…
„New Asylum“ steht in sechs Sprachen auf dem Schild vor dem weißen Zelt.
Drinnen ist es warm. Dutzende Menschen sitzen auf dem Boden , Bänke gibt es
nur wenige, manche drängeln sich in die Zeltmitte, wo eine Zeltbahn eine
schlitzartige Öffnung lässt. Davor steht eine Absperrung aus spanischen
Reitern, streng bewacht von Securityleuten und Polizisten. Von Zeit zu Zeit
rufen sie „Farsi!“, „Arabic“ oder „Urdu“ ins Zelt, was jedesmal ein…
Gedrängel auslöst, das einige Menschen durch den Schlitz drückt. Die
Glücklichen kommen so über die Absperrung in ein dahinter liegendes zweites
Zelt. Ramez A. betrachtet das Geschiebe mit ratlosem Gesicht. „Wo wird man
registriert?“ fragt der junge Syrer die Reporterin.
## Keine Informationen
Das neue System zur Aufnahme und Registrierung von Asylbewerbern, das an
diesem Donnerstag seinen ersten Praxistest bestehen muss, ist für
Flüchtlinge, die beim Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso)
ankommen, schwer durchschaubar, außer dem „New Asylum“-Schild gibt es keine
Informationen. Eigentlich ist es ganz einfach: Zelt eins ist der
Wartebereich, bis man in Zelt zwei kommt. Dort werden die neuen
Asylbewerber mithilfe von Sprachmittlern vorläufig registriert, bekommen
ein graues Bändchen mit Wartenummer – und werden angeblich später am Tag in
eine Unterkunft gebracht. Von dort sollen sie – in ein paar Tagen, Wochen?
– zu ihrem Termin in die Bundesallee 171 gefahren werden, zur neuen
Lageso-Außenstelle, wo man „richtig“ registriert wird und seinen Asylantrag
stellen kann.
Am Morgen sind laut Senatsverwaltung für Soziales zwei Busse mit rund 100
Flüchtlingen direkt von der Turmstraße dorthin gefahren. Danach war
allerdings Schluss, mehr Menschen kann die neue Stelle am ersten Tag nicht
bearbeiten. Bislang konnte das Lageso in der Turmstraße pro Tag rund 215
Personen „erstregistrieren“ – viel zu wenig, kommen doch derzeit täglich
rund 500 neue Flüchtlinge in der Stadt an. In der neuen
Erstregistrierungsstelle Bundesallee, so das Ziel, sollen bald rund 1.000
Menschen registriert werden können.
Als Ramez nach vielem Fragen – bei Polizisten, Sicherheitsleuten und einem
Freiwilligen von „Moabit hilft“ – weiß, wie das Prozedere geht, ist er
erleichtert. Der Autoersatzteile-Verkäufer aus Damaskus ist seit zwei
Jahren in Berlin und bereits anerkannter Flüchtling. Vor zwei Tagen ist
sein Bruder angekommen, mit Frau und zwei Kindern. Sie sind erschöpft von
der Reise – Balkan-Route, Ungarn, München, Dresden – und brauchen dringend
eine Unterkunft, Hilfe, Ruhe. „Ich habe nur eine Einzimmerwohnung, wo wir
jetzt zu fünft sind. Und meine Schwägerin ist krebskrank, sie muss zum
Arzt“, erzählt Ramez. Im Gedränge von Zelt eins hat er die anderen
verloren, er ruft auf dem Handy an – nochmal Erleichterung, die Angehörigen
sind in Zelt zwei.
Etwas weniger Chaos herrscht weiter hinten auf dem Lageso-Gelände. Wie alle
Tage stehen dort hunderte Menschen vor Haus A im kalten Nieselregen und
warten ruhig auf den Aufruf ihrer Wartenummer. Vielleicht sind es etwas
weniger als sonst – die Neuankömmlinge sind ja jetzt vorne in den beheizten
Zelten. Wer hier ansteht, will zur „Leistungsstelle“ des Lageso, braucht
also Geld oder einen Krankenschein – oder ist einer der „Altfälle“, die
einen Termin haben, bislang aber nur teilweise registriert wurden.
Mehr als 5.000 Fälle gebe es davon schätzungsweise, hatte Sozialsenator
Mario Czaja (CDU) am Mittwoch bei der Präsentation der neuen Erstaufnahme
in der Bundesallee erklärt. Genug zu tun gibt es also weiterhin in der
Turmstraße – doch schon geht auf dem Gelände das Gerücht um, es seien so
viele Mitarbeiter in die Bundesallee verlegt wurden, dass die Bearbeitung
der Fälle hier noch langsamer voran komme als bislang. Die Hoffnung des
neuen Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, Dieter Glietsch, dass sich das
neue System in der Bundesallee „sofort“ spürbar auf die Lage in der
Turmstraße auswirken werde, hat sich am ersten Tag jedenfalls noch nicht
erfüllt.
15 Oct 2015
## AUTOREN
Susanne Memarnia
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