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# taz.de -- Wikileaks veröffenlicht Tisa-Dokumente: COP21 von Tisa ausgehöhlt
> Während es in Paris um Weltrettung geht, wird in Genf Tisa verhandelt.
> Das Freihandelsabkommen könnte den Klimaschutz torpedieren.
Bild: Tisa ist neben TTIP das zweite große Freihandelsvorhaben der EU
Paris/Genf taz | In Paris sieht es derzeit nicht gut aus für die Kohle-,
Öl- und Gaskonzerne: Immer mehr Investoren ziehen sich zurück, und ein
neues Klimaabkommen könnte die Aussichten der Branche weiter
verschlechtern. Doch während 193 Staaten bei der Pariser Weltklimakonferenz
versuchen, einen geringeren CO2-Ausstoß zu erreichen, verhandeln 50 dieser
Länder gleichzeitig hinter verschlossenen Türen in Genf über die
vollständige Liberalisierung der globalen Energiemärkte im Rahmen eines
neues Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services
Agreement, Tisa).
Und genau das dürfte den fossilen Energieunternehmen deutlich besser
gefallen. Das legt zumindest der vertrauliche, auf den 14. November
datierte Entwurf von Norwegen und Island für das Tisa-Energiekapitel nahe,
der [1][von Wikileaks veröffentlicht] wurde und der taz vorliegt. Norwegen,
größtes Ölförderland in Europa, und Island, das bei der Nutzung von
Erdwärme an der Weltspitze liegt, spielen beim Energiekapitel eine wichtige
Rolle.
Wenn Tisa in dieser Form Wirklichkeit würde, hätten die beteiligten Staaten
künftig deutlich weniger Möglichkeiten, ihre Energiepolitik nach
ökologischen Kriterien auszurichten. Denn das Papier schlägt ausdrücklich
eine „Technologie-Neutralität“ vor. Wenn ein Land seinen Energiemarkt für
ausländische Konzerne öffnet, dann dürfe das nicht nur für einzelne
Energieträger, sondern müsse für alle gelten – ganz gleich, ob es sich
dabei um Solar, Atom, Wind, Kohle, Öl, Geothermie oder Fracking handelt.
## Vielfältige Auswirkungen
Mexiko etwa, dessen Verfassung derzeit noch den Zugang ausländischer
Konzerne zu den Ölreserven des Landes untersagt und dessen Regierung sich
um ausländische Investitionen zur Errichtung von Wind- und
Solarenergieanlagen bemüht, könnte diese Politik unter Tisa nicht
fortsetzen.
Der norwegisch-isländische Entwurf sieht zudem das Prinzip der
„Nicht-Diskriminierung“ vor: Ausländische Unternehmen dürfen also nicht
schlechter gestellt werden als inländische. Die Auswirkungen solcher
Nicht-Diskriminierungsregeln könnten vielfältig sein. So gibt es in
Deutschland etwa den Wunsch, bei den geplanten Ausschreibungen für
erneuerbare Energien lokale Bürgerprojekte oder kleine Genossenschaften zu
bevorzugen, denn die Akzeptanz von Wind- oder Solarparks steigt deutlich,
wenn die Menschen in der Umgebung finanziell von ihnen profitieren.
Eine solche Besserbehandlung wäre künftig nicht mehr möglich, wenn Tisa in
der vorgeschlagen Weise umgesetzt würde. Jeder internationale Konzern
müsste dann exakt die gleichen Rechte genießen wie eine lokale
Genossenschaft.
Nach Ansicht von Kritikern würde das Abkommen es erheblich erschweren, die
Ausbeutung von Rohstoffvorkommen aus ökologischen und
gesundheitspolitischen Gründen oder Sicherheitsbedenken zu verhindern oder
auch nur einzuschränken. Zwar sieht der Entwurf ein „Recht“ der
Vertragsstaaten für Regulierungsmaßnahmen im Energiesektor vor, doch diese
müssen „notwendig“, „legitim“ und „objektiv“ sein. Wenn sie diese …
nicht erfüllt sehen, sollen Energiekonzerne Regierungen oder lokale
Behörden verklagen können.
## Auch Folgen in Deutschland
Konkrete Auswirkungen könnte das auch in Deutschland haben: Die Regierung
plant derzeit ein Gesetz, wonach die umstrittene Erdgas-Fördertechnik
Fracking nur unter strengen Bedingungen erlaubt sein soll. Der
Gesetzentwurf sieht vor, dass örtliche Behörden Fracking untersagen können,
selbst wenn eine Expertenkommission keine Einwände erhebt. Vorgaben wie
diese könnten künftig unmöglich sein, wenn gemäß Tisa nur „notwendige“,
„legitime“ oder „objektive“ Einschränkungen erlaubt sind.
Für Victor Monetti vom International Forum on Globalization in San
Francisco, der den vorliegenden Entwurf des Energiekapitels analysiert hat,
steht fest: „Das ist ein Freibrief zum Fracken, überall und für jeden.“
Monetti erinnert der Entwurf in weiten Teilen an einen Vorschlag zur
„Liberalisierung“ des globalen Energiesektors, den die USA bereits 2006
unter der Präsidentschaft von George Bush gemeinsam mit der EU, Australien
und Saudi-Arabien im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) auf den Tisch
legten.
Weil dieser Vorstoß und auch die Forderung der nördlichen Industriestaaten
nach „Liberalisierung“ aller anderen Dienstleistungsbereiche in der WTO
nicht durchsetzbar war, initiierten die USA, Australien und die EU 2012 die
seitdem außerhalb der WTO und geheim geführten Tisa-Verhandlungen in Genf
und luden dazu 20 weitere handverlesene Länder ein, nicht aber die
BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.
Zwar sind noch keine Entwürfe anderer Verhandlungsstaaten für das
Energiekapitel durchgesickert. Doch auf Grund der bisherigen Politik der
USA und Australiens ist davon auszugehen, dass beide den
norwegisch-isländischen Entwurf voll mittragen oder sogar noch darüber
hinausgehende „Liberalisierungsforderungen“ haben. Dasselbe gilt –
zumindest bis zum kürzlichen Regierungswechsel – auch für Kanada.
Aus Deutschland und anderen EU-Staaten, die den Ausstieg aus der
Atomenergie oder auch aus der Kohlenutzung anstreben und sich zur Förderung
erneuerbarer Energien bekennen, ist bislang kein Widerspruch zu dem
norwegisch-isländischen Vertragsentwurf bekannt geworden.
3 Dec 2015
## LINKS
[1] http://twitter.com/wikileaks/status/672434255788679169
## AUTOREN
Andreas Zumach
Malte Kreutzfeldt
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